Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Polizei. 
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Anzeige; diese hat aber annähernd dieselben Wir-Gesichtspunkt aus betrachtet, stellt sich zunächst 
kungen wie anderswo das Bauerlaubnisgesuch 
(Baupolizeiges. von 1882, 811, Novelle von 1896, 
§8, S. 4). Sodann kommt hier in Betracht die 
Feld-, Forst-, Berg-, Fischerei= und Jagdpolizei. 
Akte dieser Tätigkeit sind z. B. Räumung bau- 
Von besonderer Bedeutung auf diesem Gebiet 
ist die Gewerbepolizei: sie umfaßt Reglung 
des Hausierhandels und der stehenden Gewerbe 
nach Maßgabe der Gesetze, Genehmigung solcher 
Betriebe, die von der Gewerbefreiheit ausgenom- 
men sind, u. a. der Schenken, gewerblicher An- 
lagen mit Dampfbetrieb. Eisenbahnen; Hand- 
habung der Bestimmungen über die Kinder-, 
Frauen-, Nacht-, Sonntagsarbeit, zur Vermeidung 
von Betriebsunfällen, über die Arbeitsordnungen 
und den Zustand der Betriebsräume. Zur sach- 
gemäßen Erfüllung der letzteren, durch die sozial- 
politischen Gesetze der neueren Zeit bedeutsam ge- 
wordenen Aufgaben sind in Deutschland und 
Osterreich besondere Gewerbeinspektoren angestellt, 
welche die erforderliche technische Vorbildung be- 
sitzen und deren Dienst ausschließlich auf diese 
Aufgaben beschränkt ist. Das Verhältnis der 
Person zu den Gütern gelangt endlich in Handel 
und Verkehr zum Ausdruck. Auch auf diesem 
Gebiet ist die polizeiliche Wirksamkeit von großem 
Umfang: sie begreift in sich die Wege-, Wasser-, 
Schiffahrtspolizei, den Schutz der Eisenbahnen 
und Telegraphen, der Waren= und Fabrikzeichen, 
die Reglung des Fuhrwerkverkehrs, die Markt-, 
Münz= und Börsenpolizei. 
Polizeiliche Eingriffe in die freie menschliche 
Tätigkeit sind im Einklang mit der eingangs er- 
wähnten Begriffsbestimmung nur dann zu recht- 
fertigen, wenn sie im Interesse des Gemeinwohls 
erforderlich sind. Gleichwohl bilden insbesondere 
auf dem Gebiet der Baupolizei auch bloße Schön- 
heitsrücksichten und ästhetische Zwecke vielfach die 
Grundlage polizeilicher Einwirkung. Schon das 
preußische Allg. Landrecht bestimmt, daß Städte 
und öffentliche Plätze durch bauliche Anlagen nicht 
verunstaltet werden dürfen (88 66. 81 1 8 Allg. 
Landrecht). Das Polizei-St.G.B. für Bayern vom 
26. Dez. 1871 läßt polizeiliche Vorschriften ledig- 
lich im Interesse der Verschönerung zu (Art. 101). 
Ahnliche Bestimmungen enthält das Allgemeine 
Baugesetz für das Königreich Sachsen vom 1. Juli 
1890 (§ 90), die neue Allgemeine Bauordnung 
für Württemberg vom 6. Okt. 1872, für Hessen 
vom 30. April 1881 und die Ausführungsverord- 
nung zu der letzteren vom 1. Febr. 1882. Endlich 
kommt hier das preußische Gesetz vom 15. Juli 
1907 in Betracht, nach welchem die gröbliche Ver- 
unstaltung von Straßen, Plätzen oder Ortsbildern, 
wie auch von Landschaftsbildern durch bauliche 
Anlagen seitens der Polizeibehörde verhindert 
werden kann. 
2. Auf dem so umschriebenen weiten Gebiet 
prägt sich die polizeiliche Einwirkung in mannig- 
fachen Formen und unter Anwendung ver- 
schiedenartiger Zwangsmittel aus. Von diesem 
  
die präventive und die repressive Polizei 
dar. Erstere verhindert das öffentliche Wohl be- 
drohende Zustände, Ereignisse, Bestrebungen, 
letztere unterdrückt, beseitigt bereits eingetretene. 
fälliger Wohnungen, Tötung gefährlicher Tiere, 
Desinfektion, Quarantäne. Dem Einzelwillen 
gegenüberstehen hier der Polizei zahlreiche Zwangs- 
mittel zu Gebot: Sicherheitsleistung (durch Ver- 
sprechen, Geld, Bürgschaft), Anweisung eines be- 
stimmten Aufenthaltsorts (Eingrenzung, Konfina- 
tion), Ausweisung aus bestimmten Orten und 
aus dem Staatsgebiet, die Haussuchung, Be- 
schlagnahme von Waffen, Sprengstoffen, Über- 
führungsmitteln, die Verhaftung und die Polizei- 
aufsicht. Die Konfination ist in den Kulturstaaten 
durchweg fortgefallen; die Ausweisung aus be- 
stimmten Orten kommt in der Regel nur mehr in 
Anwendung als Folge der Stellung unter Polizei- 
aussicht, die Ausweisung aus dem Staatsgebiet 
nur gegenüber Ausländern. Auf Zulässigkeit der 
Polizeiaufsicht kann in Deutschland nur der Richter 
bei bestimmten strafbaren Handlungen erkennen 
(Aufruhr, Meuterei, Münzverbrechen, Kuppelei, 
Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Hehlerei, 
Brandstiftung usw.); sie wird verhängt durch die 
höhere Polizeibehörde und zieht alsdann folgende 
Wirkungen nach sich: Zulässigkeit der Versagung 
des Aufenthalts an einzelnen bestimmten Orten, 
der Ausweisung von Ausländern aus dem Bundes- 
gebiet, der Haussuchungen ohne Beschränkung hin- 
sichtlich der Zeit, zu welcher sie stattfinden dürfen 
(§ 38 u. 39 des St.G. B.). 
In formaler Beziehung kommt weiter in Be- 
tracht die dispositive (verfügende) und die 
exekutive (ausführende) Tätigkeit der Polizei. 
Erstere erläßt die im öffentlichen Interesse erforder- 
lichen Verfügungen für den einzelnen Fall, letztere 
bringt dieselben beim Widerstreben des Einzel- 
willens zur Ausführung. Die Zwangsmittel zu 
diesem Zweck sind folgende: zunächst Androhung 
und eventuell Einziehung von Geldstrafen zur Er- 
zwingung der angeordneten Handlung oder Unter- 
lassung, sodann Ausführung der Verfügung durch 
die Polizeiorgane selbst oder in deren Auftrag 
durch Dritte auf Kosten des Verpflichteten und mit 
nachfolgender Einziehung dieser Kosten, endlich 
unmittelbarer körperlicher Zwang. Der letztere ist 
nur anwendbar, wenn die Verfügung ohne einen 
solchen nicht ausführbar ist, wenn es sich also um 
höchst persönliche Leistungen handelt, wie bei der 
Zwangsimpfung, zwangsweisen Führung zur 
Schule, zur Ablegung eines Zeugnisses, zur Ab- 
leistung der Militärpflicht, bei Desinfektion. Die 
administrative Exekution ist geregelt in Preußen 
in den 8§ 132 ff des Landesverwaltungsgesetzes 
vom 30. Juli 1883, in Osterreich durch die Ver- 
ordnung vom 20. April 1854. 
Endlich gibt es eine judikative (entschei- 
dende, urteilende) und eine Art legislative
	        
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