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Abänderungs- und Ergänzungsgesetze). Wichtige
Abänderungen erfuhr das Staatsgrundgesetz
namentlich durch die Verfassungen des Nord-
deutschen Bundes und des Deutschen Reichs. Die
Krone ist erblich im Mannesstamm des königlichen
Hauses der Hohenzollern nach dem Recht der Erst-
geburt und der agnatischen Linealerbfolge. Der
König von Preußen, der zugleich erblicher Deut-
scher Kaiser ist, führt den Titel:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher
Kaiser, König von Preußen, Markgraf zu Branden-
burg, Burggraf zu Nürnberg, Graf zu Hohenzollern,
souveräner und oberster Herzog von Schlesien wie
auch der Grafschaft Glatz, Großherzog vom Nieder-
rhein und Posen, Herzog zu Sachsen, Westfalen
und Engern, zu Pommern, Lüneburg, Holstein
und Schleswig, zu Magdeburg. Bremen, Geldern,
Kleve, Jülich und Berg, sowie auch der Wenden
und Kassuben, zu Krossen, Lauenburg, Mecklen-
burg, Landgraf zu Hessen und Thüringen, Mark-
graf der Ober= und Niederlausitz, Prinz von
Oranien, Fürst zu Rügen, zu Ostfriesland, zu
Paderborn und Pyrmont, zu Halberstadt, Münster,
Minden, Osnabrück, Hildesheim, zu Verden,
Kamin, Fulda, Nassan und Mörs, gefürsteter
Graf zu Henneberg, Graf der Mark und zu Ra-
vensberg, zu Hohenstein, Tecklenburg und Lingen,
zu Mansfeld, Sigmaringen und Veringen, Herr
zu Frankfurt.
Der mittlere Titel enthält ein starkes Drittel
der Bezeichnungen, und der kürzere lautet: Wir
Wilhelm, König von Preußen usw. Der erst-
geborne Sohn heißt „Kronprinz des Deutschen
Reichs und von Preußen“ und bekleidet die Würde
eines Statthalters von Preußen. Ist ein Bruder
des Königs oder ein anderer Prinz Thronfolger,
so führt er den Titel „Prinz von Preußen“.
Der König wird großjährig mit Vollendung des
18. Lebensjahrs. Ist er minderjährig oder dauernd
an der Regierung verhindert, so übernimmt der
nächste volljährige Agnat die Regentschaft. Ihm
kommen alle praktisch bedeutsamen Befugnisse und
Attribute der königlichen Gewalt zu; es fehlt ihm
nur der Titel und einzelne persönliche Ehrenrechte.
Der jeweilige Inhaber der Krone hat den Genuß
des Kronfideikommißfonds, dem außer der Kron-
dotation (Zivilliste) die Einkünfte aus allen der
Krone gehörigen Gütern, Forsten und Effekten zu-
fließen. Die Zivilliste betrug ursprünglich (1820)
2500000 Taler in Gold und war auf die Einkünfte
aus den Domänen (vgl. dies. Art. Bd I, Sp. 1306)
und Forsten angewiesen; zu dieser Rente (heute
7719 296 A)) trat ein Staatszuschuß, der durch
Gesetz vom 20. Febr. 1889 auf 8 Mill., durch
Gesetz vom 17. Juni 1910 auf 10 Mill. M er-
höht wurde. Außerdem wird seit 1910 ein jähr-
licher Zuschuß von 1,5 Mill. M für die könig-
lichen Theater bezahlt. Die Verwaltung der
Angelegenheiten des königlichen Hauses und der
königlichen Familie besorgt das „Ministerium
des Königlichen Hauses“, das ausschließlich dem
König untersteht und keinen Bestandteil des
Staatsministeriums ist. Es bildet den ordent-
Preußen.
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lichen Gerichtsstand in nicht streitigen Angelegen-
heiten, einschließlich der Standesamtssachen; zu
seinem Geschäftsbereich gehören: Heroldsamt für
Standes= und Adelssachen, Königliches Haus-
archiv und die Hofkammer der königlichen Fa-
miliengüter. Die Person des Königs ist unver-
letzich. Vor dem Regierungsantritt hat er die
Aufrechterhaltung der Verfassung eidlich zu ge-
loben. Seine Regierungsakte (mit Ausnahme der
Armeebefehle) bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch
die Verantwortlichkeit übernimmt. Bei Erledigung
der Regierungsgeschäfte, soweit sie nicht durch
Vermittlung der Minister erfolgt, bedient sich der
König des (Zivil-, Militär= oder Marine-) Kabi-
netts. Der König, dem allein die vollziehende
Gewalt zusteht, befiehlt die Verkündigung der
Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung
nötigen Verordnungen. Er führt den Oberbefehl
über das Heer, beschließt über Krieg und Frieden,
übt das Recht der Begnadigung und Straf-
milderung und verleiht Orden. Er beruft die
Kammern, kann sie verlegen oder auflösen und
schließt ihre Sitzungen. Als beratendes Organ
steht ihm der Staatsrat zur Seite, der 1817
begründet, nach 30jähriger fast vollständiger Un-
tätigkeit 1884 wiederbelebt wurde und aus den
großjährigen Prinzen, den durch ihr Amt (Mini-
ster, Feldmarschälle usw.) und den durch „beson-
deres Vertrauen“ berufenen Staatsdienern besteht.
Bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt
ist der König an die Zustimmung der beiden
Kammern gebunden, die seit 1855 zusammen als
Landtag bezeichnet werden. Die Zusammen-
setzung der ersten Kammer, die durch Gesetz vom
30. Mai 1855 den Namen Herrenhaus er-
hielt, beruht auf der königlichen Verordnung vom
12. Okt. 1854, welche im Gesetz vom 7. Mai
1853 angekündigt war. Mitglieder des Herren-
hauses sind 1) die großjährigen Prinzen des könig-
lichen Hauses, sobald sie der König beruft (bisher
nicht geschehen); 2) erblich werden berufen: a) der
Fürst von Hohenzollern, b) die Häupter der me-
diatisierten Häuser, die in Preußen ehemals reichs-
unmittelbare Gebiete haben (1910:22, esruhen 9),
I) die der Herrenkurie des vereinigten Landtags
nach Maßgabe der neuständischen Gesetzgebung
zugehörigen Fürsten, Grafen und Herren (52, es
ruhen 21), ch diejenigen, denen das Recht beson-
ders verliehen wird (z. B. die Häupter der Fami-
lien Bismarck, Moltke usw., 40, es ruhen 5);
3) lebenslänglich werden berufen: a) Personen
kraft Präsentationsrechts, solches wird beigelegt
a) den evangelischen Domstiftern Brandenburg,
Merseburg und Naumburg (8), 6) den provin-
ziellen Verbänden der mit Rittergütern angesessenen
Grafen (9), X) den Verbänden der durch aus-
gebreiteten Familienbesitz ausgezeichneten Ge-
schlechter (19), 3) den Verbänden des alten (d. h.
Rittergüter, die seit mindestens 50 Jahren in der
Familie sich befinden) und befestigten (d. h. mit