Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

g 64. Konsularrecht. 783 
Richterliche Befugnisse, abgesehen von der Konsular- 
gerichtsbarkeit. 
Eine im Auslande zu bewirkende Zustellung erfolgt nach § 199 der Civil- 
prozeßordnung mittels Ersuchens der zuständigen Behörde des fremden Staates oder 
des in diesem Staate residirenden Konsuls oder Gesandten. Nach § 19 des 
Konsulatsgesetzes können Konsuln nur innerhalb ihres Amtsbezirks auf Ersuchen 
der Behörden eines Bundesstaates (oder des Reiches) Zustellungen jeder Art be- 
wirken; vgl. auch Art. 4 des zwischen dem Deutschen Reiche, Belgien, Spanien, 
Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweiz, Schweden-Nor- 
wegen, Oesterreich-Ungarn, Dänemark, Rumänien, Rußland abgeschlossenen Ab- 
kommens zur Regelung von Fragen des internationalen Privatrechts vom 14. No- 
vember 1896 (R.-G.-Bl. 1899, S. 285). Soll die im Civilprocefse angeordnete 
Beweisaufnahme im Auslande erfolgen, so hat der Vorsitzende des Gerichts nach 
§ 363 der Civilprozeßordnung, falls die Beweisaufnahme durch einen Reichskonful 
erfolgen kann, das Ersuchen um Aufnahme des Beweises an diesen zu richten. 
Jedoch find gemäß § 20 des Konsulatsgesetzes zur Abhörung von Zeugen und zur 
Abnahme von Eiden nur diejenigen Konsuln befugt, welche dazu vom Reichskanzler 
besonders ermächtigt sind q1. Die Konsuln haben bei Eidesabnahme und Zeugen- 
vernehmungen die dafür allgemein geltenden Vorschriften der Civilprozeßordnung zu 
befolgen. Das Deutsche Reich erkennt für sich nur die im Inlande erfolgten Eides- 
abnahmnen und Zeugenvernehmungen an, die vor deutschen Gerichten stattgefunden 
aben 7. 
Als richterliche Funktion läßt sich auch auffassen, daß nach § 15 des Gesetzes, 
betreffend die Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 (R.-G.-Bl. 1877, 
S. 549) die Konsuln verpflichtet find, bei Seeunfällen diejenigen Beweiserhebungen 
zur vorläufigen Feststellung des Thatbestandes vorzunehmen, welche keinen Auf- 
schub dulden 52, während die ihnen nach § 62 des Gesetzes, betreffend die Unfall- 
versicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligter Personen, 
vom 13. Juli 1887 (R.-G.-Bl. 1887, S. 329) obliegende Pflicht, Seeunfälle im 
Auslande festzustellen, keinen wesentlich anderen Charakter hat als die sonst den 
Polizeibehörden (§ 51 des Unfallverficherungsgesetzes vom 6. Juli 1884, R.-G.-Bl. 
1884, S. 69) obliegende Pflicht. Zu den richterlichen Befugnissen gehört dagegen 
die Bestimmung in § 36 des Gesetzes, wonach die Konfuln befugt find, die Ver- 
klarungen vorzunehmen, in Fällen der großen Havarie auf Antrag des Schiffs- 
führers die Dispache aufzumachen, ferner beim Verkaufe eines Schiffes durch den 
Schiffer und bei Eingehung von Bodmereigeschäften, sowie in Betreff der einst- 
weiligen Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Schiffer und Mannschaften nach 
Maßgabe der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs mitzuwirken (§ 37 des Gesetzes). 
Richterliche Funktionen (über die Anschuldigung des Sklavenhandels) find ihnen 
auch in Art. 56, 71 der Brüsseler General-Akte der Antisklaverei-Konferenz in der 
Deklaration vom 2. Juli 1890 (R.-G.-Bl. 1892, S. 605)“ eingeräumt, ferner 
wegen Ertheilung interimistischer Schiffszeugnisse in § 16 der Verordnung, be- 
treffend die )#ndesflgge für Kaufffahrteischiffe, vom 25. Oktober 1867 (B.-G.-Bl. 
67, S. 39)J5. 
In Ansehung der in ihrem Amtsbezirke befindlichen Verlassenschaften 
haben sie die cura absentis auszuüben und annähernd die Befugnisse eines 
Nachlaßrichters. Sie find nämlich nach § 18 des Konsulatsgesetzes berufen, 
der in ihrem Amtsbezirke befindlichen Verlassenschaften verstorbener Reichsangehöriger, 
wenn ein amtliches Einschreiten wegen Abwesenheit der nächsten Erben oder aus 
  
1 Dies sind u. A. die Konsuln (nicht nur 
Berufskonsuln) in England, den Kauischen 
Kolonien, der Türkei, Rumänien, Serbien, der 
Nordamerikanischen Union, Kolumbien, Argen- 
tinien, China, Japan, Siam, Samoa, Tonga, 
Brafilien, Chile, Korea, Marokko, Niederlande 
nebst Kolonien, Paraguay, Perfien, der Süd- 
afrikanischen Republik, Tunis, Uruguay, Zanzibar 
(Zorn, II, S. 481). 
* Vgl. Zorn, II. S. 448, Anm. 10. 
* Vgl. Zorn, II, S. 854, 896 ff. 
4 S. hierzu v. Liszt, Völkerrecht. S. 192ff. 
*S#. auch § 37 des Konfulatsgeiegtzes. 
  
 
	        
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