Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

ß 64. Kvnsalarreqht. 739 
ergangene rechtskräftige Urtheil kann durch den Konsul von Amtswegen im Wieder- 
aufnahmeverfahren bestätigt werden. 
In Strasfsachen, in denen der Konsul oder das Konsulargericht in erster 
Instanz erkannt hat, steht das Begnadigungsrecht dem Kaiser zu (§ 72)1. Hat 
das Reichsgericht die Entscheidung des Konsulargerichts aufgehoben und die Sache 
zur anderweiten Verhandlung an ein Gericht im Deutschen Reiche verwiesen, so steht 
das Begnadigungsrecht dem betreffenden Landesherrn zu?. 
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richtet sich das Verfahren vor dem 
Konsul, sowie dor dem Konsulargericht nach den Vorschriften über das Berfahren 
vor den Amtsgerichten, mit der Maßgabe, daß auch die Vorschriften der §§ 348 
bis 354 der Civilprozeßordnung (vorbereitendes Verfahren in Rechnungssachen, 
Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen) Anwendung finden (§ 41). In 
Rechtsstreitigkeiten, welche die Nichtigkeit einer Ehe zum Gegenstand haben, in Ent- 
mündigungsaachen sowie im Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Todeserklärung 
werden die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft von dem Konsul einer der zur 
Ausübung der Rechtsanwaltschaft zuglassenen Personen, einem anderen achtbaren 
Gerichtseingesessenen oder sonst im Konsulargerichtsbezirke befindlichen Deutschen 
oder Schutzgenossen übertragen (§ 42). In den zur Zuständigkeit der Amtsgerichte 
durch das Gerichtsverfassungsgesetz, die Prozeßordnungen und die Konkursordnung 
gehörigen Sachen findet, soweit der Werth des Streitgegenstandes die Summe don 
300 Mark nicht übersteigt, ein Rechtsmittel nicht statt (§ 43). Der Konful ist 
zur Abänderung seiner durch sofortige Beschwerde angegriffenen Entscheidung stets 
(auch außer den im § 577, Abs. 3 der Civiprozeßordnung bezeichneten Fällen) 
befugt (§ 44). Das Rechtsmittel der Berufung wird bei dem Konful eingelegt. 
Die Einlegung und die Berufungsschrift braucht nicht durch einen Rechtsanwalt 
verfaßt zu sein. Die Berufungsschrift wird der Gegenpartei von Amtswegen unter 
Beachtung der VBorschriften des § 179 der Civilprozeßordnung zugestellt (also zu- 
nächst an einen Prozeßbevollmächtigten, event. an den Gegner selbst). Darauf 
übersendet der Konsul die Prozeßacten mit dem Nachweise der Zustellung dem 
Reichsgericht, welches den Termin zur mündlichen Verhandlung von Amtswegen zu 
bestimmen und den Parteien bekanntzumachen hat (§ 45). Die Zwangs- 
vollstreckung im Konsulargerichtsbezirk aus den bei der Auslbung der Konsular- 
gerichtsbarkeit für diesen Bezirk entstandenen vollstreckbaren Schuldtiteln erfolgt 
gegen die der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen nach den Vorschriften 
über die Zwangsvollstreckung im Inlande. Im Uebrigen, also namentlich auch in 
Fällen, wo der vollstreckbare Titel aus einem im Deutschen Reiche selbst oder in 
einem anderen deutschen Konfulargerichtsbezirk ergangenen Urtheile, Vergleiche oder 
dergleichen herrührt, wird die Vollstreckung im Lonsalargerichtsbezirke gegen solche 
Personen durch den Konsul veranlaßt, und zwar auf das durch den Antrag des 
Gläubigers veranlaßte Ersuchen des Prozeßrichters erster Instanz (§ 46 des Gesetzes 
in Verbindung mit § 791 der Civilprozeßordnung). Z 
Was das in den Konfulargerichtsbezirken zur Anwendung kommende materielle 
Recht anlangt, so gelten nach § 19 für die der Konfulargerichtsbarkeit unter- 
worfenen Personen, soweit nicht das Geseß ein Anderes vorschreibt, 
1) die dem bürgerlichen Rechte angehörenden Voclchriften der Reichsgesetze und der 
daneben innerhalb Preußens im bisherigen Geltungsbereiche des preußischen 
Allgemeinen Landrechts in Kraft stehenden allgemeinen Gesetze, sowie die Vor- 
schriften der bezeichneten Gesetze über das Verfahren und die Kosten in bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit, 3 die dem Strafrecht angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze, 
sowie die Vorschriften dieser Gesetze über das Verfahren und die Kosten in Straf- 
sachen. Es gelten somit namentlich das Bürgerliche Gesetzbuch und das Straf- 
gesetzbuch; Tödtungen, Körperverletzungen, Beleidigungen, Sittlichkeitsverbrechen an 
  
  
  
1 Oben S. 84. 2 S. Motive zun 8 vom 10. Juli 1879 
und mit abweichenber Anficht Zorn, L, S. 505. 
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