Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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auf 71177 evangelische Schüler 1430 evange- 
lische Lehrpersonen. Im Regierungsbezirk Posen 
kamen auf 194 724 katholische Schüler 2054 
katholische Lehrer und Lehrerinnen, auf 50 473 
evangelische Schüler 1134 evangelische Lehrer und 
Lehrerinnen (vgl. Preuß. Statistik 1908, Hft 209, 
IIS. 33 ff). In der Provinz Westpreußen 
kamen auf 166 198 katholische Schüler 2015 
katholische Lehrpersonen, auf 123 380 evangelische 
Schüler 2479 evangelische Lehrpersonen. In der 
Provinz Posen entfielen auf 276 228 katholische 
Schüler 29738 katholische Lehrer und Lehrerinnen, 
auf 101252 evangelische Schüler 2151 evan- 
gelische Lehrpersonen. — In Westpreußen besuchten 
nur 51,22 % der katholischen Schüler katholische 
Schulen, aber 63,29% der evangelischen Schüler 
evangelische Schulen; in Posen 80,23% der 
katholischen Schüler katholische Schulen und 
79,29% der evangelischen Schüler evangelische 
Schulen. Im Regierungsbezirk Marienwerder 
besuchten nur 48,82% der katholischen Schüler- 
Schulen ihrer eignen Konfession, aber 66,53 % 
der evangelischen Schüler evangelische Schulen. 
— Es besuchten 1906 Simultanschulen: in West- 
preußen 64 462 katholische und 41 697 evan- 
gelische Schulkinder; in Posen 40 071 katholische 
und 18 123 evangelische Schüler; im Regierungs- 
bezirk Marienwerder 41123 katholische und 22070 
evangelische Schüler; im Regierungsbezirk Posen 
25.078 katholische und 8232 evangelische Schüler 
(a. a. O. 45). — Ein Grund für die offensichtlich 
schlechtere Behandlung des katholischen Volksteils 
liegt zweifellos in dem Mangel an katholischen 
Lehrern. Dieser ist erklärlich unter anderem aus 
dem Umstand, daß aus der einheimischen Bevöl- 
kerung nur wenige Lust haben, sich dem Lehrer- 
beruf zu widmen, da ihnen ihre Abstammung und 
Konfession überall im Weg steht, und daß aus 
den andern Provinzen katholische Lehrer nur sehr 
ungern nach dem Osten gehen wegen der dort 
bestehenden unerfreulichen Verhältnisse. Eine Ver- 
mehrung der katholischen Lehrerseminare in den 
hier in Betracht kommenden Landesteilen würde 
dem drückendsten Mangel abhelfen. 
Die Bestrebungen, den polnischen Volksteil 
allmählich mit dem deutschen zu verschmelzen, 
mußten selbstredend auch auf dem Gebiet des 
Unterrichts mit aller Stärke hervortreten. 
Leider aber wurde auch auf diesem Gebiet die be- 
rechtigte Grenze überschritten. Die Versuche, auch 
für den Religionsunterricht die deutsche 
Sprache ausschließlich vorzuschreiben, mußten zu 
Konflikten bedenklichster Art führen. Am 26. Okt. 
1872 verfügte ein Erlaß, daß unter Abänderung 
einer Instruktion von 1842 in den höheren Lehr- 
anstalten der Provinz Posen der Religionsunter- 
richt hinsichtlich der Unterrichtssprache nicht anders 
zu behandeln sei als die übrigen Lehrgegenstände. 
Am 27. Okt. 1873 ordnete eine Oberpräsidial- 
verfügung an, daß in den Volksschulen Posens 
der Unterricht in deutscher Sprache zu erteilen sei. 
  
Polenfrage. 
  
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Der Unterricht in der Religion solle den Kindern 
polnischer Zunge in der Muttersprache erteilt 
werden. Wenn diese jedoch in der deutschen 
Sprache so weit vorgeschritten seien, daß ein rich- 
tiges Verständnis auch bei der in deutscher Sprache 
erfolgenden Unterweisung erreicht werden könne, so 
sei die deutsche Sprache mit Genehmigung der Re- 
gierung auch in diesem Gegenstand auf der Mittel- 
und Oberstufe als Unterrichtssprache einzuführen. 
— Weil häufig die Ansichten der nach katholischer 
Auffassung für die Entscheidung dieser Frage allein 
zuständigen geistlichen Stellen und anderseits 
der staatlichen Schulaussichtsbehörden darüber, ob 
ein richtiges Verständnis auch von Glaubens- 
wahrheiten bei Erteilung des Unterrichts in 
deutscher Sprache zu erzielen sei, außerordentlich 
auseinandergingen, kam es zu Streitigkeiten und 
Klagen auf beiden Seiten. Tief bedauerlich waren 
insbesondere die Vorgänge, die sich im Mai 1901 
in Wreschen abspielten: Polnische Eltern hatten 
ihren Kindern verboten, an dem Religionsunter- 
richt in deutscher Sprache sich zu beteiligen. Als 
die Kinder auf Anordnung der Regierung ge- 
züchtigt wurden, kam es zu schweren Ordnungs- 
widrigkeiten und Aufläufen. Die Beteiligten, 
namentlich Frauen, wurden mit hohen Gefängnis- 
strafen, bis zu 2½/ Jahren, belegt. — 
Eine der bedenklichsten Maßregeln, welche die 
preußische Regierung in dem schwierigen Nationali- 
tätenkampf ergriff, bildete die Einführung von sog. 
Ostmarken zulagen an Lehrer und Beamte seit 
1903. Diese Gehaltszulagen (bei mittleren, Kanz- 
lei= und Unterbeamten nach fünfjähriger Dienst- 
zeit 10 % ihres etatsmäßigen Gehalts, bei höheren 
Beamten „Erziehungsbeihilfen“, bei Volksschul- 
lehrern jährlich 120 M nach fünfjähriger, 200 M 
nach zehnjähriger dienstlicher Tätigkeit in den 
ehemals polnischen Landesteilen) sollten wider- 
ruflich und nur bei treuer Pflichterfüllung und 
völlig befriedigendem dienstlichen und außerdienst- 
lichen Verhalten gewährt, bei Fortfall dieser Vor- 
aussetzungen entzogen werden. Die Befürchtung, 
daß diese Zulagen, für welche im Jahre 1903 
2,5 Mill. I, im Jahre 1908 3,325 Mill. M 
aufgewendet wurden, für welche im Etat für 1910 
über 4 ½ Mill. M vorgesehen sind, eine starke 
Versuchung für die Beamten zu Strebertum ent- 
halten, läßt sich nicht von der Hand weisen. Die 
Versuche, diese Zulagen zu festen Gehaltsbezügen 
für alle in der Ostmark angestellten Beamten 
und Lehrer umzugestalten, sind bis jetzt von der 
preußischen Regierung zurückgewiesen worden. 
Ausnahmebestimmungen bezüglich der polnischen 
Landesteile sind auch noch folgende: § 12 des 
Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 
190 8 enthält die Bestimmung, daß nur in Landes- 
teilen, in denen die Bevölkerung mit nichtdeutscher 
Muttersprache 60% der Gesamtbevölkerung über- 
steigt, der Gebrauch der nichtdeutschen Sprache in 
öffentlichen Versammlungen zulässig ist, wenn 
innerhalb dreier Tage vor dem Beginn der Ver-
	        
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