Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Rechtsanwaltschaft — Rechtsmittel. 
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Menschen gegeben nicht als ein Sollen, sondern ruhigen, wie die Tausende von unwidersprochenen 
als ein Können, selbst auf die Gefahr hin eines Zahlungsbefehlen alljährlich beweisen. Es wäre 
möglichen Mißbrauchs. Der freie Gebrauch oder also ein ungerechtfertigter, vom Publikum selbst 
Nichtgebrauch des Rechts untersteht selbstverständ= als lästig empfundener Aufwand an Zeit und 
lich mit all seinen Umständen dem Sittengesetz 
und soll nach der Absicht des Gebers stets ein 
Kosten (Beamtenpersonal), wenn stets eine wieder- 
holte Untersuchung stattfinden müßte; aber auf 
vernünftiger sein. Dafür ist daher der Träger ihren Antrag muß durch Rechtsmittel die Möglich- 
des Rechts in jedem einzelnen Fall dem höchsten 
Gesetzgeber verantwortlich. Unter Menschen kann 
es aber immerhin geschehen, daß eine Handlung 
sich auf ein wirkliches Recht stützt und sich ganz 
innerhalb der strengen Grenzen desselben bewegt, 
anderseits aber gleichwohl durchaus verwerflich ist. 
Sie kann z. B., ohne objektiv ungerecht zu werden, 
unter Umständen doch eine empörende Verletzung 
der schuldigen Liebe sein. Das Recht an sich, das 
hier zur Verwendung kommt, bleibt offenbar un- 
berührt; der vernunftwidrige Gebrauch aber fällt 
ganz dem Träger des Rechts zur Last. — Lite- 
ratur s. unter Naturrecht und Rechtsphilosophie 
(Bd III, Sp. 1292 ff). Man vgl. ferner noch 
Führich, Rechtssubjekt und Kirchenrecht. I. Tl: 
Was ist Recht? (1908). 
ITh. Meyer S. J., rev. Cathrein 8. J.) 
Rechtsanwaltschaft s. Advokatur. 
Rechtsmittel. (Übersicht. Ausgestaltung 
im Zivilprozeß, als Ausgangspunkt. Rechtsmittel 
im Strafverfahren. Rechtsmittel im Verwaltungs- 
recht. Rechtsmittel im Kirchenrecht.) 
1. Ubersicht. Rechtsmittel sind Hilfsmittel, 
welche das Recht zur Beseitigung einer ihr benach- 
teiligenden Verfügung einer Behörde dem Ver- 
letzten gewährt. Der Begriff hat sich im Prozeß- 
verfahren entwickelt und ist von diesem aus in dem 
kanonischen Recht auf das Disziplinarverfahren 
sowie in dem öffentlichen Recht auf das Beschluß- 
und Streitverfahren übertragen worden. Mangels 
eines Instanzenzugs waren dem älteren römischen 
und dem germanischen Recht Rechtsmittel unbe- 
kannt; die dem germanischen Recht bekannte 
Urteilsschelte bezweckte nicht die Nachprüfung, 
sondern die Verhinderung des Urteils. Im Pro- 
zeß der römischen Kaiserzeit bildete sich die 
Appellation gegen die Endurteile aus, die vom 
romanisch-kanonischen Prozeß auf alle richterlichen 
Verfügungen ausgedehnt und erst später wieder auf 
die Endurteile sowie die der Rechtskraft fähigen 
Zwischenurteile eingeschränkt worden ist. Im 
gemeinen Prozeß entwickelte sich eine Mehrheit 
von Rechtemitteln, die nach ihrer Voraussetzung 
und nach ihrer Richtung verschieden waren. Für 
die richtige Beurteilung des Rechtsmittelsystems 
ist die Beantwortung der Frage entscheidend, ob 
das Urteil unter allen Umständen dem materiellen 
Recht entsprechen muß, oder ob es für das Ge- 
meinwohl genügt, daß nach einer mehr oder 
weniger eingehenden Verhandlung der Streitpunkt 
überhaupt in einer die Parteien bindenden Weise 
entschieden wird. In vielen Fällen werden sich 
ja die Parteien sogar ohne kontradiktorische Er- 
örterung bei dem ersten behördlichen Ausspruch be- 
  
keit zu einer nochmaligen Verhandlung und Be- 
weiserhebung eröffnet werden. 
Rechtsmittel und Rechtskraft sind korrelate Be- 
griffe: eine Entscheidung ist soweit rechtskräftig, 
als sie nicht durch (ordentliche) Rechtsmittel ange- 
fochten werden kann, und umgekehrt. Für die 
prozeßpolitische Konstruktion der Rechtsmittel 
eignet sich daher die Tragweite der Rechtskraft als 
Ausgangspunkt. Man unterscheidet formelle und 
materielle Rechtskraft; erstere bedeutet die Unan= 
fechtbarkeit der Entscheidung von seiten der Par- 
teien (externe) oder von seiten des Gerichts bzw. 
des Staats (interne Rechtskraft), während man 
unter materieller Rechtskraft einer Entscheidung 
deren Einfluß auf den streitigen Anspruch versteht, 
insofern die Entscheidung nunmehr bald nur 
unter den ursprünglichen Parteien (relative), bald 
gegenüber allen Staatsangehörigen (absolute 
Rechtskraft) als formelle Wahrheit gilt, nicht in 
dem Sinn, als ob nun konstitutiv eine neue Rechts- 
grundlage, ein neuer Anspruch geschaffen wäre, 
ondern im deklarativen Sinn, wonach der ur- 
sprüngliche Anspruch nun rückwirkend als so be- 
chaffen gilt, wie es das Urteil ausspricht. Diese 
materielle Rechtskraft äußert sich in doppelter 
Richtung: positiv, indem der zuerkannte Anspruch 
nicht mehr bestritten werden kann, und negativ, 
indem die neuerliche Geltendmachung des einmal 
aberkannten Anspruchs ausgeschlossen ist (ne bis 
in idem). Im Anschluß an die eigenartige 
römische Rechtsentwicklung bedarf es auch nach 
heutigem gemeinen Recht der exceptio rei iudi- 
catae, b. h. der ausdrücklichen Berufung auf das 
frühere Urteil, damit der Richter diese Wirkungen 
der Rechtskraft im späteren Prozeß berücksichtigen 
darf, während die staatsrechtliche Autorität eines 
Richterspruchs doch erheischt, daß von Amts wegen 
(ipso iure) die nochmalige Erörterung eines rechts- 
kräftig entschiedenen Streits abgelehnt werde. Je 
nachdem nun die Wirkung der Rechtskraft in 
diesen Richtungen positiv ausgestaltet wird, muß 
auch die Befugnis, dieser Wirkung durch Rechts- 
mittel vorzubeugen, in weiteren oder engeren 
Grenzen gegeben werden. Hieraus folgt z. B., daß 
(entsprechend dem geringen Staatsinteresse) die 
zivilrechtlichen Urteile nur unter den ursprünglichen 
Prozeßparteien und deren Rechtsfolgern wirken, 
also auch nur von diesen durch Rechtsmittel an- 
gefochten werden können, während bei solchen 
öffentlich-rechtlichen (verwaltungsrechtlichen) Ent- 
scheidungen, welche naturgemäß für einen größeren 
Personenkreis maßgebend sein sollen (z. B. die 
Wegbaupflicht einer Gemeinde, das Wasser- 
benutzungsrecht sämtlicher Angrenzer), Vorsorge 
 
	        
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