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Müller, da sich herausstellte, daß er noch genug Wasser zum Mahlen habe. Der Müller
beschwerte sich beim Könige. Dieser ließ die Sache an Ort und Stelle untersuchen, und
da ihm die Sache zu Gunsten des Müllers dargestellt wurde, setzte er die Richter ab und
schickte sie fast alle ins Gefängnis. „Ein Gericht,“ sagte er, „das Ungerechtigkeit ausübt,
ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande.“
Auch das Wohl der niederen Beamten lag ihm am Herzen. „Ich will ein
rechter König der armen Leute sein!“ sagte er.
Einmal schlug ihm einer seiner Räte vor, dadurch Geld zu sparen, daß er den
Beamten ihr Gehalt kürze. „Ich danke Ihm,“ sagte der König, „aber der Rat gefällt
mir nicht, da die Beamten so schon kümmerlich genug leben. Indessen will ich einen
Versuch mit Ihm selbst machen und Ihm jährlich 1000 Taler abziehen. Übers Jahr kann
Er sich wieder melden. Gefällt Ihm der Abzug, so will ich Sein eben so großes als un-
verdientes Gehalt von 4000 Talern auf die Hälfte herabsetzen."“
Daß man sich die Geschichte von dem Müller von Sanssouci erzählte, zeugt
davon, wie tief das Bewußtsein von Friedrichs Gerechtigkeitsliebe ins Volk ge-
drungen war.
e. Friedrichs Herfsnlichkeit und letzte Regierungszeit.
1. Perlönlichkeit und Lebensweise. Der große König war von Gestalt
nur klein, im Alter etwas gekrümmt. Aber das Feuer seiner großen Adleraugen
verriet auch da noch seinen großen Geist.
„Er ist jeden Zoll ein König, wenn auch ohne Königsschmuck. Seine Krone ist ein
alter dreieckiger Hut (ein neuer mußte vor dem Gebrauch weichgeknetet werden). Sein
Zepter ist ein im Walde geschnittener Spazierstock, der zugleich als Reitstock dient, womit
er seinen Gaul zwischen die Ohren haut. Sein Königsmantel ist ein gewöhnlicher
Soldatenrock, blau mit roten Aufschlägen.“
Bald nach Beendigung des zweiten Schlesischen Krieges ließ sich Friedrich
nahe bei Potsdam das Lustschloß Sanssouci bauen. Dort verbrachte er den
größten Teil des Jahres, jeden Tag in streng geregelter Tätigkeit. „Der König,"“
sagte er, „ist der erste Diener seines Staates und wird gut genug bezahlt für
sein Amt, um ordentlich zu arbeiten.“ Im Sommer stand er schon um 3 Uhr,
selten nach 4 Uhr auf. Seine Diener mußten ihn um diese Zeit wecken und
erforderlichenfalls zum Aufstehen nötigen.
Eines Abends sagte er zu seinem Kammerdiener Heise: „Ich habe da eine wichtige
Arbeit vor; morgen muß Er mich spätestens um 4 Uhr wecken!“ Mit dem Schlage 4 Uhr
trat der Kammerdiener ein und weckte den König mit lauter Stimme. Der König schlug
die Augen auf und sagte: „Es ist mir leid geworden, ich muß noch zwei Stunden schlafen;
komm Er um 6 Uhr wieder!“ „Aber Majestät haben befohlen,“ sagte Heise. „Nun, Er
hört ja, daß ich nicht will,“ versetzte der König ärgerlich. Heise aber entgegnete: „Maje-
stät, Sie müssen!“ und zog ihm die Bettdecke weg. „Das ist brav,“ rief der König auf-
stehend, „du würdest auch übel angekommen sein, wenn du mich hättest liegen lassen.“
Dann stand er auf, und als er schlaftrunken gähnte, rief er aus: „Ach, wäre ich doch
kein König geworden!“
Vor Tisch ritt er gewöhnlich aus, immer im Trab oder Galopp. Bei großer
Kälte ging er auch wohl zu Fuß. Aber sowohl beim Reiten als beim Gehen
trug er einen Krückstock und war in der Regel von 3—4 Windspielen, seinen
Lieblingen, begleitet. — Schlag 12 Uhr wurde das Mittagessen aufgetragen.
Die Unterhaltung bei Tisch war meist sehr lebhaft. Gegen Abend veranstaltete
der König gewöhnlich ein Konzert in seinem Schlosse; dabei spielte er dann die