Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Abteilungen für die Beschwerden (Beschwerde- 
abteilungen) gebildet. In den Anmeldeabteilungen 
dürfen nur solche technische Mitglieder mitwirken, 
welche auf Lebenszeit berufen sind; außerdem 
dürfen die technischen Mitglieder nicht in ver- 
schiedenen Abteilungen mitwirken. Die Entschei- 
dungen der Nichtigkeitsabteilung und der Be- 
schwerdeabteilungen erfolgen in der Besetzung von 
zwei rechtskundigen und drei technischen, die der 
Anmeldeabteilungen in der Besetzung von min- 
destens drei Mitgliedern, unter denen sich zwei 
technische Mitglieder befinden müssen. Die Be- 
stimmungen der Zivilprozeßordnung über Aus- 
schließung und Ablehnung der Gerichtspersonen 
finden entsprechende Anwendung. Das Nähere 
über den innern Dienst, das Zustellungswesen usw. 
wird durch kaiserliche Verordnung geregelt. Das 
Patentamt ist verpflichtet, auf Ersuchen der Ge- 
richte über Fragen, welche Patente betreffen, Gut- 
achten abzugeben, sofern in dem gerichtlichen Ver- 
fahren voneinander abweichende Gutachten mehrerer 
Sachverständigen vorliegen. 
2. Voraussetzungen der Patentertei- 
lung. Für eine Erfindung wird nur dann ein 
Patent erteilt, wenn sie neu ist und eine gewerb- 
liche Verwertung gestattet. Als neu gilt eine Er- 
findung nicht, wenn sie zur Zeit der behufs Er- 
langung eines Patents erforderlichen Anmeldung 
(ogl. unter 3) in öffentlichen Druckschriften aus 
den letzten 100 Jahren bereits derart beschrieben 
oder im Inland bereits so offenkundig benutzt ist, 
daß danach die Benutzung durch andere Sachver- 
ständige möglich erscheint. In dieser Beziehung 
ist den amtlichen Patentbeschreibungen derjenigen 
fremden Staaten, in welchen Gegenseitigkeit ver- 
bürgt ist, die Vergünstigung zugestanden, daß sie 
erst nach Ablauf von drei Monaten seit dem Tag 
der Herausgabe den öffentlichen Druckschriften 
gleichstehen sollen, sofern das Patent von dem- 
jenigen, welcher die Erfindung im Ausland an- 
gemeldet hat, oder von seinem Rechtsnachfolger 
nachgesucht wird. Diese Bestimmung bezweckt, 
vorzugsweise denjenigen, welcher ein Patent für 
dieselbe Erfindung in mehreren Staaten nach- 
suchen will, gegen die Hindernisse zu schützen, 
welche ihm sonst aus der durch die Gesetzgebung 
bedingten amtlichen Veröffentlichung seiner Erfin- 
dung in dem einen Land bei der späteren Ver- 
folgung seiner Patentgesuche in andern Ländern 
erwachsen würden (vgl. dazu unter IV, 3). Die 
gewerbliche Verwertung kann bestehen entweder in 
der gewerbsmäßigen Herstellung des erfundenen 
Gegenstandes oder in seinem Gebrauch innerhalb 
eines gewerblichen Betriebs. Wenn der Gegen- 
stand einer Anmeldung den Inhalt einer früher 
angemeldeten Erfindung ganz oder teilweise ver- 
wertet, so hat der Anmeldende einen Anspruch 
auf Erteilung eines entsprechend beschränkten Pa- 
tents, eines sog. Abhängigkeitspatents. Eine 
spezielle Art dieses Abhängigkeitspatents bildet das 
sog. Zusatzpatent. Ein Patentinhaber nämlich, 
Patentrecht. 
  
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der für seine patentierte Erfindung eine Verbes- 
serung oder sonstige Ausbildung erfindet, kann 
sich für diese Vervollkommnung ein selbständiges 
Patent geben lassen, welches den allgemeinen Be- 
stimmungen unterliegt; er kann sich aber auch ein 
sog. Zusatzpatent erteilen lassen, welches dann 
einerseits nicht die Gebührenpflicht eines neuen 
Patents zu tragen hat, anderseits aber auch nur 
auf die Dauer des Hauptpatents Schutz genießt. 
Für Erfindungen, deren Verwertung den Ge- 
setzen oder guten Sitten zuwiderlaufen würde, 
ferner für Erfindungen von Nahrungs-, Genuß- 
und Arzneimitteln sowie von Stoffen, welche auf 
chemischem Weg hergestellt werden, soweit die Er- 
findungen nicht ein bestimmtes Verfahren zur 
Herstellung der Gegenstände betreffen, werden 
Patente nicht erteilt. Die Ausnahme hinsichtlich 
der Nahrungs= usw. Mittel beruht auf der doppelten 
Rücksicht, einmal weil die hohe Bedeutung dieser 
Mittel für die Volkswohlfahrt im allgemeinen und 
die öffentliche Gesundheitspflege im besondern es 
verbietet, die Zugänglichkeit der Mittel zu er- 
schweren oder den Preis derselben zu steigern, 
sodann aber auch um der Gefahr vorzubeugen, 
daß der gesetzliche Schutz unter Irreleitung der 
Bevölkerung zu marktschreierischen Zwecken miß- 
braucht würde. Beide Bedenken sind dadurch ge- 
hoben, daß nicht die Mittel selbst, sondern, wie 
geschehen, nur ein bestimmtes Verfahren zu deren 
Herstellung für patentfähig erklärt wird. Ent- 
sprechendes gilt für die chemischen Stoffe bzw. das 
Verfahren zu deren Herstellung. Mittel und Stoffe, 
Produkte, die nicht zu den angegebenen gehören, 
können demnach patentiert werden (vgl. dazu 
unter 4). 
3. Verfahren der Patenterteilung. 
Das Gesetz erkennt einen Anspruch auf Erteilung 
des Patents an, der auf die Erben übergeht und 
beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag oder 
letztwillige Verfügung auf andereübertragen werden 
kann. Der Anspruch steht aber nicht dem Erfinder 
zu, sondern demjenigen, welcher die Erfindung 
zuerst nach Maßgabe des Gesetzes angemeldet hat. 
Eine spätere Anmeldung kann den Anspruch auf 
ein Patent nicht begründen, wenn die Erfindung 
Gegenstand des Patents des früheren Anmelders 
ist. Trifft diese Voraussetzung teilweise zu, so hat 
der spätere Anmelder nur Anspruch auf Erteilung 
eines Patents in entsprechender Beschränkung, des 
Abhängigkeitspatents (ogl. unter 2). Der An- 
spruch findet nicht statt, wenn der wesentliche In- 
halt der Anmeldung den Beschreibungen, Zeich- 
nungen, Modellen usw. eines andern oder einem von 
diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Ein- 
willigung entnommen und von dem letzteren aus 
diesem Grund Einspruch erhoben ist. Hierin liegt 
der Schutz, den das Gesetz dem Erfinderrecht im 
Stadium des Erteilungsverfahrens gewährt. Hat 
nämlich der Einspruch die Zurücknahme oder die 
Zurückweisung der Anmeldung zur Folge, so kann 
der Einsprechende innerhalb eines Monats seit 
 
	        
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