Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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sowie den Minderwert, welcher für den übrigen 
Grundbesitz durch die Abtretung entsteht, wobei 
auch die Nachteile, welche aus den Anlagen dem 
Restgrundstück erwachsen und dieses ohne die Ent- 
eignung nicht betroffen haben würden, mit zu be- 
rücksichtigen sind. Unzulässig ist die Aufrechnung 
einer Werterhöhung, welche voraussichtlich durch 
die ausgeführte Unternehmung dem nicht enteig- 
neten Restgrundstück zuteil wird. Bei zwangs- 
weiser Belastung eines Grundstücks mit einer 
Dienstbarkeit wird der durch Schätzung zu ermit- 
telnde Betrag des Minderwerts, welchen das 
Grundstück durch Auflegung der Dienstbarkeit er- 
leidet, zugrunde gelegt. Der Wert der von der 
Enteignung betroffenen Nutzungs-, Gebrauchs- 
und Servitutrechte sowie der Pacht und Miete 
ist gleichfalls mit Rücksicht auf die Person des 
Berechtigten festzustellen. Servitutberechtigten 
gegenüber hat die Feststellung der Entschädigung 
selbständig zu geschehen, weil die Wertermittlung 
des Enteignungsobjekts keinen Anhaltspunkt gibt 
für den Wert, welchen die wegfallende Servitut 
für den Servitutberechtigten hat. Die andern 
dinglich Berechtigten haben dagegen nur das Inter- 
esse der Befriedigung ihrer Ansprüche aus der für 
den Eigentümer ermittelten Entschädigungssumme; 
ihrer Zuziehung zu dem Entschädigungsverfahren 
bedarf es nicht. Bloß prekaristisch oder obligato- 
risch Berechtigte, außer Mieter und Pächter, haben 
keinen Ersatzanspruch; ihnen gegenüber wirkt die 
Entschädigung als vis maior. Auf Grund des 
Sachverständigengutachtens setzt die Verwaltungs- 
behörde für jeden Eigentümer und dinglich Be- 
rechtigten die ihm zustehende Entschädigung fest 
und bestimmt in dem Festsetzungsbeschluß zugleich, 
daß die Enteignung des Grundstücks nur nach 
erfolgter Zahlung oder Hinterlegung der Ent- 
schädigungssumme oder der Sicherheitsleistung 
auszusprechen sei. 
Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses 
bzw. der Verwaltungsbehörde steht sowohl dem 
Unternehmer als den übrigen Beteiligten in betreff 
der Höhe der Schadenssumme der Rechtsweg offen, 
bei dem der Richter auch noch die Frage zu prüfen 
haben kann, ob der Enteignungsausspruch sich mit 
dem Inhalt der Enteignungserlaubnis deckt, wäh- 
rend das Befinden über die Notwendigkeit der 
Enteignung an sich und über das Objekt dem 
deutschen Richter entzogen ist. Die Beschreitung 
des Rechtsweges hemmt die Ausführung des Unter- 
nehmens nicht. Abweichend vom deutschen Ver- 
fahren erfolgt in Frankreich die Abschätzung durch 
eine Spezialjury, welche bei der Bemessung der 
Entschädigung die Wertsteigerung zu berücksichtigen 
hat, die das dem Enteigneten verbleibende Rest- 
grundstück durch die Anlage erfährt. In England, 
Nordamerika und Belgien bestimmen die Gerichte 
den Wertersatz. — Neben dem Wertersatz ist der 
Unternehmer außerdem noch zur Einrichtung und 
Enteignung. 
  
Unterhaltung derjenigen Anlagen an Wegen, Über- 
fahrten, Triften, Einfriedigungen, Bewässerungs- 
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und Vorflutsanstalten usw. verpflichtet, welche für 
die benachbarten Grundstücke oder im öffentlichen 
Interesse zur Sicherung gegen vor oder nach der 
Enteignung eintretende Gefahren und Nachteile 
notwendig werden, worüber die Verwaltungs- 
behörde entscheidet. Selbst über Geldansprüche 
gegen den Unternehmer behufs Ausführung der 
festgestellten Anlagen ist der Rechtsweg ausgeschlos- 
sen. Doch hat wegen solcher nachteiligen Folgen 
der Enteignung, welche erst nach Feststellung der 
Schadenssumme erkennbar werden, der Entschädi- 
gungsberechtigte drei Jahre lang nach Ausführung 
der ihn benachteiligenden Anlage den Rechtsweg 
gegen den Unternehmer. 
Ist die Frist zur Beschreitung des Rechtsweges 
gegen die Schadensfeststellung ohne Betretung des- 
selben verstrichen oder ist der Rechtsstreit durch 
Verzicht oder Urteil erledigt, so wird auf Antrag 
des Unternehmers die Enteignung des Grundstücks 
oder Rechts durch die Verwaltungsbehörde be- 
schlossen, den Nachweis vorausgesetzt, daß die ver- 
einbarte oder endgültig festgestellte Entschädigungs- 
oder Kautionssumme rechtsgültig gezahlt oder 
hinterlegt ist. Die Enteignungserklärung schließt 
die Einweisung in den Besitz in sich. Der Enteig- 
nungsgegenstand wird Eigentum des Ubernehmers. 
Die nicht gezahlte Entschädigungssumme ist von 
nun ab vom Unternehmer mit 4% zu verzinsen, 
sofern sie nicht infolge des Zutreffens eines der 
gesetzlich zugelassenen Hinterlegungsgründe hinter- 
legt ist. Bei unrechtmäßiger Hinterlegung hat der 
Unternehmer die Mehrzinsen zu tragen. Das ent- 
eignete Grundstück wird von allen darauf lasten- 
den privatrechtlichen Verpflichtungen frei, und das 
Eigentum geht in Preußen unmittelbar über. Die 
Eintragung des Eigentumsübergangs in die öffent- 
lichen (Grund-)Bücher erfolgt auf Antrag der 
Verwaltungsbehörde (in Preußen Bezirksaus- 
schuß) ohne Mitwirkung des Enteigneten. Über 
die Entschädigungssumme der mit Hypothekar- 
schulden belasteten Grundstücke kann der Eigen- 
tümer nur mit Einwilligung des Realberechtigten 
verfügen. Für Lasten, Abgaben, Eigenschaften 
und Mängel hat der Enteignete Gewähr nicht zu 
leisten. Ist eine Enteignung einem Nichteigentümer 
gegenüber ausgesprochen, so hält sich der wahre 
Eigentümer an den, welchem die Entschädigung 
ausgezahlt worden ist. Bei Verschulden des Ent- 
eigners kann allerdings auch gegen diesen ein An- 
spruch auf Aufhebung oder Schadenersatz begrün- 
det sein. 
Wenn der Unternehmer von dem ihm verliehenen 
Enteignungsrecht vor dem Enteignungsausspruch 
oder vor der Feststellung der Entschädigung zurück- 
tritt, so erlischt sein Enteignungsrecht, und der 
Entschädigungsberechtigte hat gegen ihn eine Klage 
auf Ersatz der Nachteile, welche ihm durch das 
Entschädigungsverfahren erwachsen sind. Erfolgt 
der Rücktritt nach Feststellung der Entschädigung, 
so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich 
Ersatz für die Nachteile oder Zahlung der fest-
	        
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