Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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stimmen. Hierzu kommt sodann die Einführung 
der Verwaltungsgerichte, wodurch 
einzelnen wie Korporationen, die sich durch Uber- 
griffe oder Mißgriffe einer Behörde beschwert 
fühlen, die Möglichkeit gegeben ist, ihr Recht zu 
erstreiten. Weiterhin aber hat der Staat gleich- 
zeitig mit der Erweiterung seiner Machtsphäre 
nach der oben bezeichneten Richtung hin dieselbe 
nach andern Seiten tatsächlich eingeschränkt, in- 
dem er hier auf seine Alleinherrschaft und aus- 
schließliche Selbsttätigkeit verzichtete. Eine Reihe 
staatlicher Funktionen, welche früher ausschließ- 
lich durch Staatsbeamte verrichtet wurden, sind 
nunmehr in den meisten deutschen Staaten Selbst- 
verwaltungskörpern übertragen worden. Ne- 
ben die berufsmäßigen Organe des Staates treten 
so die gewählten Organe der Provinzen, Kreise, 
Kommunalverbände usw. Die scharfe Gegenüber- 
stellung zwischen regierenden Beamten und der 
misera plebs der Regierten ist dadurch unmög- 
lich geworden. 
Nach alledem hat der Kampf gegen die Bureau- 
kratie in Deutschland die aktuelle Bedeutung nicht 
mehr, die er vor 60 Jahren besaß. 
Literatur. Art. „B.“ im Staatslexikon von 
Rotteck u. Welcker III, in Bluntschlis Staatswörter- 
buch II, Wagners Staats= u. Gesellschaftslexikon 
IV 654/64; M. Block, Dictionnaire général de 
la politique 1 (Par. 21884); R. v. Mohl, über B., 
in Zeitschr. für die ges. Staatswissensch. III (1846) 
336 ff; ders., Staatsrecht, Völkerrecht u. Politik 1 
(1860). Vgl. auch Fr. Rohmer, Deutschlands alte 
u. neue B. (1848). lv. Hertling.) 
Bureausystem s. Amt (Sp. 192). 
Bürgerliches Recht, Bürgerliches 
Gesetzbuch s. Zivilgesetzgebung. 
Bürgerrecht s. Bürgerstand, Gemeinde- 
bürger, Staatsangehörigkeit. 
Bürgerstand. 1. Einleitung. 2. Die Ent- 
wicklung des mittelalterlichen Bürgertums als eines 
selbständigen Standes. 3. Die politische Stel- 
lung des Bürgertums im Mittelalter. 4. Sinken 
des Bürgertums unter dem Absolutismuss, stei- 
gende Macht des Kapitals. Der dritte Stand 
unterstützt den Absolutismus gegen die alte Wirt- 
schaftsordnung. 5. Französische Revolution. Neuer 
Begriff des Bürgertums: durch Besitz und Bil- 
dung herrschende Gesellschaftsklasse. Bourgeeisie 
und vom Besitz losgelöste Arbeit. 
1. Stand bedeutet sowohl die typische Stel- 
lung einer Person in der menschlichen Gesellschaft 
(condicio) wie auch als Sammelbegriff die Ge- 
samtheit einer gleichgestellten Volksschicht (ordo). 
Das Mittelalter hat die ständische Volksgliederung 
durch Rechtsgrenzen am reichsten durchgebildet. 
Damals trat neben die älteren volksrechtlichen 
Stände als eine neue Schicht von zukunftsreicher 
Entwicklung das Bürgertum der Städte. 
Es schloß sich, aus den verschiedensten Elementen 
gebildet, durch das berufsständische Merkmal 
städtischen Handels= und Gewerbebetriebs und 
Staatslexikon. I. 3. Aufl. 
Bureausystem — Bürgerstand. 
  
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durch die autonome Entwicklung der mittelalter- 
lichen Stadtgemeinde gegenüber den Ständen des 
platten Landes, Rittern und Bauern, ab und wurde 
zum Träger des wirtschaftlichen und kulturellen 
Fortschritts. 
Aus dem städtischen Bürgertum hat sich, durch 
das Wiederaufleben antiker Ideen gefördert, unter 
der Führung Frankreichs aus dem dritten Stand 
des Ancien Régime heraus die in der Gegenwart 
herrschende Gesellschaftsklasse entwickelt. Das römi- 
sche Volk kannte nicht die Einteilung nach der Art 
der Arbeit. Die Arbeit ward in steigendem Maß 
den Rechtlosen überwiesen. Für die Unterschiede 
unter den vollberechtigten Staatsangehörigen waren 
andere Gesichtspunkte als die Art der betriebenen 
Arbeit maßgebend. Entsprechend der zuletzt weit 
über Roms Mauern ausgedehnten Vorstellung 
eines Civis Romanus, das man mit Bürger ver- 
deutschte, bildete sich dann auch in Deutschland 
wie in ganz Westeuropa die Idee aus, die Unter- 
tanen eines Staats als geschlossene Gemeinde zu 
betrachten und so gleichsam die städtischen Vor- 
stellungen auf den Staat zu übertragen. Seitdem 
nannte man Bürger auch alle berechtigten Unter- 
tanen oder Genossen eines Landes oder Reiches. 
Freilich dauerte es geraume Zeit, bis dieser an- 
fangs nur vereinzelt in Theorie und Ubung ver- 
tretene Ideenkreis und die Rechtsanschauung von 
einer gleichförmigen Staatsbürgerschaft der aus 
dem Mittelalter vorhandenen ständischen Volks- 
gruppierung gegenüber, die seit dem Ausgang des 
Mittelalters in eine merkwürdige Erstarrung ge- 
raten war, endlich in der französischen Revolution 
von 1789 zum Sieg gelangte. Dasselbe Bürger- 
tum, mit dessen Hilfe der Absolutismus im Ancien 
Régime den Kampf mit den bevorrechteten Volks- 
gruppen, den beiden ersten Ständen, Klerus und 
Adel, durchfocht, wendete sich schließlich gegen den 
Absolutismus selbst und erreichte allmählich das 
monarchische Prinzip selbst gefährdende politische 
Mitwirkungsrechte. In jener Krise von 1789 
wurde im Gegensatz zu den verhaßten privilégiés, 
deren anfangs begründete Stellung nach und nach 
widerspruchsvoll geworden war, jedes Glied der 
Gesellschaft, auch der Bauer, Bürger (eitoyen) 
genannt, und diese Anschauung hat sich so ein- 
gebürgert, daß wir jetzt von bürgerlicher Gesell- 
schaft, bürgerlichen Gesetzen usw. sprechen. Der 
Begriff des lokalen Bürgertums der Vergangen- 
heit wich mit grundsätzlicher Beseitigung des stän- 
dischen Staates seit der französischen Revolution 
dem modernen Begriff des Staatsbürgertums und 
behielt als örtliches Bürgertum nur noch eine 
untergeordnete Bedeutung für die Ausübung poli- 
tischer Gemeinderechte und den Genuß von Ge- 
meindevermögen. So entspricht die modern er- 
weiterte Bedeutung von Bürgertum dem Begriff 
Staatsangehörigkeit (s. d. Art.). 
2. Die Entwicklung des mittelalterlichen 
Bürgertumsals selbständigen Standes 
fällt mit der Geschichte des Städtewesens (s. d. Art.) 
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