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Produktenquantums der sämtlichen beteiligten
Werke (Kontingentierung). Auch Vereinbarungen
über einheitliches Vorgehen bei Submissionen ge-
hören zu solcher Produktionskartellierung. Hierbei
ist eine gemeinsame Preispolitik selbstverständlich,
meist finden aber noch ausdrücklich Preisverein--
barungen statt. Um die beim Produktions= ebenso
wie beim reinen Preiskartell unvermeidlichen In-
teressenkonflikte zwischen Mitgliedern, deren Absatz
hinter ihrem Kontingent zurückbleibt, und solchen,
bei denen womöglich das Gegenteil zutrifft, aus-
zugleichen oder zu vermeiden, dienen als weitere
Mittel zur Erreichung der Kartellzwecke die Ge-
winnausgleichung sowie der Warenvertrieb durch
eine gemeinsame Verkaufsstelle. Beide Mittel ge-
langen in der Regel in Verbindung mit andern,
namentlich aus dem angeführten Grunde in Ver-
bindung mit der Produktionskartellierung zur An-
wendung. Es gibt indes auch sog. reine Gewinn-
oder Beteiligungskartelle, die ihren Mit-
gliedern bezüglich Preisfestsetzung, Produktions-
quantum und Absatz freie Hand lassen, bei denen
aber der gesamte sog. Syndikatsgewinn nach be-
stimmten statutarisch feststehenden Grundsätzen ver-
rechnet und aufgeteilt wird. Solche Kartelle haben
aber zugleich — dafür sorgt schon das Geschäfts-
interesse ihrer Mitglieder — hinsichtlich der Preis-
gestaltung und Produktionsregulierung ähnliche
Wirkungen wie eigentliche Preis= und Produk-
tionskartelle, auch wenn das Statut keine bezüg-
lichen Bestimmungen vorsieht. Extragewinne sind
für die Einzelunternehmung indes auch bei reiner
Gewinnkartellierung nicht ausgeschlossen, da nur
die Differenz zwischen den festgesetzten Herstellungs-
und Minimalverkaufspreisen an das Kartell ab-
geführt wird. In Verbindung mit andern Mitteln
der Kartellierung findet die Gewinnausgleichung
meist in der Weise statt, daß die Mitglieder von
dem ihr Kontingent übersteigenden Absatz eine Ab-
gabe an das Kartell zu zahlen haben, die dann an
die übrigen Mitglieder verteilt oder zur Deckung
der Kartellkosten verwandt wird. — Bei der sog.
Vertriebskartellierung endlich nimmt nur
das als Organ des Kartells funktionierende Bureau
die Aufträge entgegen, um sie den Mitgliedern nach
bestimmten Regeln zuzuweisen, oder auch um den
Vertrieb solcher Waren, die auf Vorrat produziert
werden, vermittels einer gemeinsamen Verkaufs-
stelle als Kommissionär oder auf eigene Rechnung
zu besorgen. Die Zuweisung von Aufträgen an
die einzelnen Kartellmitglieder erfolgt gewöhnlich
gemäß einer Vereinbarung über den Anteil, den
jedes Mitglied am Gesamtabsatz haben soll. In
diesem Falle ist häufig noch eine Gewinnaus-
gleichung vorgesehen. Im Falle der Einrichtung
einer gemeinsamen Verkaufsniederlage wird der
Erlös meist unter Zugrundelegung des im Durch-
schnitt sämtlicher Abschlüsse erzielten Verkaufs-=
preises entsprechend dem Verhältnis der Beteili-
gungsziffer eines jeden Werkes zum tatsächlichen
Gesamtabsatz verteilt; die Gewinnausgleichung
Kartelle.
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tritt dann von selbst ein. Hiermit ist jedenfalls
das stärkste Mittel der Kartellierung erreicht. Über-
troffen wird es nur noch von der schon erwähnten,
nahezu völligen Verschmelzung mehrerer Unter-
nehmungen (Aktiengesellschaften), wie sie haupt-
sächlich in den nordamerikanischen Trusts vor-
kommt, aber nicht mehr unter den Kartellbegriff
fällt. Die Trusts werden von Vertrauensmännern
— Trustees — geleitet, denen die Aktionäre der
in Frage kommenden Aktiengesellschaften das ihnen
auf Grund ihres Aktienbesitzes zustehende Stimm-
recht übertragen haben. Die Aktionäre erhalten
an Stelle der Aktien Trustzertifikate, auf Grund
deren sie am Gewinn ebenso partizipieren, als
wenn sie Aktionäre wären.
Die Mittel der Kartellierung können nun in
sehr verschiedenartiger Verbindung miteinander
angewandt werden, so daß eine große Mannig-
faltigkeit unter den Formen der tatsächlich vor-
handenen Kartelle besteht. In der Regel bedarf
es eines längeren Entwicklungsprozesses, wie ihn
die hervorragenderen Kartelle, z. B. das Kali-
kartell, das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat,
Kartelle der deutschen Salinen, durchgemacht haben,
bis aus den einfacheren komplizierte Formen der
Kartellierung entstehen. Von den neueren Be-
arbeitern des Kartellwesens ist eine Einteilung der
Kartelle in solche niederer und höherer Ordnung
versucht worden; eine solche Grenzlinie ist aber
natürlich in der Praxis schwer zu ziehen.
Es bleibt noch übrig, einen Blick zu werfen auf
die Art und Weise, wie die Kartelle die Durch-
führung bzw. Beobachtung der getroffenen Ver-
einbarungen seitens ihrer Mitglieder zu sichern
suchen. Zu diesem Zweck werden z. B. Konven-
tionalstrafen eingerichtet, deren Zahlung durch
Hinterlegung von teilweise recht hohen Beträgen
in Geld, Wechseln oder lombardfähigen Papieren
gewährleistet werden muß, ferner müssen sich die
Mitglieder auch wohl verpflichten, ihre Geschäfts-
abschlüsse einer Zentralstelle anzuzeigen, manchmal
sogar den Umfang ihrer Produktion bzw. ihres
Absatzes steueramtlich beglaubigen zu lassen, viel-
fach sind auch besondere Kontrollorgane vorhanden,
welche die Richtigkeit der gemachten Angaben zu
prüfen haben usw. Jedenfalls ist es ein recht
strenges Regiment, dem sich die Mitglieder eines
Kartells höherer Ordnung mehr oder weniger frei-
willig unterwerfen müssen. Gegenüber austreten-
den Mitgliedern befinden sich die Kartelle in gün-
stigerer Lage wie die Arbeiterorganisationen, da
die Rechtsverbindlichkeit der von kartellierten Unter-
nehmern übernommenen Verpflichtungen mehrfach
von den Gerichten, auch vom Reichsgericht wieder-
holt anerkannt worden ist. Eine Einschränkung
hat jedoch eine Reichsgerichtsentscheidung vom
4. Febr. 1897 gemacht, welche jene Rechtsverbind-
lichkeit im allgemeinen zwar anerkannt, sie aber
ausschließt, sobald das Kartell auf ein tatsächliches
Monopol oder eine wucherische Ausbeutung der
Konsumenten hinausläuft. Wannlletzteres zutrifft,