Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Presse, Preßfreiheit, Preßgesetz- 
gebung. Geschichtliches. Entwicklung der Presse. 
Neuere Eigentümlichkeiten. Aufgabe der Presse im 
allgemeinen, der katholischen im besondern. Wich- 
tigkeit der Zeitungen, Bedeutung für das öffent- 
liche Leben. Verhältnis zu den herrschenden An- 
schauungen. Gesetzliche Schranken. Beurteilung 
der Ireßfreiheit, ihre Vorgeschichte. Geltendes 
echt. 
Unter Presse versteht man im weitesten Sinn 
alles, was aus der Druckerpresse als sinnenfällige 
Darstellung menschlicher Gedanken durch Wort 
oder Bild hervorgeht. In einem engeren Sinn 
begreift man unter diesem Wort nur die politische 
Tagespresse, also die Zeitungen mit Ausschluß der 
Zeitschriften und Bücher. Die Presse im heutigen 
Sinn nahm ihren Ursprung von der großen Er- 
findung Johann Gutenbergs, der um die Mitte 
des 15. Jahrh. in Mainz zuerst die Kunst übte, 
mit beweglichen Lettern zu drucken. Bis zum 
Schluß des 15. Jahrh. waren über 1000 Druk- 
kereien, meist deutschen Ursprungs, in mehr als 
200 Orten tätig, von denen etwa 60 Orte in 
Deutschland. Bis zum Jahr 1500 kann Rom 
allein 41 Pressen, Venedig 199, Mailand 60 
aufweisen. Papst Sixtus IV. ging mit seinem 
Beispiel voran, indem er in Rom den deutschen 
Druckern Schweynheim und Pannart eine groß- 
artige Unterstützung zu teil werden ließ. Viele 
Klöster legten eigne Klosterdruckereien an. Ganz 
besondere Verdienste um die Verbreitung der neuen 
Kunst erwarb sich der neugestiftete Orden der 
Brüder vom gemeinsamen Leben. Die ersten 
größeren Erzeugnisse waren Vervielfältigungen 
des Alten und Neuen Testaments; bis 1500 
wurde die Vulgata beinahe hundertmal aufgelegt. 
Es folgten Kirchenväter, Scholastiker, zeitgenös- 
sische Theologen und Philosophen, Schulbücher, 
Erbauungsbücher usw. Die „Nachfolge Christi“ 
erlebte bis 1500 nicht weniger als 59 Ausgaben 
in mehreren Sprachen. Die Erstürmung von 
Konstantinopel im Jahr 1453 brachte als neue 
Nahrung die griechischen und lateinischen Klassiker. 
die mit großem Eifer gedruckt und verbreitet 
wurden. Werke aus allen Gebieten des mensch- 
lichen Wissens schlossen sich rasch an. Noch heute 
ist aus der Zeit bis 1500 die gewaltige Zahl 
von 30 000 Druckwerken nachzuweisen, von diesen 
viele drei bis vier Foliobände stark. 
Seit dieser ersten Blüteperiode trat, von der 
Mitte des 16. Jahrh. an, ein Stillstand und 
Rückschritt ein, gleicherweise in technischer wie in 
inhaltlicher Beziehung. Die letzte Hälfte des 
18. Jahrh. zeigt wieder eine Besserung. Im 
19. Jahrh. sind die Erzeugnisse der Druckerpresse 
unübersehbar geworden. Heute ist die Presse das 
vollkommenste und darum verbreitetste Mittel, auf 
die Menschen, ihre guten und bösen Leidenschaften 
einzuwirken. Wie die Schrift eine Erweiterung 
der Wirksamkeit unserer Sprache auf einzelne, so 
ist der Druck eine Erweiterung derselben auf eine 
unbegrenzte Anzahl von Lesern, diejenige Form, 
Presse usw. 
  
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welche dem Gedanken die größte Wirksamkeit und 
Schnelligkeit und dazu einen dauernden Ausdruck 
für die Zukunft gibt. 
In diesen Eigenschaften liegt die weltgeschicht- 
liche Bedeutung der Presse; sie machen diese in 
unsern Tagen zu einem unabweisbaren Faktor des 
öffentlichen Lebens. Eine besonders für letzteres 
bestimmte Form hat die Neuzeit in den täglich 
oder sonst regelmäßig erscheinenden Zeitungen 
ausgebildet. Diese meint man heute regelmäßig, 
wenn man im öffentlichen Leben von Presse spricht. 
Als Vorläufer sind zu erwähnen die halbjährigen 
Meßrelationen, welche für die großen Buchhändler- 
messen die neuesten Zeitereignisse zusammenstellten. 
Ihr Begründer war Freiherr Michael v. Aitzing, 
welcher im Febr. 1580 in Köln die erste Relatio 
historica in deutscher Sprache drucken und eine 
Reihe weiterer bis 1597 folgen ließ. Periodische 
Wochenschriften finden wir in Deutschland seit 
dem Anfang des 17. Jahrh., die erste seit 1615 
in Frankfurt a. M. 1616 erschien zuerst die 
„Frankfurter Oberpostamtszeitung“", 1714 be- 
gann der „Hamburger Korrespondent“. Seitdem 
größere Preßfreiheit gewährt worden ist, hat die 
politische Presse in Deutschland sich mächtig ent- 
wickelt; sie nimmt jetzt eine äußerlich würdige 
Stellung ein, wenn diese auch noch nicht zu ver- 
gleichen ist mit derjenigen englischer und ameri- 
kanischer Blätter. Neben der politischen Presse 
haben sich Unterhaltungs= und Fachzeitschriften 
herausgebildet. Das erste illustrierte Blatt in 
Deutschland war das „Pfennigmagazin", seit 
1833 in Leipzig erscheinend. 1848 wurde eben- 
daselbst die noch blühende „Illustrierte Zeitung“ 
nach englischem Muster begründet. Die politischen 
Witzblätter verdanken meist dem Jahr 1848 ihre 
Entstehung, so der „Kladderadatsch“, während die 
„Fliegenden Blätter“ seit 1844 erscheinen. Eine 
Übersicht der Parteiorgane s. in d. Art. Meinung, 
öffentliche. 
Die spezifisch katholische Presse in Deutsch- 
land datiert ihre jetzige Bedeutung seit dem Kultur- 
kampf, während ihre Anfänge früher liegen. Sie 
deckt sich heute in weitem Maß mit der Presse der 
Zentrumspartei, da diese allein die Freiheit und 
Rechtsstellung der katholischen Kirche sachgemäß 
vertritt. Die älteste der bestehenden katholischen 
Zeitungen ist die „Augsburger Postzeitung“; sie 
erscheint seit 1686. Ihr folgt der „Westfälische 
Merkur“ in Münster seit 1822. Seit 1848 er- 
scheint das „Mainzer Journal“ und das „Deutsche 
Volksblatt“ in Stuttgart, seit 1860 die „Köl- 
nische Volkszeitung“, seit 1871 die „Germania“ 
in Berlin. Ihnen schließt sich eine stattliche Reihe 
gut geleiteter Provinzialblätter an. Der „Katho- 
lik“ entstand 1821, die „Historisch-politischen 
Blätter“ datieren von 1838. 1909 betrug die Zahl 
der im Deutschen Reich erscheinenden katholischen 
Zeitungen 573, von diesen täglich erscheinend 278, 
wöchentlich viermal 14, dreimal 134, zweimal 83, 
einmal 64. In Osterreich-Ungarn erschienen 184 
 
	        
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