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gentschaft oder Regierungs- oder Reichs-
verwesung; sie ist Ausübung der Staats-
gewalt, nicht die Staatsgewalt selbst. Der Regent
ist nicht Herrscher, er hat die persönlichen Rechte,
welche dem Herrscher zukommen, nur insoweit,
als das Gesetz sie ihm ausdrücklich zubilligt. Die
Regentschaft bezieht sich aber nicht auf besondere
Hohiterecht, sondern auf die Staatshoheit als
anzes.
1. Regentschaft und Vormundschaft.
Die Regentschaft ist keine Vormundschaft über das
Staatshaupt; die Regentschaft ist von dem Ver-
fassungsrecht der meisten Staaten als ein beson-
deres, neben der privatrechtlichen Vormundschaft
bestehendes öffentlich-rechtliches Institut anerkannt,
zu deren Ausübung deshalb nicht ohne weiteres
der zivilrechtliche Vormund berufen ist. Ausdrück-
lich geregelt ist das Rechtsinstitut der Regentschaft
der deutschen Staaten vom Verfassungsrecht von
Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Mei-
ningen, Altenburg, Coburg-Gotha, Sonders-
hausen, Reuß ä. L. und Reuß j. L., Schaumburg-
Lippe und Waldeck. Auch in Baden wird die Re-
gentschaft als besonderes öffentlich-rechtliches In-
stitut angesehen, wenn auch keine Vorschriften da-
für vorhanden sind.
In einigen Staaten bestimmen Verfassungs-
gesetze, daß der Vormund für einen minderjährigen
Monarchen zugleich Regent oder der Regent zu-
gleich Vormund sein soll. Ersteres ordnet z. B.
das Staatsgrundgesetz von Reuß j. L. § 9 hin-
sichtlich jeder Regentschaft an. Letzteres bestimmt
die coburg-gothaische Gesetzgebung (Verf. § 14
und Zusatzgesetz hierzu vom 15. Juli 1899
Art. 2) für die Minderjährigkeitsregentschaft. Die-
selbe Anordnung trifft das sachen-meiningensche
Verfassungsgesetz vom 9. März 1896 Art. 7. —
Gerade umgekehrt bestimmen andere Rechte: der
Regierungsverweser darf nicht zugleich Vormund
des Fürsten sein, so z. B. die oldenburgische Ver-
fassung Art. 27; ebenso das Waldecksche Haus-
gesetz § 13.
Die Regel ist, daß der Regent zugleich Vor-
mund sein kann, aber nicht sein muß. Das Wei-
tere s. unten.
2. Voraussetzungen und Arten der
Regentschaft. Die Fälle der Regentschaft haben
sich allmählich herausgebildet mit der Erblichkeit der
Herrschergewalt und mit der Unterscheidung zwi-
schen Thronfähigkeit und Regierungsfähigkeit. Am
frühesten ließ man trotz seiner Regierungsunfähig-
keit den minderjährigen Nachfolger auf den Thron
gelangen, wie man ja auch beim Monarchen und
Thronfolger einen früheren Termin der Voll-
jährigkeit zur Geltung brachte; die vormund-
schaftliche Regierung hatte neben der Sorge für
die Person des Landesherrn auch die Sorge für
dessen Geschäfte, mithin namentlich für die Re-
gierung des Landes wahrzunehmen. Wir haben
nunmehr eine ordentliche Regentschaft im Fall
der Minderjährigkeit des Herrschers und eine
Regentschaft.
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außerordentliche im Fall der Regierungs-
unfähigkeit des Monarchen infolge körperlicher oder
geistiger Gebrechen oder im Fall der Regierungs-
behinderung infolge von Kriegsgefangenschaft zu
unterscheiden. Wir befassen uns zunächst mit der
ordentlichen, bei Minderjährigkeit des Herr-
schers eintretenden Regentschaft. Der Begriff eines
unmündigen Königs war in der fränkischen Zeit
rechtlich nicht vorhanden, also gab es eine Regie-
rungsvormundschaft oder Regentschaft rechtlich da-
mals nicht, nur tatsächlich überließ der jugendliche
König seinem nächsten Verwandten oder der Mutter
oder einem der Großen des Reichs, unter den spä-
teren Merowingern aber dem Hausmeier die Füh-
rung der Regierungsgeschäfte. Die persönliche
Übernahme der Regierung pflegte dann mit dem
Eintritt der Wehrhaftmachung zu erfolgen. Erst
Ludwig der Fromme hat für seine Enkel eine wahre
Regierungsvormundschaft, die nach ribuarischem
Recht mit dem 15. Lebensjahr endigen sollte, an-
geordnet. — In der neueren Zeit haben die Ver-
fassungen der Staaten und die fürstlichen Haus-
gesetze die Regentschaft und Vormundschaft für den
minderjährigen Herrscher vorgesehen, und zwar
wird der Herrscher nach den verfassungs= oder
hausgesetzlichen Bestimmungen in den meisten
Staaten mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs
volljährig, mit dem vollendeten 19. Lebensjahr in
Mecklenburg, in einigen deutschen Staaten erst
mit dem vollendeten 21. Lebensjahr, so in Sachsen-
Meiningen, Coburg-Gotha, Anhalt, Reuß ä. L.
und j. L., Schaumburg-Lippe und Waldeck. Die
ordentliche Regentschaft hat auch dann einzutreten,
wenn der verstorbene Monarch eine schwangere
Witwe hinterlassen hat, durch deren Niederkunft
erst die auf den Thron gelangende Person bezeichnet
wird (Regentschaft ventris nomine). Derselbe
Fall liegt vor, wenn die Witwe des ohne männ-
liche Deszendenz vor dem letzten Throninhaber
verstorbenen nächstberufenen Agnaten beim Tod
des letzten Throninhabers sich in schwangerem Zu-
stand befindet. Wenn also ein Ungeborner, der
bei allen rechtlichen Vorteilen, welche ihm zu-
statten kommen können, dem Gebornen gleich-
gehalten wird, der Nächstberechtigte oder gar der
noch einzig mögliche vom Mannesstamm wäre,
so würde der Thron vorläufig offen behalten wer-
den, es tritt dann der Fall des Interregnums,
der Zwischenherrschaft, ein. Obgleich nun
die Verfassungen hierüber keine Bestimmungen
enthalten, so nehmen doch die meisten Schrift-
steller an, daß eine Regentschaft vorläufig ein-
zutreten habe. Käme der Ungeborne dann nicht
lebendig zur Welt oder wäre derselbe weiblichen
Geschlechts, so würde der Regierungsantritt des
jetzt zunächst Berechtigten bis zum Tod des Vor-
gängers zurückgerechnet werden müssen. (Vgl.
hierzu v. Rönne, Das Staatsr. der preuß. Mon-
archie [2 1899 von Zorn] 1 224 und v. Seydel,
Das Staatsr. des Königreichs Bayern (71903
von Graßmann)34.) Triepel (Das Interregnum,