Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Recht Patienten, der Advokat Klienten und der 
Opernsänger Zuhörer vom Staat verlangen 
könnte“ (Singer, S. 80). Es leuchtet ohne wei- 
teres ein, daß eine solche Forderung die wirt- 
schaftlichen Kräfte des Staats sehr bald völlig er- 
schöpfen und ihm auch eine im Rahmen unserer 
Gesellschaftsordnung durchaus unausführbare Auf- 
gabe stellen würde. 
Nicht weniger undurchführbar ist die Forderung 
des Rechts auf Arbeit schlechthin. Selbstverständ- 
lich könnte es sich hier nur um Zuweisung ein- 
facher ohne besondere Vorkenntnisse und Ubung 
auszuführender Handarbeiten, vorzugsweise Erd- 
arbeiten, handeln. Hier werden aber gleich von 
vornherein solche Arbeitslose ausgeschaltet werden 
müssen, welche einmal ihrer Körperkonstitution 
nach schwere Hand= insbesondere Erdarbeiten nicht 
ausführen können, und sodann jene, denen man sie 
nicht zumuten kann, wenn sie ihre Geschicklichkeit 
und Fähigkeit in ihrem erlernten Beruf, z. B. 
Feinmechaniker, Goldarbeiter, demnächst wieder 
weiterarbeiten zu können, behalten sollen. Für diese 
könnte keine Arbeit geschaffen werden; wollte man 
ihnen eine Unterstützung ohne Arbeitsleistung ge- 
währen, so würde dies eine Bevorzugung gegenüber 
den andern Arbeitern sein, welche ihren Lohn nur 
nach geleisteter Arbeit empfingen. Die Forderung 
muß aber auch an der Möglichkeit der Schaffung 
geeigneter Arbeitsgelegenheit scheitern. Bei dem 
immerhin kleinen Umfang der Arbeitsgelegenheit, 
in welcher eine möglichst große Zahl von Ar- 
beitern der verschiedensten Berufszweige zusammen 
beschäftigt werden könnte, würde sehr bald eine 
Erschöpfung der Arbeitsmöglichkeit eintreten, wenn 
man nicht schließlich völlig unproduktive Arbeiten 
verrichten lassen wollte. Würde aber der Staat, 
um diese Schwierigkeit zu vermeiden, in das Pri- 
vateigentum und in die Privatbetriebe eingreifen 
und solche an sich ziehen, so würden wir allmäh- 
lich zu einer vollständigen Verstaatlichung des 
Eigentums, der Betriebe und des Absatzes der er- 
zeugten Produkte kommen, und eine vollständige 
Umwälzung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse 
und unserer Wirtschaftsordnung herbeiführen. 
Anderseits läßt sich aber nicht verkennen, daß 
der Arbeiter ein persönliches und natürliches Recht 
hat, durch Arbeit seinen und seiner Familie Unter- 
halt zu erwerben, und daß der Staatszweck die 
Verpflichtung in sich schließt, darüber zu wachen, 
daß dem Arbeiter die Möglichkeit, Arbeit und da- 
mit die erforderlichen Existenzmittel zu erlangen, 
durch die Gestaltung der Eigentumsordnung und 
der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgeschnitten 
wird. Das hieraus resultierende „Recht auf Exi- 
stenz“ und „Recht zu arbeiten“ hat in neuerer 
Zeit dadurch Anerkennung gefunden, daß man die 
Arbeiterschaft gegen die Folgen allgemeiner oder 
teilweiser Arbeitslosigkeit zu schützen sucht durch 
Organisation von Notstandsarbeiten, durch Er- 
richtung von öffentlichen Arbeitsnachweisen und 
Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung. 
Recht, Deutsches. 
  
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In gewissem Sinn ist der Begriff des Rechts, 
zu arbeiten, auch in die Armenfürsorge ein- 
gedrungen. Man stellt nämlich den Grundsatz auf, 
daß jedem arbeitsfähigen, zurzeit arbeitslosen Be- 
dürftigen statt einer Armenunterstützung, wenn 
irgend möglich bezahlte Arbeit (eventuell sog. Not- 
standsarbeit) angewiesen oder die Unterstützung 
nur gegen Arbeitsleistung (z. B. in den Verpfle- 
gungsstationen für wandernde Handwerksburschen 
und Arbeiter) gegeben werden soll. Die Leistung 
dieser Arbeit wird denn zugleich zur Pflicht ge- 
macht und durch die Strafbestimmung des § 361 
Z. 7 des R.St.G.B. erzwungen. 
Literatur. Jof. Garnier, Le droit au tra- 
vail (1848); L. Foucher, Le droit du travail 
(1848, in Mélanges d'économie polit. II 148 ff); 
Lamartine, Du droit au travail et de Torgani- 
sation du travail (Par. 1845); Louis Blanc, Le 
socialisme, droit au travail (ebd. 1848); L. Gall, 
Mein Wollen u. mein Wirken (1835) 35; F. Stro-= 
meyer, Organisation der Arbeit (1844); L. v. Stein, 
Der Sozialismus u. Kommunismus des heutigen 
Frankreich (1842) 349 ff; F. Hitze, Kapital u. Ar- 
beit (1881) 145 ff; K. Marlo, Untersuchungen 
über die Organisation der Arbeit IV (21885/,86); 
G. Adler, Das R. a. A., abgedruckt in der „Gegen- 
wart" (1884) Nr 22; ders., Über die Aufgaben des 
Staats angesichts der Arbeitslosigkeit (1894); 
F. Stöpel, Das R. a. A. (1884); Hann, Das R. a. 
A. (1889); H. Herkner, Studien zur Fortbildung 
des Arbeitsverhältnisses, im Archiv für soziale Ge- 
setzgebung u. Statistik 1V 590 f; A. Menger, 
Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag (81904); 
Schäppi, Das R. a. A. (1895); R. Singer, Das 
R. a. A. in geschichtlicher Darstellung (1895); 
B. Otto, Das R. a. A. u. die Arbeiterinteressen 
(21902); Pesch, Nationalökonomie 1 (1905) 291. 
[Antoni.)] 
Recht, Deutsches. I. Deutsches Recht kann 
den heurigen Rechtszustand Deutschlands im öffent- 
lichen und Privatrecht bezeichnen. Er repräsentiert 
eine fortgeschrittene Stuse der Rechtskultur und 
vereinigt in sich sehr verschiedenartige Elemente. 
Neben zahlreichen modernen Rechtsschöpfungen 
enthält er den Niederschlag der nationalen Rechts- 
vergangenheit, in deren ruhige Entwicklung die 
Aufnahme fremder Rechte störend eingegriffen hat. 
Die wichtigsten Einschnitte werden durch die Re- 
zeption des römischen Rechts am Beginn der Neu- 
zeit und durch die Einwirkungen der rationalisti- 
schen und demokratischen Gesetzgebung Frankreichs 
seit dem Zeitalter der Aufklärung gekennzeichnet. 
Die Aufnahme des römischen Rechts drängte das 
nationale Recht in Gesetzgebung und Praxis zu- 
rück, mag es auch gegenüber der älteren deutschen 
Rechtszersplitterung nach Territorien, Herrschaften 
und Ständen ein einheitliches Rechtsbewußtsein 
hervorgerufen haben. Wissenschaftliche Pflege fand 
in Deutschland nach dem Vorbild der italienischen 
Juristenschulen des Mittelalters lange Zeit nur 
das „gemeine Recht“: das Zivilrecht auf der 
Grundlage des Corpus iuris civilis Justinians, 
das kanonische Recht der Kirche, der auf römisch-
	        
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