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schläge stehen seit Jahren im Vordergrund der
politischen Diskussion.
Endlich ist noch ein Wort über diejenigen Auf-
gaben zu sagen, welche aus der Stellung des
Staats dem Handel gegenüber entspringen. Von
vornherein leuchtet dabei ein, daß eine einseitige
Handelspolitik, welche sich nicht gleichzeitig von
agrar= und gewerbepolitischen Erwägungen mit-
bestimmen lassen wollte, der Pflicht des Staats,
die allgemeine Wohlfahrt zu fördern, nicht ent-
sprechen würde. Das Interesse des Handels geht
auf möglichste Beseitigung aller Einrichtungen und
Bestimmungen, welche die freie Entfaltung zu
hemmen, und ebenso auf Beförderung alles dessen,
was Umfang, Leichtigkeit und Raschheit des Güter-
austauschs zu steigern imstande ist. Nun sind die
mancherlei Schranken im Innern, welche in frühe-
ren Zeiten teils fiskalische Absichten teils die lokale
Abgrenzung der einzelnen Märkte hatten errichten
lassen, in der Gegenwart wohl allerwärts nieder-
gelegt; die Frage aber ist, ob auch zwischen Staat
und Staat volle Verkehrsfreiheit herrschen, oder
ob das Interesse der einheimischen Produktion als
ein höheres und besser berechtigtes gelten solle.
Freihandel und Schutzzoll sind die Pole, um
welche sich die äußere Handelspolitik dreht. Er-
scheint die Handelsfreiheit vom Standpunkt einer
abstrakten, nur nach logischen Kategorien vor-
wärtsschreitenden Betrachtung als das allein Na-
turgemäße, so würde doch bei der Ungleichheit der
Produktionsbedingungen ein uneingeschränkter
Konkurrenzkampf notwendigerweise zum völligen
Niedergang der minder begünstigten Produktions--
gebiete hinführen. So kann der Schutzzoll als
nationale Notwehr erscheinen, er kann sich in
andern Fällen als Übergangsstadium und Er-
Politik.
ziehungsmittel empfehlen, wobei nur Fürsorge
getroffen werden muß, nicht solche Industrien
künstlich großzuziehen, die in den natürlichen Be-
dingungen des Landes keinen Halt haben. Auch
hier ist es nicht nötig, näher auf einzelnes ein-
zugehen; das Gesagte genügt, um Wichtigkeit und
Bedeutung der Probleme anzudeuten. welche auf
diesem Gebiet der Staatskunst wie der theoretischen
Politik erwachsen.
Aber nicht nur Freihandel oder Schutzzoll, son-
dern nicht minder die Gestaltung des Verkehrs-
wesens ist von tiefgreifendem Einfluß auf die
Entwicklung des Handels und mittelbar auf die der
landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktion,
ja es können unter Umständen Maßregeln der Ver-
kehrspolitik von größerer Wirkung sein als die
Einführung oder Beseitigung von Zollschranken.
Die Hauptfrage, vor welche sich hier die Staaten
in der Neuzeit gestellt sehen, ist die, ob Bau und
Betrieb von Eisenbahnen, Telegraphenlinien usw.
privaten Erwerbsgesellschaften zu überlassen oder
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das nächste Interesse von Handel, Gewerbe und
Ackerbau in Betracht, sondern auch der Einfluß,
welchen mächtige Assoziationen möglicherweise auf
das gesamte Leben eines Staats ausüben können.
Dies führt sodann auf die allgemeine Frage, welche
Stellung der Staat zu den modernen Geldmächten,
den kapitalistischen Vereinigungen, Banken, Kredit-
instituten usw. einzunehmen habe. Auch hier ist
die rechtliche Reglung der Natur der Sache nach
durch Erwägungen der Zweckmäßigkeit und der
allgemeinen Wohlfahrt mitbestimmt, so daß eine
verschiedenartige Stellungnahme möglich ist und
sich zwischen den Extremen vollständiger Verstaat-
lichung des Bank= und Kreditwesens und der ebenso
vollständigen Uberlassung desselben an private
Unternehmer mannigfache Abstufungen ergeben
können. Ein Gleiches gilt endlich von den ver-
schiedenen Zweigen des Versicherungswesens, wäh-
rend bei der Stellung des Staats zu den Syndi-
katen, Kartellen und Trusts noch andere Gesichts-
punkte in Betracht kommen.
Im vorangehenden ist ein Überblick über die
mancherlei Probleme der Wirtschaftspolitik ver-
sucht worden, um daran die aufgestellte Definition
der Politik zu illustrieren. Spricht man daneben
von Sozialpolitik, so könnte man den Unter-
schied darin finden, daß dort der Nachdruck auf
die Wirtschaft als solche, hier auf die in ihr sich
betätigenden Menschen falle. Zutreffender aber
dürfte es sein, in der Sozialpolitik das größere
Ganze zu erblicken, von welchem die Wirtschafts-
politik einen Teil bildet. Bei dem Namen der
„Gesellschaft“ pflegt man an die Interessen und
Beschäftigungen zu denken, welche den eigentlichen
Inhalt des Lebens ausmachen und die einzelnen
zu größeren oder kleineren, festeren oder loseren
Vereinigungen, Gruppen, Kreisen, Ständen inner-
halb des Staats zusammenzuführen. Den aus-
einander gehenden, vielfach einander widerstreiten-
den Bestrebungen gegenüber wahrt der Staat den
Zusammenhalt des Ganzen. Die Aufgabe der
Sozialpolitik läßt sich demgemäß ganz allgemein
dahin bestimmen, daß sie in der „Leitung, För-
derung und Ausgleichung der verschiedenen Gesell-
schaftskreise im Interesse der staatlichen Gemein-
schaft“ bestehe. Daraus ergibt sich zugleich, daß
es eine wissenschaftlich nicht zu rechtfertigende Ver-
engung des Begriffs ist, wenn man unter Sozial-
politik lediglich die auf Hebung der Lage der
arbeitenden Klassen gerichteten Bestrebungen ver-
steht. Dagegen greift das Armenwesen mehrfach
in die Sozialpolitik hinein. Daß einem jeden das
zum Leben schlechterdings Erforderliche gegeben
werde, sofern er außerstande ist, sich selbst zu er-
halten, ist eine Forderung des natürlichen Rechts.
Wie jedoch dieser Forderung Rechnung zu tragen,
welchen Organen die Armenpflege zu übergeben
vom Staat selbst in die Hand zu nehmen seien. ist, welche Kautelen gegen mögliche Mißbräuche zu
Wenn die Entscheidung selbstverständlich nur unter errichten sind, ist von mancherlei Erwägungen
dem Gesichtspunkt des allgemeinen Nutzens ge= abhängig und kann in verschiedenem Sinn beant-
troffen werden kann, so kommt hierbei nicht nur wortet werden. Die vornehmste Aufgabe nach