Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Produktenquantums der sämtlichen beteiligten 
Werke (Kontingentierung). Auch Vereinbarungen 
über einheitliches Vorgehen bei Submissionen ge- 
hören zu solcher Produktionskartellierung. Hierbei 
ist eine gemeinsame Preispolitik selbstverständlich, 
meist finden aber noch ausdrücklich Preisverein-- 
barungen statt. Um die beim Produktions= ebenso 
wie beim reinen Preiskartell unvermeidlichen In- 
teressenkonflikte zwischen Mitgliedern, deren Absatz 
hinter ihrem Kontingent zurückbleibt, und solchen, 
bei denen womöglich das Gegenteil zutrifft, aus- 
zugleichen oder zu vermeiden, dienen als weitere 
Mittel zur Erreichung der Kartellzwecke die Ge- 
winnausgleichung sowie der Warenvertrieb durch 
eine gemeinsame Verkaufsstelle. Beide Mittel ge- 
langen in der Regel in Verbindung mit andern, 
namentlich aus dem angeführten Grunde in Ver- 
bindung mit der Produktionskartellierung zur An- 
wendung. Es gibt indes auch sog. reine Gewinn- 
oder Beteiligungskartelle, die ihren Mit- 
gliedern bezüglich Preisfestsetzung, Produktions- 
quantum und Absatz freie Hand lassen, bei denen 
aber der gesamte sog. Syndikatsgewinn nach be- 
stimmten statutarisch feststehenden Grundsätzen ver- 
rechnet und aufgeteilt wird. Solche Kartelle haben 
aber zugleich — dafür sorgt schon das Geschäfts- 
interesse ihrer Mitglieder — hinsichtlich der Preis- 
gestaltung und Produktionsregulierung ähnliche 
Wirkungen wie eigentliche Preis= und Produk- 
tionskartelle, auch wenn das Statut keine bezüg- 
lichen Bestimmungen vorsieht. Extragewinne sind 
für die Einzelunternehmung indes auch bei reiner 
Gewinnkartellierung nicht ausgeschlossen, da nur 
die Differenz zwischen den festgesetzten Herstellungs- 
und Minimalverkaufspreisen an das Kartell ab- 
geführt wird. In Verbindung mit andern Mitteln 
der Kartellierung findet die Gewinnausgleichung 
meist in der Weise statt, daß die Mitglieder von 
dem ihr Kontingent übersteigenden Absatz eine Ab- 
gabe an das Kartell zu zahlen haben, die dann an 
die übrigen Mitglieder verteilt oder zur Deckung 
der Kartellkosten verwandt wird. — Bei der sog. 
Vertriebskartellierung endlich nimmt nur 
das als Organ des Kartells funktionierende Bureau 
die Aufträge entgegen, um sie den Mitgliedern nach 
bestimmten Regeln zuzuweisen, oder auch um den 
Vertrieb solcher Waren, die auf Vorrat produziert 
werden, vermittels einer gemeinsamen Verkaufs- 
stelle als Kommissionär oder auf eigene Rechnung 
zu besorgen. Die Zuweisung von Aufträgen an 
die einzelnen Kartellmitglieder erfolgt gewöhnlich 
gemäß einer Vereinbarung über den Anteil, den 
jedes Mitglied am Gesamtabsatz haben soll. In 
diesem Falle ist häufig noch eine Gewinnaus- 
gleichung vorgesehen. Im Falle der Einrichtung 
einer gemeinsamen Verkaufsniederlage wird der 
Erlös meist unter Zugrundelegung des im Durch- 
schnitt sämtlicher Abschlüsse erzielten Verkaufs-= 
preises entsprechend dem Verhältnis der Beteili- 
gungsziffer eines jeden Werkes zum tatsächlichen 
Gesamtabsatz verteilt; die Gewinnausgleichung 
Kartelle. 
  
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tritt dann von selbst ein. Hiermit ist jedenfalls 
das stärkste Mittel der Kartellierung erreicht. Über- 
troffen wird es nur noch von der schon erwähnten, 
nahezu völligen Verschmelzung mehrerer Unter- 
nehmungen (Aktiengesellschaften), wie sie haupt- 
sächlich in den nordamerikanischen Trusts vor- 
kommt, aber nicht mehr unter den Kartellbegriff 
fällt. Die Trusts werden von Vertrauensmännern 
— Trustees — geleitet, denen die Aktionäre der 
in Frage kommenden Aktiengesellschaften das ihnen 
auf Grund ihres Aktienbesitzes zustehende Stimm- 
recht übertragen haben. Die Aktionäre erhalten 
an Stelle der Aktien Trustzertifikate, auf Grund 
deren sie am Gewinn ebenso partizipieren, als 
wenn sie Aktionäre wären. 
Die Mittel der Kartellierung können nun in 
sehr verschiedenartiger Verbindung miteinander 
angewandt werden, so daß eine große Mannig- 
faltigkeit unter den Formen der tatsächlich vor- 
handenen Kartelle besteht. In der Regel bedarf 
es eines längeren Entwicklungsprozesses, wie ihn 
die hervorragenderen Kartelle, z. B. das Kali- 
kartell, das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat, 
Kartelle der deutschen Salinen, durchgemacht haben, 
bis aus den einfacheren komplizierte Formen der 
Kartellierung entstehen. Von den neueren Be- 
arbeitern des Kartellwesens ist eine Einteilung der 
Kartelle in solche niederer und höherer Ordnung 
versucht worden; eine solche Grenzlinie ist aber 
natürlich in der Praxis schwer zu ziehen. 
Es bleibt noch übrig, einen Blick zu werfen auf 
die Art und Weise, wie die Kartelle die Durch- 
führung bzw. Beobachtung der getroffenen Ver- 
einbarungen seitens ihrer Mitglieder zu sichern 
suchen. Zu diesem Zweck werden z. B. Konven- 
tionalstrafen eingerichtet, deren Zahlung durch 
Hinterlegung von teilweise recht hohen Beträgen 
in Geld, Wechseln oder lombardfähigen Papieren 
gewährleistet werden muß, ferner müssen sich die 
Mitglieder auch wohl verpflichten, ihre Geschäfts- 
abschlüsse einer Zentralstelle anzuzeigen, manchmal 
sogar den Umfang ihrer Produktion bzw. ihres 
Absatzes steueramtlich beglaubigen zu lassen, viel- 
fach sind auch besondere Kontrollorgane vorhanden, 
welche die Richtigkeit der gemachten Angaben zu 
prüfen haben usw. Jedenfalls ist es ein recht 
strenges Regiment, dem sich die Mitglieder eines 
Kartells höherer Ordnung mehr oder weniger frei- 
willig unterwerfen müssen. Gegenüber austreten- 
den Mitgliedern befinden sich die Kartelle in gün- 
stigerer Lage wie die Arbeiterorganisationen, da 
die Rechtsverbindlichkeit der von kartellierten Unter- 
nehmern übernommenen Verpflichtungen mehrfach 
von den Gerichten, auch vom Reichsgericht wieder- 
holt anerkannt worden ist. Eine Einschränkung 
hat jedoch eine Reichsgerichtsentscheidung vom 
4. Febr. 1897 gemacht, welche jene Rechtsverbind- 
lichkeit im allgemeinen zwar anerkannt, sie aber 
ausschließt, sobald das Kartell auf ein tatsächliches 
Monopol oder eine wucherische Ausbeutung der 
Konsumenten hinausläuft. Wannlletzteres zutrifft,
	        
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