Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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sie sich Geltung nicht nur für einen einzelnen 
Prozeß, sondern allgemein beilegten, was Justinian 
auf jeden Fall der Auslegung eines Rechtssatzes 
ausdehnte. Gleiche Bedeutung hatten kaiserliche 
Urteile (decreta), welche allmählich nur noch in 
der Form eines auf Bericht des Unterrichters er- 
gangenen Reskripts erlassen wurden. Justinian 
legte allen in mündlicher Verhandlung unter 
Gegenwart der Parteien erlassenen Entscheidungen 
allgemein verbindliche Kraft bei. Die mandata 
enthielten Dienstvorschriften an die Beamten. 
Neben den Konstitutionen bestand das Gewohn- 
heitsrecht als Rechtsquelle fort, aber nur, soweit 
es nicht der Vernunft oder dem Gesetz wider- 
sprach. Eine eigenartige Bedeutung wohnte der 
Rechtswissenschaft inne. Ursprünglich hatte die 
Pflege sowohl des Rechts der Gottheit den Men- 
schen gegenüber (kas) wie des Rechts der Menschen 
untereinander (ius) in den Händen einer priester- 
lichen Behörde, der pontifices, geruht. Sie gab 
auf Anfragen Antwort, sie entschied den Rechts- 
streit (actio). Die Klageformeln (actiones) 
blieben auch dann noch ihr Geheimnis, als die 
Zwölf-Tafel-Gesetzgebung fas und jus formell 
getrennt hatte. Infolgedessen wurde das Rechts- 
studium durch sie vermittelt. Um 300 v. Chr. 
wurden gegen ihren Willen die Aktionen veröffent- 
licht sog. ius Flavianum), was zur Verwelt- 
lichung der Rechtsausbildung und der Rechts- 
wissenschaft führte. Wie die pontifüces haben die 
Juristen dem Rat suchenden Publikum Gutachten 
über die Rechtsfragen (responsa) erteilt. Dadurch 
übten sie auf die Rechtsprechung und auf die Fort- 
bildung des Rechts einen starken Einfluß aus 
(auctoritas prudentium). Dem Juristenrecht 
gelang die Einführung des formlosen ius gen- 
tium in den Verkehr unter den römischen Bür- 
gern. Im Anschluß an das ius Flavianum 
stellten die Juristen Geschäfts- und Klageformeln 
zusammen, sammelten Responsen und kommen- 
tierten die Gesetze. Demnächst wurden aus den 
Responsen Grundsätze (regulae) entwickelt und 
als Regularjurisprudenz vorgetragen. Auf grie- 
chischer Bildung beruht dann die Darstellung des 
Rechts nach Kategorien (generatim), zuerst durch 
Quintus Mucius Scävola (Konsul 95 v. Chr.), 
sowie die Begründung der Systematik des Rechts. 
Um Christi Geburt wirkten unter August M. 
Antistius Labeo und C. Ateius Capito als Respon- 
denten, Rechtslehrer und Rechtsschriftsteller. Auf 
ihren Gegensatz zueinander führt Pomponius 
die Juristenschulen der Sabinianer und Proku- 
lianer zurück, die mit dem 2. Jahrh. u. Chr. ver- 
schwanden. Mit der Mitte des 3. Jahrh. erlosch 
völlig die römische Rechtswissenschaft, das ius 
respondendi verschwand mit Diokletian. Die 
auctoritas prudentium galt jedoch in der Weise 
sort, daß man sich auf die Schriften der Juristen 
berief, die das ius respondendi besessen hatten. 
Den Streitfragen über die Lesarten der Schriften 
und über die responsionsberechtigten Juristen suchte 
Recht, Römisches. 
  
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das sog. Zitiergesetz der Kaiser Valentinian III. 
und Theodosius II. vom 6. Nov. 426 ein Ende 
zu machen; in ihm wurde das ius respondendi 
dem Papinian (von Antoninus 212 getötet), dem 
Paulus, dem Ulpian (getötet 228), dem Modestin 
(244 noch lebend) und dem Gajus (178 lebend) 
zuerkannt. 
Dem Mißstand der Unübersichtlichkeit des 
Rechts suchten private Sammlungen und gesetzliche 
Kodifikationen zu steuern, wie der Codex Grego- 
rianus unter Diokletian und der Codex Hermo- 
genianus, die Fragmenta Vaticana von 438, 
die Collatio legum Mosaicarum et Romana- 
rum zwischen 390 und 438, der Codex Theodo- 
siamus vom 15. Febr. 438 und die sog. Con- 
sultatio veteris cuinsdam iuris consulti um 
500, wie vor allem aber die Gesetzgebung Justi- 
nians (1 565). Dieser stellte sich die große Auf- 
gabe einer umfassenden Sichtung und Bearbeitung 
des ganzen Privatrechts. Zunächst setzte er am 
13. Febr. 528 eine Kommission ein, um aus den 
vorgenannten Schriften und den sog. posttheodosi- 
anischen Novellen, einer Privatsammlung nach 
468, sowie den Gesetzen seiner unmittelbaren Vor- 
gänger alles für die Rechtsprechung Brauchbare 
auszuwählen und zusammen mit seinen eignen Kon- 
stitutionen zu einem Gesetzbuch zusammenzustellen. 
Dieser Codex lustinianus wurde am 7. April 
529 publiziert, ist uns aber verloren gegangen. 
Am 15. Dez. 530 trat unter der Leitung Tribo- 
nians eine Kommission zusammen, welche aus der 
Rechtsliteratur das Notwendigste auswählen und 
zu einem Gesetzbuch verarbeiten sollte. Ihre 
Arbeit wurde am 16. Dez. 553 als Digesta 
oder rakurcu veröffentlicht. Zugleich mit den 
Digesten wurde ein Lehrbuch für Anfänger ge- 
schrieben, das am 21. Nov. 533 als Institu- 
tiones veröffentlicht worden ist. Beide Werke 
erhielten Gesetzeskraft vom 30. Dez. 553 ab. 
Sodann wurde der Codex lustinianus umge- 
arbeitet und ergänzt und als Codex lustinianus 
am 16. Nov. 534 mit Gesetzeskraft vom 29. Dez. 
veröffentlicht. In ihm hatte sich Justinian vor- 
behalten, seine weiter ergehenden Konstitutionen 
in ein neues Gesetzbuch zusammenzufassen. Solche 
neue Gesetze (novellae leges) sind auch seit dem 
1. Jan. 535 zahlreich ergangen, sie sind uns aber 
nur in Privatsammlungen erhalten. Der Inhalt 
der justinianischen Gesetzgebung bildete den Inhalt 
des gemeinen Rechts in Deutschland. Die Be- 
zeichnung ihrer Sammlung als Corpus iuris 
civilis gehört dem 16. Jahrh. an. Das römische 
Recht ist ununterbrochen Gegenstand des Unter- 
richts und der wissenschaftlichen Behandlung ge- 
blieben, insbesondere in Frankreich und Italien. 
Am Ende des 11. Jahrh. beginnt in Bologna die 
Tätigkeit der Glossatoren (von glossa). Begründer 
der Glossatorenschule ist Irnerius (1 1140); sie 
fand ihren Abschluß mit der von Accursius (1182 
bis 1260) verfaßten großen Glosse (glossa ordi- 
naria), die an Stelle der justinianischen Samm-
	        
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