1806
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in Paretz, einem Dorfe bei Potsdam. Dort hatte Friedrich Wilhelm ein sehr
einfaches Landhaus bauen lassen. Darin sah man keine kostbaren Möbel und
Teppiche, keine seidenen Decken und Vorhänge, weder Gold- noch Silbergerät.
Alles war sehr einfach. Luise hieß hier die „gnädige Frau von Paretz“, und
am Erntefeste der Bauern mischte sich das fürstliche Paar sogar unter die Tänzer.
Gewöhnlich ging dann auch die Königin in die Buden und kaufte für die Kinder
des Dorfes allerlei Süßigkeiten ein. Dabei drängten sich die Kleinen dicht an
sie heran und riefen: „Mir auch was, Frau Königin!“ Die Königin Luise war
eine Landesmutter, wie sie selten gefunden wird. Alle Untertanen waren ihr
ans Herz gewachsen, besonders aber die Armen. Schon in ihrer Jugend war
Wohltun ihre Freude, und oft pilgerte sie an der Hand ihrer Erzieherin in die
Hütten der Armen, um Not und Elend zu lindern. Als sie Königin geworden
war, sagte sie: „Es freut mich am meisten, daß ich nun das Geld für die Armen
nicht mehr so ängstlich zu zählen brauche.“ Wo sie ein altes Mütterchen am
Wege sah, reichte sie ihm mit freundlichen Worten ein Geldgeschenk, und auf der
Straße spielende Kinder nahm sie nicht selten auf den Arm und liebkoste sie.
Auf einer Reise wurde die Königin einst von 19 kleinen Mädchen in weißen Kleidern
begrüßt. Bald aber erfuhr sie, daß es eigentlich 20 Mädchen gewesen seien, das eine sei
aber wieder nach Hause geschickt, weil es so häßlich ausgesehen habe. Sofort ließ sie das
zurückgeschickte Kind holen und sprach mit ihm überaus freundlich.
Luch nach der Thronbesteigung (1797) änderte sich das häusliche Leben des
königlichen Paares nur wenig Als der Hofmarschall nach einem neuen Küchen-
zettel fragte, sagte der König: „Ist denn mein Magen größer geworden, seitdem
ich König bin? Soll so bleiben, wie es bis jetzt gewesen ist.“
b. Der unglückliche Krieg mit Frankreich 18006.
. Dreußen erklärt an Frankreich den Krieg. In Frankreich regierte
damals Napoleon I. Er hatte als General glänzende Siege erfochten. Seine
Soldaten verehrten ihn abgöttisch, und auch das Volk hing ihm an. Das machte
ihn so kühn, daß er sich 1804 zum Kriser krönen ließ.
Halb Europa hatte er schon unterworfen, als er auch Preußen zum Kriege
reizte. König Friedrich Wilhelm war sehr friedliebend. Zuletzt wurde er aber von
Napoleons Ubermut so beleidigt, daß er an Frankreich den Krieg erklären mußte.
2. Jena und MRuerstäckt. 1806. Ein Heer von 150000 Mann zog
unter dem Oberbefehl des Herzogs von Braunschweig den anrückenden
Franzosen entgegen. Am 14. Oktober kam es zur Doppelschlacht bei Jena und
Auerstädt. Gleich zu Anfang der Schlacht wurde der Herzog von Braun-
schweig durch einen Schuß ins rechte Auge schwer verwundet. Nun kam Ver-
wirrung in das Heer, und obwohl die einzelnen Haufen recht tapfer kämpften,
so löste sich doch bald alles in wilde Flucht auf. Der König und die Königin
selbst mußten eilen, um nicht in Gefangenschaft zu geraten. Der Herzog von
Braunschweig wurde nach seiner Hauptstadt gebracht. Von hier aus sandte er
eine Botschaft an Napoleon und ließ um Gnade bitten. Doch dieser ließ ihm
sagen, er werde ihn, wenn er ihn fange, als Räuber behandeln. Der seines
Augenlichtes beraubte Herzog flüchtete nun weiter und starb bald darauf zu Ottensen.
3. Verrat. Eine Mutlosigkeit ohnegleichen kam über die meisten Befehls-
haber des Heeres. Ohne daß die Besatzungsmannschaft einen Schuß getan hatte,