Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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gentschaft oder Regierungs- oder Reichs- 
verwesung; sie ist Ausübung der Staats- 
gewalt, nicht die Staatsgewalt selbst. Der Regent 
ist nicht Herrscher, er hat die persönlichen Rechte, 
welche dem Herrscher zukommen, nur insoweit, 
als das Gesetz sie ihm ausdrücklich zubilligt. Die 
Regentschaft bezieht sich aber nicht auf besondere 
Hohiterecht, sondern auf die Staatshoheit als 
anzes. 
1. Regentschaft und Vormundschaft. 
Die Regentschaft ist keine Vormundschaft über das 
Staatshaupt; die Regentschaft ist von dem Ver- 
fassungsrecht der meisten Staaten als ein beson- 
deres, neben der privatrechtlichen Vormundschaft 
bestehendes öffentlich-rechtliches Institut anerkannt, 
zu deren Ausübung deshalb nicht ohne weiteres 
der zivilrechtliche Vormund berufen ist. Ausdrück- 
lich geregelt ist das Rechtsinstitut der Regentschaft 
der deutschen Staaten vom Verfassungsrecht von 
Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Mei- 
ningen, Altenburg, Coburg-Gotha, Sonders- 
hausen, Reuß ä. L. und Reuß j. L., Schaumburg- 
Lippe und Waldeck. Auch in Baden wird die Re- 
gentschaft als besonderes öffentlich-rechtliches In- 
stitut angesehen, wenn auch keine Vorschriften da- 
für vorhanden sind. 
In einigen Staaten bestimmen Verfassungs- 
gesetze, daß der Vormund für einen minderjährigen 
Monarchen zugleich Regent oder der Regent zu- 
gleich Vormund sein soll. Ersteres ordnet z. B. 
das Staatsgrundgesetz von Reuß j. L. § 9 hin- 
sichtlich jeder Regentschaft an. Letzteres bestimmt 
die coburg-gothaische Gesetzgebung (Verf. § 14 
und Zusatzgesetz hierzu vom 15. Juli 1899 
Art. 2) für die Minderjährigkeitsregentschaft. Die- 
selbe Anordnung trifft das sachen-meiningensche 
Verfassungsgesetz vom 9. März 1896 Art. 7. — 
Gerade umgekehrt bestimmen andere Rechte: der 
Regierungsverweser darf nicht zugleich Vormund 
des Fürsten sein, so z. B. die oldenburgische Ver- 
fassung Art. 27; ebenso das Waldecksche Haus- 
gesetz § 13. 
Die Regel ist, daß der Regent zugleich Vor- 
mund sein kann, aber nicht sein muß. Das Wei- 
tere s. unten. 
2. Voraussetzungen und Arten der 
Regentschaft. Die Fälle der Regentschaft haben 
sich allmählich herausgebildet mit der Erblichkeit der 
Herrschergewalt und mit der Unterscheidung zwi- 
schen Thronfähigkeit und Regierungsfähigkeit. Am 
frühesten ließ man trotz seiner Regierungsunfähig- 
keit den minderjährigen Nachfolger auf den Thron 
gelangen, wie man ja auch beim Monarchen und 
Thronfolger einen früheren Termin der Voll- 
jährigkeit zur Geltung brachte; die vormund- 
schaftliche Regierung hatte neben der Sorge für 
die Person des Landesherrn auch die Sorge für 
dessen Geschäfte, mithin namentlich für die Re- 
gierung des Landes wahrzunehmen. Wir haben 
nunmehr eine ordentliche Regentschaft im Fall 
der Minderjährigkeit des Herrschers und eine 
Regentschaft. 
  
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außerordentliche im Fall der Regierungs- 
unfähigkeit des Monarchen infolge körperlicher oder 
geistiger Gebrechen oder im Fall der Regierungs- 
behinderung infolge von Kriegsgefangenschaft zu 
unterscheiden. Wir befassen uns zunächst mit der 
ordentlichen, bei Minderjährigkeit des Herr- 
schers eintretenden Regentschaft. Der Begriff eines 
unmündigen Königs war in der fränkischen Zeit 
rechtlich nicht vorhanden, also gab es eine Regie- 
rungsvormundschaft oder Regentschaft rechtlich da- 
mals nicht, nur tatsächlich überließ der jugendliche 
König seinem nächsten Verwandten oder der Mutter 
oder einem der Großen des Reichs, unter den spä- 
teren Merowingern aber dem Hausmeier die Füh- 
rung der Regierungsgeschäfte. Die persönliche 
Übernahme der Regierung pflegte dann mit dem 
Eintritt der Wehrhaftmachung zu erfolgen. Erst 
Ludwig der Fromme hat für seine Enkel eine wahre 
Regierungsvormundschaft, die nach ribuarischem 
Recht mit dem 15. Lebensjahr endigen sollte, an- 
geordnet. — In der neueren Zeit haben die Ver- 
fassungen der Staaten und die fürstlichen Haus- 
gesetze die Regentschaft und Vormundschaft für den 
minderjährigen Herrscher vorgesehen, und zwar 
wird der Herrscher nach den verfassungs= oder 
hausgesetzlichen Bestimmungen in den meisten 
Staaten mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs 
volljährig, mit dem vollendeten 19. Lebensjahr in 
Mecklenburg, in einigen deutschen Staaten erst 
mit dem vollendeten 21. Lebensjahr, so in Sachsen- 
Meiningen, Coburg-Gotha, Anhalt, Reuß ä. L. 
und j. L., Schaumburg-Lippe und Waldeck. Die 
ordentliche Regentschaft hat auch dann einzutreten, 
wenn der verstorbene Monarch eine schwangere 
Witwe hinterlassen hat, durch deren Niederkunft 
erst die auf den Thron gelangende Person bezeichnet 
wird (Regentschaft ventris nomine). Derselbe 
Fall liegt vor, wenn die Witwe des ohne männ- 
liche Deszendenz vor dem letzten Throninhaber 
verstorbenen nächstberufenen Agnaten beim Tod 
des letzten Throninhabers sich in schwangerem Zu- 
stand befindet. Wenn also ein Ungeborner, der 
bei allen rechtlichen Vorteilen, welche ihm zu- 
statten kommen können, dem Gebornen gleich- 
gehalten wird, der Nächstberechtigte oder gar der 
noch einzig mögliche vom Mannesstamm wäre, 
so würde der Thron vorläufig offen behalten wer- 
den, es tritt dann der Fall des Interregnums, 
der Zwischenherrschaft, ein. Obgleich nun 
die Verfassungen hierüber keine Bestimmungen 
enthalten, so nehmen doch die meisten Schrift- 
steller an, daß eine Regentschaft vorläufig ein- 
zutreten habe. Käme der Ungeborne dann nicht 
lebendig zur Welt oder wäre derselbe weiblichen 
Geschlechts, so würde der Regierungsantritt des 
jetzt zunächst Berechtigten bis zum Tod des Vor- 
gängers zurückgerechnet werden müssen. (Vgl. 
hierzu v. Rönne, Das Staatsr. der preuß. Mon- 
archie [2 1899 von Zorn] 1 224 und v. Seydel, 
Das Staatsr. des Königreichs Bayern (71903 
von Graßmann)34.) Triepel (Das Interregnum, 
 
	        
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