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Händen wie vor dem Übergang geblieben, so spricht
eine unwiderlegliche Vermutung für die Gültig-
keit des Verkaufs. Der nach Beginn der Feind-
seligkeiten erfolgte Ubergang ist nichtig, wenn nicht
bewiesen wird, daß dieser Verkauf nicht herbei-
geführt wurde, um den Folgen als feindliches
Schiff zu entgehen. Jedoch spricht eine unwider-
legliche Vermutung für die Nichtigkeit, wenn der
Übergang während der Fahrt oder in einem
blockierten Hafen erfolgt, wenn ein Rückkaufsrecht
vorbehalten ist, oder wenn die Bedingungen nicht
erfüllt worden sind, von denen das Flaggenrecht
nach der Gesetzgebung der geführten Flagge ab-
hängt (Art. 55/56).
Kein Gegenstand des Seebeuterechts sind die
auf wissenschaftlichen Expeditionen befindlichen
feindlichen Schiffe, sofern und soweit sie sich nur
ihrer friedlichen kulturellen Aufgabe widmen.
Gleiches gilt von den mit religiösen oder phil-
anthropischen Aufgaben betrauten Schiffen (zweite
Haager Konf., Abk. XI, Art. 4). Einer besondern
Exemtion von dem Seebeuterecht erfreute sich nach-
weisbar schon seit dem 16. Jahrh. das See-
fischereigewerbe. Diese Exemtion wird von
der heutigen Völkerrechtsdoktrin, als allgemein
geltendes Gewohnheitsrecht anerkannt und erstreckt
sich auf die Fischereifahrzeuge und die Fischerei-
geräte aller Art sowie auf den Fang. Eine Kontro=
verse bestand darüber, ob sich die Exemtion des
Seefischereigewerbes auch auf die Großseefischerei
erstrecke. Das zitierte Abkommen der zweiten
Lerr Konferenz hat nunmehr ausdrücklich die
efreiung der ausschließlich der Küsten fischerei
(also nicht dem Großbetrieb) oder der Lokal-
schiffahrt dienenden Fahrzeuge sowie ihres
Geräts, ihrer Takelage, ihres Schiffsgeräts und
ihrer Ladung ausgesprochen (Art. 3). Diese Ex-
emtion ist selbstverständlich an die Voraussetzung
geknüpft, daß die Fischer sich jeder Teilnahme an
den Feindseligkeiten enthalten. Auch an der feind-
lichen Küste gescheiterte oder in Seenot befindliche
Kauffahrteischiffe und die an Bord derselben be-
findlichen Güter sind der Wegnahme entzogen.
Die Postschiffe und die Postgüter waren bisher
vom Seebeuterecht von Rechts wegen nicht eximiert;
ihre Exemtion war nur eine Folge spezieller Ver-
einbarungen zwischen den einzelnen Staaten oder
der in den Landesgesetzen derselben enthaltenen.
Bestimmungen. Das obige Abkommen hat dann
aber die Unverletzlichkeit der auf See auf neutralen
oder feindlichen Schiffen vorgefundenen amtlichen
oder privaten Briefpostsendungen normiert. Nur
für den Fall des Blockadebruchs soll diese Exem-
tion keine Anwendung finden, wenn die Brief-
sendungen nach dem betreffenden Hafen bestimmt
sind oder von ihm kommen (Art. 1). Bezüglich
der Unverletzlichkeit der Lazarettschiffe vgl. d. Art.
Krieg (Bd III, Sp. 522).
Das Seebeuterecht beginnt mit dem Ausbruch
des Kriegs (ogl. d. Art. Krieg, Abschn. V), und zwar
sogar gegen solche Schiffe, die von der Eröffnung
Prise usfw.
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des Kriegszustands noch nicht unterrichtet sind.
Seit Mitte des 19. Jahrh. (Krimkrieg) ist es jedoch
üblich geworden, den feindlichen Schiffen bei Aus-
bruch eines Kriegs eine gewisse Frist, gewöhnlich
sechs Wochen, zu gewähren, um sich und ihre
Ladungen in Sicherheil zu bringen. Auch die
zweite Haager Konferenz hat in dem Abkommen VI
die bisherige Ubung nicht als Rechtsregel hin-
stellen, sondern nur die Beobachtung derselben
empfehlen können (Art. 1). Dagegen hat sie eine
Milderung des bisherigen Rechtszustands insofern
herbeigeführt, als sie vorschreibt, daß feindliche
Handelsschiffe, denen die Erlaubnis zum Ver-
lassen des Hafens verweigert wird, oder die infolge
höherer Gewalt den Hafen nicht verlassen können,
nicht mehr dem Recht der Wegnahme unterliegen,
sondern nur bis zum Ende des Kriegs mit Be-
schlag belegt oder aber gegen Entschädigung an-
gefordert werden dürfen (Art. 2). Gleiches gilt
von den Schiffen, die in Unkenntnis der Feind-
seligkeiten auf hoher See getroffen werden, sowie
von den feindlichen Waren an Bord dieser wie
jener Schiffe (Art. 3/4). Das Seebeuterecht er-
lischt mit dem Friedensschluß; es ist suspendiert
während eines allgemeinen sowie während eines
jeden besondern Waffenstillstands, der sich auch
auf die Aktion der Seestreitkräfte erstreckt.
Die Ausübung des Seebeuterechts oder die
Wegnahme des feindlichen Privateigentums auf
dem Meer kann durch Kriegsschiffe oder Kreuzer,
durch von den Kriegsparteien autorisierte Kaper
(ogl. diese Art.) und durch Landstreitkräfte mittels
Aktion vom Ufer aus erfolgen, und zwar inner-
halb der Grenzen desjenigen Gebiets, auf welchem
der Seekrieg ohne Verletzung der Rechte dritter
Staaten geführt werden kann. Will ein Kriegs-
schiff ein Privatschiff als Prise aufbringen und
wegnehmen, so muß es dessen Charakter prüfen,
was dadurch geschieht, daß es das betreffende
Handelsschiff durch einen blinden Schuß zur Ent-
faltung seiner Nationalflagge sowie zum Beidrehen
oder Stoppen, d. h. zum Innehalten seines Laufs
auffordert. Leistet das Schiff dieser Aufforderung
keine Folge, so kann es verfolgt und, wenn es sich
tatsächlich widersetzt, schon deshalb aufgebracht und
weggenommen werden (vgl. d. Art. Durchsuchungs-
recht, Bd 1). Bezüglich des Zeitpunkts, in wel-
chem die Prise als gemacht anzusehen ist, d. h. in
das Eigentum des Nehmestaats bzw. des Neh-
mers übergeht, galt ehemals der Grundsatz des
römischen Rechts, daß das Eigentum an der Prise
(Beute) mit der vollendeten ausschließlichen Besitz-
ergreifung oder mit deren Verbringung in Sicher-
heit erworben werde. Später wurde teils durch
Landesgesetze teils durch Verträge als Zeitpunkt
des Eigentumserwerbs an der Prise eine Besitz-
dauer von 24 Stunden verlangt.
Das moderne Völkerrecht knüpft den Eigen-
tumserwerb an die zwei Voraussetzungen: 1) daß
der Kaptor das genommene Schiff oder Gut in
unbestrittenem Besitz hat; 2) daß das Eigentum