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Neuordnung der päpstlichen Kammer in den ersten
Regierungsjahren Martins V. 1417—1420, in
Röm. Quartalschr. VIII (1894) 393 ff; Göller, Aus
der Camera Apostolica, ebd. XVII (1903) 410 ff;
ders., Zur Stellung des päpstlichen Kamerars unter
IXXXI (1908) 577 ff; Choupin in Etudes CXVII
Klemens VII., im Archiv für kath. Kirchenrecht
LXXXII (1903) 387 ff. — Ancel, La Secrétairie
pontificale sous Paul IV, in Rev. de quest. hist.
LXXIX (1906) 408 ff; v. Törne, Ptolomée Gal-
lio .Etude sur la cour de Rome, sur la Secré-
tairie pontificale et sur la politique des Papes
au 16° siecle (Par. 1907).
3. Zur Pianischen Reform: Haring in
Lit. Anz. XXII (1908), Nr 11 u. 12; Ebers in
Lamennais.
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Wissenschaftl. Beilage zur „Germania“, Jahrgang
1908, Nr 45 u. 46; Hilling in Theologie u. Glaube
I. (1908) 32 ff; Parayre, La nouvelle organisa-
tion du gouvernement central de I’Eglise (Lyon
8); Fourneret in Le Canoniste contemporain
(1908) 308ff; Leitner, De Curia Romana (1909);
Hofmann, Sep.-Abdr. aus Zeitschrift für kathol.
Theol. XXXIII (1909); Hilling, Die Reformen
des Papstes Pius X. (1909) 55 ff; Russo, La curia
Romana a datare del 3. Nov. 1908 (Palermo
1909); ferner kurz in den Neuauflagen der Lehr-
bücher des Kirchenrechts von Heiner (51909), Säg-
müller (21909), Friedberg ((1909). (Ebers.)
J.
Lamennais, Hugues Fklicité (Feli)
Robert de, Abbé, Traditionalist, viel gefeierter
französischer Publizist der Restaurations= und
Juliregierungsepoche, Gründer der nach ihm be-
nannten sozialpolitischen Schule. 1782/1854.
[Jugend und fehlerhafte Erziehung; Erste
Schriften; Der Essai sur F’indifférence und
traditionalistische Verirrung; Die Schule von
La Chesnaie und Malestroit; Bis zur Juli-
revolution; Der Avenir; Kirchlich-politische
Verirrungen; Bruch mit Rom; Die Universal-
demokratie; Schicksale; Seine Schule; Stellung
zum Sozialismus; Erklärung seines Charakters.]
Lamennais wurde geboren zu St-Malo (Bre-
tagne) den 19. Juni 1782 aus angesehener, aber
durch den Umschlag der französischen Handels-
politik unter Ludwig XVI. in bedrängte Lage
versetzter Reederfamilie. Das körperlich hinfällige
Kind zeigte neben früh erwachender geistiger Le-
bendigkeit eine auffallende Hinneigung zur „bre-
tonischen Melancholie“, den Hang zur stillen,
menschenscheuen Verschlossenheit. Mutterlos mit
vier Jahren, fast heimatlos in dem täglich mehr
verödenden Vaterhause, kam er zu früh in das
Haus eines Onkels Robert des Saudrais, eines
„Philosophen"“, der leider in dem die Einsamkeit
suchenden Knaben die Lesewut (Rabelais, Male-
branche, J. J. Rousseau) so sehr entfesselte, daß
die Erklärung des Zwölfjährigen, er sei ungläubig
und trete von der Vorbereitung zur ersten heiligen
Kommunion zurück, kaum überrascht. Zehn volle
Jahre vergehen in ziel- und planloser Beschäfti-
gung mit Musik, Poesie, Zeichnen, journalisti-
schen Versuchen, unterbrochen von Anläufen zu
gelehrten Studien und Abenteuern seltsamer Art.
Diese verfehlte Erziehung konnte auch alle
Liebe des älteren Bruders Jean-Marie, des Stif-
ters der Genossenschaft der „Brüder der christ-
lichen Lehre“, nicht gut machen; immerhin be-
wahrte sie ihn, scheint es, vor den äußersten Ver-
irrungen und weckte endlich aufs neue die reli-
giöse Gesinnung (1804). Nach einer Erklärung
Lamennais' selbst (1815) war die Einsicht in die
Notwendigkeit einer alle Menschen verpflichtenden
sichtbaren religiösen Autorität der Beweggrund
seiner Umkehr. Den fast schwärmerisch religiösen
Zweiundzwanzigjährigen konnte nun der ältere
Bruder zur ersten heiligen Kommunion führen
und in der Einsamkeit von La Chesnaie, dem
Landsitze der Familie, in die Anfangsgründe der
Religion und in ernstere Studien apologetischer,
philosophischer und literarischer Art einführen.
Die leidenschaftliche Hingabe an dieselben ver-
mochte indessen den Mangel erprobter Methoden
und durchgreifender Leitung nicht zu ersetzen und
ein sicheres und tieferes Wissen zu begründen.
Wohin die ersten Arbeiten dieser Still-
jahre (bis 1813) zielten, zeigte eine kleine, an-
regende Schrift des Bruderpaares: Réflexions
sur I’stat de I’Eglise en France au XVIIIe
siecle et sur la situation actuelle (1808), in
welcher gegen das Elend der Kirche Frankreichs
eine bessere Erziehung des Klerus, geistliche Lehr-
orden, Provinzialkonzilien, kirchliche Selbstver-
waltung, geistliche Ubungen, kirchliche Konferenzen
gefordert wurden. Zeugte der Inhalt der Schrift
von dem reifen, besonnenen Urteil des älteren
Bruders, so die harte, oft apodiktische Ausdrucks-
weise von dem wenig gezügelten Urteil des jün-
geren. Die zweite, um diese Zeit bearbeitete
Schrift: Tradition de IEglise sur T’installa-
tion des Gveques, konnte bei der Kirchenpolitik
Napoleons I. und ihren fortgesetzten Eingriffen
in Dinge des Glaubens und der Disziplin erst
1814 gedruckt werden. Der jähe Umschwung der
„hundert Tage“ zwang indes Feli, welcher den
Bruder gegen die Verfolger schützen wollte, zur
Übernahme der vollen Verantwortlichkeit für die
Schrift, dann zur Flucht nach Jersey, London,
zuletzt nach Kensington. Hier, im Hause vor-
nehmer bretonischer Damen, nahm er, der seit
1809 die Tonsur und die niederen Weihen besaß,
die theologischen Studien wieder auf. Leider
waren diese wiederum regellos, ebenso in Paris,