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wurde in den Beschlüssen des Kongresses formu-
liert. Auf Grund dieser Vereinbarungen erging
sodann der Bundesbeschluß vom 20. Sept. 1819,
das sog. Bundespreßgesetz, welches wieder eine
förmliche Zensur in allen Bundesstaaten für Zei-
tungen, Zeitschriften, Broschüren und Bücher von
weniger als 20 Bogen einführte und für alle
andern gestattete. Die Einzelheiten der Aus-
führung waren den Bundesstaaten überlassen und
diese benutzten diese Vollmacht mehrfach, um auch
für Schriften über 20 Bogen die Zenfur wieder-
herzustellen. Von jetzt an spielt sich auf dem Ge-
biet der Preßgesetzgebung ein fortwährender Kampf
ab zwischen der Bundesgesetzgebung, welche unter
dem Druck von Osterreich und Preußen die Presse
niederzuhalten strebte, und einzelnen Partikular=
staaten, welche der Presse größere Freiheit zu ge-
währen geneigt waren. Allemal setzte solchen Be-
strebungen gegenüber der Bund die Aufrecht-
erhaltung der Karlsbader Grundsätze durch.
Am 4. Okt. 1842 erfolgte in Preußen die
Aufhebung der Zensur für alle über 20 Bogen
starken Bücher; dasselbe geschah in Sachsen 1843.
In Preußen drang endlich auch die Gestattung
der Veröffentlichung der Verhandlungen der Pro-
vinzialstände durch, die bisher schon in den meisten
Kleinstaaten erlaubt war. Das durch Verordnung
vom 23. Febr. 1843 eingesetzte Oberzensurgericht
sollte der bisherigen geistlosen administrativen
Maßreglung der Presse ein Ende machen und die
einschlagenden Fragen vom Standpunkt des Rich-
ters erledigen. Es machte sich anfangs durch große
Milde bemerkbar. Doch schlug diese Richtung bald
wieder um. In der Bundesversammlung beriet
man bereits einen neuen, äußerst engherzigen Ent-
wurf zu einem definitiven Bundespreßgesetz.
Die französische Februarrevolution von 1848
zwang jedoch bald den Bundestag zu dem Be-
schluß vom 3. März 1848, welcher es jedem
deutschen Bundesstaat freistellte, die Zensur auf-
zuheben und Preffreiheit einzuführen; am 2. April
wurden von ihm alle früheren Beschlüsse über die
Presse aufgehoben. In den „Grundrechten des
deutschen Volks“ formulierte sodann das Frank-
furter Parlament die Preßfreiheit. Der Bund
zögerte jedoch mit dem Erlaß des verheißenen
Preßgesetzes, und die freisinnige Strömung war
längst vorbei, als der Bundesbeschluß vom 6. Juli
1854 zustande kam. Man hielt ihm sofort ent-
gegen, daß er ein Beschluß gegen die Presse, nicht
über die Presse sei. Er führte zwar nicht mehr die
Zensur, wohl aber Kaution, Konzession, Konfis=
kation und eine Reihe anderer Beschränkungen
wieder ein. Die Konzession sollte auf admini-
strativem Weg entzogen, auch von vornherein
frei widerruflich erteilt werden können. Straf-
bar sollte jede Kundgebung sein, welche „durch die
Form der Darstellung den Gegenstand des An-
griffs dem Haß oder der Mißachtung auszusetzen
geeignet ist“. Die vorzugsweise Verweisung der
Preßvergehen vor das Geschworenengericht oder
Presse ufw.
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zur öffentlichen Verhandlung sollte nicht stattfinden
dürfen. Dieser Bundesbeschluß wurde in Oster-
reich, Preußen und Bayern nicht publiziert. Schon
vorher waren hier nämlich ausführliche Preßgesetze
ergangen, welche mit jenem Bundesbeschluß ziem-
lich übereinstimmten, so in Preußen am 12. Mai
1851 (s. u.), in Bayern am 17. März 1850. Auf
Grund des erwähnten Bundesbeschlusses wurden
Preßgesetze gegeben in Braunschweig am 9. Febr.
1855, Oldenburg am 4. Febr. 1856, Hessen am
1. Aug. 1862 usw. Alle diese Gesetze schaffen zwar
die Präventivzensur ab, lassen aber eine ganze
Reihe sonstiger präventiven Maßregeln bestehen
und bilden daneben die repressiven sorgfältig aus.
In Preußern hatte das Gesetz vom 17. März
1848 die Zensur abgeschafft und die oktroyierte
Verfassungsurkunde vom 5. Dez. 1848 eine sehr
weitgehende Preßfreiheit gewährt. Doch war der
Sprung zu dieser Freiheit zu jäh. Die Presse
verstand es nicht, dieselbe maßvoll zu benutzen,
und beschleunigte durch eigne Schuld den Rück-
schlag, der hier früher eintrat als im Deutschen
Bund. Schon die revidierte Verfassung vom
31. Jan. 1850 läßt denselben erkennen. Sie
verbürgte zwar ebenfalls Preßfreiheit und verbot
die Zensur, ließ aber die Einführung von andern
Beschränkungen zu. Auch entzog sie die Preßver-
gehen wiederum den Geschworenengerichten. Diese
Verfassung ist noch heute die Grundlage der Preß-
gesetzgebung in Preußen, wenn ihre Bestimmungen
auch durch spätere Gesetze, insbesondere durch das
Reichsgesetz über die Presse teils erweitert teils
eingeengt worden sind. Art. 27 lautet: „Jeder
Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu
äußern. Die Zensur darf nicht eingeführt werden,
jede andere Beschränkung der Preßfreiheit nur im
Weg der Gesetzgebung.“ Art. 28: „Vergehen,
welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche
Darstellung begangen werden, sind nach den all-
gemeinen Strafgesetzen zu bestrafen.“ Diese Ar-
tikel begründen das Recht der freien Meinungs-
äußerung durch die Presse; sie schließen jeglichen,
Eingriff in dieses Recht seitens der Verwaltung
aus, auch wenn derselbe durch eine Notstands-
verordnung geschehen sollte; sie verbieten zwar die
Präventivzensur, doch gestatten sie jegliche andere
präventive Einschränkung, sofern sie nur durch
Gesetz eingeführt wird. Rasch griff der Rückschlag
weiter. Unter dem 6. Juni 1850 bereits führte
Minister v. d. Heydt die Entziehung des Post-
debits ein gegen Zeitungen, die „eine gehässige, der
Staatsregierung feindselige Tendenz verfolgten“,
dazu Kautionspflicht und Konzessionsentziehung.
Die in Aussicht genommenen gesetzlichen Beschrän-
kungen brachte das Preßgesetz vom 12. Mai 1851,
aus präventiven und repressiven Maßregeln zu-
sammengesetzt. Ein Reskript des Ministeriums
des Innern vom 2. Mai 1852 stellte den Grund-
satz auf, daß die Verbreitung von der Regierung
mißliebigen Schriften den betreffenden Gewerbe-