321
gesicherter Einzelerbfolge) Grundbesitzes nach be-
sondern landschaftlichen Bezirken (91), e) jeder
Landesuniversität durch ihren Senat aus der Zahl
der ordentlichen Professoren (10), 5 den besonders
damit beliehenen Städten durch den Magistrat
bzw. die Gemeindevertretung aus der Zahl der
Magistratsmitglieder (54), b) den Inhabern der
vier großen Landesämter (Oberburggraf, Ober-
marschall, Landhofmeister, Kanzler), c) Personen,
die der König aus besonderem Vertrauen ernennt
(1910: 66). Für die Berufung ist preußische
Staatsangehörigkeit (ohne außerdeutsches Staats-
amt), Wohnsitzin Preußen, ein Alter von 30 Jahren
und Vollbesitz der bürgerlichen Rechte erforderlich.
Die Gewählten bleiben nur so lange Mitglieder
des Hauses, als sie die Eigenschaft besitzen, in der
sie präsentiert wurden. Zur Beschlußfähigkeit des
Herrenhauses, welches nicht aufgelöst werden kann,
gehört die Anwesenheit von wenigstens 60 Mit-
gliedern. Sämtliche Mitglieder genießen während
der Dauer der Landtagsperiode freie Eisenbahn-
fahrt zwischen Berlin und ihrem Wohnort.
Das Haus der Abgeordneter hatte an-
fangs 350 Mitglieder; infolge der Erwerbung der
Fürstentümer Hohenzollern, der neuen Provinzen
Hannover, Schleswig-Holstein und Hessen-Nassau
und des Herzogtums Lauenburg stieg die Zahl
(um 2 + 80 K 1) auf 433. Durch das Gesetz
vom 28. Juni 1906 wurde die Zahl der Abge-
ordneten auf 443 erhöht und einzelne Wahl-
bezirke neu abgegrenzt. Die Wahl, welche auf
Grund des oktroyierten Wahlgesetzes vom 30. Mai
1849 und des Gesetzes betr. Anderung des Wahl-
verfahrens vom 29. Juni 1893 erfolgt, ist eine
mittelbare oder indirekte. In den Urwahlbezirken
eines Wahlkreises werden von den Urwählern
Wahlmänner bestellt, welche die Abgeordneten
wählen. Auf je 250 Seelen entfällt ein Wahl-
mann. Gemeinden von weniger als 750 Seelen
sowie Besitzungen, welche nicht zu einer Gemeinde
gehören, werden mit andern Gemeinden zu einem
Urwahlbezirk vereinigt, Gemeinden von 1750 und
mehr Personen in mehrere Urwahlbezirke geteilt.
Urwähler ist jeder selbständige Preuße, welcher
das 24. Lebensjahr vollendet hat, im Vollbesitz
der bürgerlichen Rechte sich befindet, sechs Monate
in der Gemeinde gelebt hat und nicht aus öffent-
lichen Mitteln unterstützt wird. Für den Wahl-
mann gelten dieselben Bestimmungen, er muß
dem Urwahlbezirk, nicht aber derselben Abteilung
angehören. Die Wahl findet nach dem Drei-
klassensystem statt. Die Urwähler zerfallen nach
Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten
Staats= und Kommunal-(Provinzial-, Bezirks-,
Kreis= und Gemeinde-steuern in drei Abteilungen,
und zwar in Höchst-, Mittel- und Niederstbe-
steuerte; hierbei entfällt auf jede Abteilung je ein
Drittel der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller
Urwähler im Wahlbezirk. In die 3. Klasse ge-
hören auch die Urwähler, welche keine Staats-
steuern bezahlen; für diese ist an Stelle der
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl.
Preußen.
322
Staatseinkommensteuer ein Betrag von 3 M in
Ansatz zu bringen. Zum Abgeordneten ist jeder
Urwähler wählbar, der das 30. Lebensjahr voll-
endet und bereits ein Jahr dem preußischen Staats-
verband angehört hat. Die Wahlen der Wahl-
männer und Abgeordneten geschehen durch öffent-
liche Abgabe der Stimmen und nach absoluter
Stimmenmehrheit. Ist die nicht erzielt, so folgt
engere Wahl und bei gleicher Stimmenzahl Ent-
scheidung durch das Los. Staatsdiener bedürfen
zum Eintritt in die Kammer keines Urlaubs, Wer
ein besoldetes Staatsamt annimmt oder in ein
Amt eintritt, mit dem ein höherer Rang oder ein
höheres Gehalt verbunden ist, verliert seinen Sitz,
kann aber wiedergewählt werden. Das Mandat
der Abgeordneten gilt für die Legislaturperiode,
die durch Gesetz vom 27. Mai 1888 von 3 auf
5 Jahre verlängert worden ist. Die Mitglieder
der Zweiten Kammer beziehen für jeden Tag der
Sitzungsperiode 15 M(seit 1876) Diäten, ferner zu
Beginn und Schluß der Periode Reisekosten (13 PEr.
für den km auf der Bahn, sonst 60 Px,); wäh-
rend der Periode haben sie Freifahrt zwischen dem
Wohnort und Berlin. Das Haus ist bei Anwesen-
heit der Mehrzahl seiner Mitglieder beschlußfähig.
Die Zusammensetzung des Hauses der Abge-
ordneten nach der politischen Parteizugehörigkeit
in den Legislaturperioden seit 1870 zeigt folgende
Tabelle:
□— r—WNM
2 2 —.— z — —.—
Letur HEIIEHIIIEIEHE
beriode CSEEEZS 8
oeozEOO 5
1870/72 11355129 51 5419 — 15
1873/76 27 34 178 72 86 117— 1s8
1877/79 3534 1757 88 15— 19
880|8 104 540 96 19— 24
1883/85 1144S3 92718 — 43
1886/88 1322 720 97 15— 16
1889993 128 448528 e27 14— 16
18941981445 842 921517— 8
1899/1903 144558 736200 — 7
190408 144%% 783 96 13— 6
1909/12 152 60 65| 36 104 157
4
Beide Häuser des Landtags müssen durch den
König jährlich wenigstens einmal in der Zeit von
Anfang November bis Mitte Januar versammelt
werden, und zwar sind beide gleichzeitig zu berufen,
zu eröffnen, zu vertagen und zu beschließen. Da-
neben ist auch eine außerordentliche Berufung mög-
lich. Hat der König das Haus der Abgeordneten
aufgelöst, so muß innerhalb 60 Tagen die Neuwahl,
innerhalb 90 Tagen die Einberufung des neuen
Haufes erfolgen. Eine Vertagung darf ohne Zu-
stimmung des Landtags nicht über 30 Tage dauern
und sich während derselben Session nicht wieder-
holen. Die Sitzungen sind in der Regel öffentlich.
Beide Häuser wählen ihre Präsidenten, Vizeprä-
sidenten und Schriftführer selbst; die Reglung der
Geschäftsführung und Geschäftsordnung ist jedem
Haus überlassen. Die Beschlüsse werden mit ein-
sacher (absoluter) Stimmenmehrheit gefaßt; bei
Verfassungsänderungen finden zwei Abstimmungen
statt, zwischen denen mindestens 21 Tage liegen
11