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Polizeiverordnungen und demgemäß Polizeistraf-
verfügungen erlassen können, kommen außer der
eigentlichen Polizei infolge der neueren Entwicklung
noch die Deichhauptmänner, die Strombaudirek-
tionen und die königlichen Eisenbahndirektionen
bzw. Eisenbahnbetriebsämter, je für ihr Ressort.
Die Kreisordnung vom 13. Dez. 1872 und die
Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 nebst den
anschließenden Gesetzen haben das Verordnungs-
recht der Polizei dem ausschließlichen Gutdünken
der lokalen Polizeiorgane entrückt und an die Zu-
stimmung der Selbstverwaltungskörper, der Amts-
ausschüsse, Kreisausschüsse und Provinzialräte ge-
knüpft. Andere Staaten sind mit ähnlichen Reg-
lungen gefolgt. Aber das Recht der Polizei, die
Übertretungen der Polizeiverordnungen durch
Strafverfügungen allein zu ahnden, ist geblieben.
Trotz der allgemeinen Verbreitung des polizei-
lichen Strafverfügungsrechts in ganz Deutschland
kann man dasselbe nur als eine Ausnahme hin-
nehmen, die nicht auszudehnen ist. Der Unter-
schied zwischen Kriminal= und Polizeigerichtsbar-
keit ist grundsätzlich zu verwerfen, und als Regel
ist festzuhalten, daß die in den Strafgesetzen
einschließlich der Polizeiverordnungen festgesetzten
Strafen nur durch richterliche Behörden verhängt
werden dürfen. Zugunsten einer solchen Ausnahme
lassen sich allerdings eine Reihe Zweckmäßigkeits-
oder besser Bequemlichkeitsgründe geltend machen.
Man führt an, daß die Polizei, welche die Polizei-
verordnungen erlasse, auch das geeignetste Organ
sei, um diese auszulegen und deren Übertretung
zu strafen; daß es demjenigen, der sich einer
Polizeiübertretung schuldig macht, oft erwünschter
sein wird, die Strafe auf Grund einer polizeilichen
Verfügung zu tragen, als einem gerichtlichen Ver-
fahren unterworfen zu werden; daß in diesem Fall
die Kosten für den Verurteilten bedeutend geringer
sind; daß die Strafeder Tatprompter folge, und daß
andernfalls die Geschäftslast der Gerichte erheblich
vermehrt werden würde. Dagegen ist zu erwägen,
daß durch ein solches Recht die Macht der Polizei
über ihre eigentliche Bedeutung hinaus unnötig
vermehrt wird; daß eine sachgemäße Handhabung
ein großes Maß von Objektivität und Besonnen-
heit voraussetzt, wie es erfahrungsgemäß bei den
unteren Polizeiorganen nicht überall vorliegt; daß
eine Garantie für unparteiische Handhabung dieses
Rechts in den Händen der weder unabhängigen
noch allein dem Gesetz unterworfenen Polizei nicht
gegeben ist, was selbst dann in den Augen des
Volks einen moralischen Schaden bedeutet, wenn
tatsächlich dasselbe auch völlig gerecht ausgeübt
wird; daß gerade aus Furcht vor dem gerichtlichen
Verfahren viele Polizeistrafe wird bezahlt werden
trotz des Bewußtseins der Unschuld, die vor dem
Richter, bei allgemeiner Notwendigkeit eines ge-
richtlichen Verfahrens, gefallen wäre. Endlich ist
zu sagen, daß die ausschließliche Aburteilung der
Polizeivergehen durch den Richter in den Rhein-
landen während 70 Jahren sich durchaus bewährt
Polizeivergehen usw.
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hatte, ohne daß die Belastung der Gerichte uner-
träglich geworden wäre. Der Einwand der Über-
lastung der Gerichte kann heute überhaupt kaum
mehr eine Bedeutung beanspruchen, nachdem das
Verfahren der amtsrichterlichen Strafbefehle durch
die Reichsstrafprozeßordnung 8 447 ff in ganz
Deutschland gleichmäßig eingeführt ist.
Zu einer Kodifikation des materiellen Poli-
zeistrafrechts ist es in Preußen nicht ge-
kommen. Dagegen haben die süddeutschen Staaten
solche Kodifikationen: Bayern das Polizei-St.G.B.
vom 26. Dez. 1871, Württemberg dasjenige vom
27. Dez. 1871 nebst Gesetz vom 12. Aug. 1879,
Baden dasjenige vom 31. Okt. 1863 nebst Gesetz
vom 23. Dez. 1871, Hessen ein solches vom
10. Okt. 1871.
OÖsterreich entbehrt einer einheitlichen Reg-
lung sowohl des Polizeistrafrechts wie des Polizei-
strafverfahrens. Das Polizeistrafrecht ist zerstreut
in Reichs= und Landesgesetzen sowie in allgemeinen
und örtlichen Polizeiverordnungen. Das Polizei-
strasverfahren beruht auf veralteten Verordnungen:
die kaiserliche Verordnung vom 20. April 1854 re-
gelt die Vollstreckung der polizeilichen Verfügungen
und Straferkenntnisse; die Ministerialverfügung
vom 3. April 1855 bestimmt die Behörden zur
Untersuchung und Bestrafung der Polizeivergehen
und das dabei zu beobachtende Verfahren; die
Ministerialverordnung vom 30. Sept. 1857 regelt
das Strafmaß bei Polizeivergehen, für welche eine
besondere Strafe nicht angedroht ist, ebenso wie
nach der Verordnung vom 20. April 1854: Geld-
strafen von 1 bis 100 Gulden oder Arrest von
6 Stunden bis 14 Tagen (körperliche Züchtigung
ist seit dem Gesetz vom 15. Nov. 1867 nicht mehr
zulässig); die Ministerialverordnung vom 5. März
1855 ordnet eine möglichst summarische Art des
Verfahrens, und diejenige vom 31. Jan. 1860
den Rekurs, das Strafmilderungs= und Nachsichts-
recht bei Polizeivergehen. Das Staatsgrundgesetz
vom 21. Dez. 1867 über die Ausübung der Re-
gierungs= und der Vollzugsgewalt gibt in Art. 11
der Staatsbehörde allgemein die Befugnis, inner-
halb ihres amtlichen Wirkungskreises Polizei-
verordnungen zu erlassen. Doch fehlt es an einer
genauen Umgrenzung dieser Vollmacht. Die Po-
lizeistrafgewalt wird ausgeübt durch die poli-
tischen Behörden, die landesfürstlichen Polizei-
behörden, die Kommunalmagistrate oder die
Strafsenate der Gemeindebehörden. Das Polizei-
strafrecht der Gemeinden ist geregelt in den allge-
meinen Gemeindeordnungen; soweit diese das Recht
zu Polizeivorschriften haben, haben sie das Recht
zu Strafandrohungen bis 10 Gulden oder 48
Stunden Arrest. Das Verfahren in Polizeistraf-
sachen ist höchst fummarisch, im allgemeinen münd-
lich mit Eintragung der wesentlichen Punkte der
Strafbefehle nach Rubriken in ein Strafregister;
nur in besondern Fällen geht eine protokollarische
Vernehmung vorher. Der Rekurs geht durchweg
an die politische Landesstelle, also an die höhere