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rungshandlungen des Regenten sind Regierungs-
handlungen des Monarchen. Der Herrscher steht,
zur Selbstregierung gelangt, denselben so gegen-
über, wie wenn er selbst sie vorgenommen hätte.
Die Stellung des Regenten ist dem Willen des
Herrschers gegenüber eine selbständige; sie beruht
stets auf Gesetz, sei es auf Verfassungsrecht, sei es
auf dem vom Vorgänger erlassenen Sondergesetz.
Die Stellung des Regenten ist nun besonders in
Bezug auf die Verantwortlichkeitsfrage
viel umstritten. Wir haben bereits bemerkt, daß
die Beurteilung dieser Frage von der Rechtsstel-
lung des Regenten abhängig ist und haben dort
diese Stellung als Ausübung der Staatsgewalt
für den regierungsbehinderten Herrscher bezeichnet,
wobei der Regent Untertan bleibe. Nun erklären
die einen Staatsrechtslehrer und -schriftsteller den
Regenten überhaupt für unverantwortlich, und
zwar politisch wie strafrechtlich, so v. Kirchen-
heim (Die Regentschaft /1880) 105). Pieper
(Die Unverantwortlichkeit des Regenten, 1901)
erklärt den Regenten für alle Handlungen als
unverantwortlich auch nach Ablauf der Regent-
schaft in dem Sinn, daß die Tatsache, daß der
Regent dann zwar wieder Untertan sei, doch nicht
rückwärts wirke. Graßmann (Das Recht der
Regentschaft in Preußen u. im Deutschen Reich,
im Archiv für öffentl. Recht VI (1891) 524 ff)
stellt politisch wie strafrechtlich den Regenten dem
Monarchen gleich. Zum gleichen Schluß kommen
Hancke (Regentschaft u. Stellvertretung des Lan-
desherrn nach deutschem Staatsrecht /18877 55)
und Peters (Regentschaft u. Regierungsstellvertre-
tung der deutschen Landesherren (18891 58 ff). —
Auf der andern Seite sprechen sich eine Reihe von
Schriftstellern prinzipiell für die Verantwortlich-
keit des Regenten aus, und zwar hält G. Meyer
(Deutsches Staatsrecht 252) eine Verantwortlich-
keit des Regenten in Regierungsangelegenheiten
für ausgeschlossen; wegen privat begangener Ver-
brechen könne eine Anklage gegen ihn erst nach
Ablauf der Regentschaft erhoben werden. Den-
selben Standpunkt vertritt v. Sarwey (Das Staats-
recht des Königr. Württemberg 1 [1883) 366).
M. v. Seydel (Bayr. Staatsr. 1 491) hält eine Ver-
antwortlichkeit des Regenten grundsätzlich für mög-
lich, indes könne eine öffentlich-rechtliche Verant-
wortung für Regentenhandlungen, abgesehen von
der strafrechtlichen Verantwortung, nicht geltend
gemacht werden; denn der Regent ist nicht Staats-
beamter, unterliegt also nicht dem Beamten-
disziplinarrecht noch den Bestimmungen über
Ministerverantwortlichkeit, und andere Bestim-
mungen sind nicht aufgestellt. H. v. Frisch (Die
Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten
Magistrate, 1904) faßt das Ergebnis seiner
Untersuchungen über dieses Kapitel dahin zu-
sammen: der Regent repräsentiert den Monarchen,
sein Wille ist als Monarchenwille anzusehen (Jel-
linek, System der subjektiven öffentl. Rechte 146).
Durch die Ministerverantwortlichkeit ist die Mög-
Regentschaft.
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lichkeit gegeben, schon während der Regentschaft
gesetzwidrige Regierungshandlungen zu ahnden;
weitere Maßregeln sind sinnlos, dagegen besteht
die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Regenten,
die aber erst nach Ablauf der Regentschaft geltend
gemacht werden kann. Die Verfassungen der
meisten deutschen Staaten enthalten über diese
Materie keine Bestimmungen. Nur die von
Sachsen-Coburg-Gotha sagt in § 21 ausdrücklich:
„Die Person des Herzogs ist unverletzlich; für
seine Regierungshandlungen ist er keiner äußern
Verantwortung im Land unterworfen. Dieselben
Bestimmungen gelten in Beziehung auf Regie-
rungsverweser.“ Üüber strafrechtliche Verantwor-
tung ist nichts gesagt. — Den Umfang der
sachlichen Befugnisse des Regenten
regeln die verschiedenen Verfassungen verschieden.
Im allgemeinen gelten für die Ausübung der
Regierungsgewalt durch den Regenten selbstver-
ständlich dieselben Schranken wie für den Mon-
archen. In Preußen hat die Verfassung keine
weiteren Schranken gezogen. So sind also hier
während der Regentschaft selbst Verfassungsände-
rungen nicht ausgeschlossen (so v. Rönne a. a. O.
239). In Bayern legt dagegen die Verfassungs-
urkunde Tit. II, § 18 dem Regenten mehrere Be-
schränkungen seiner Regierungsbefugnisse auf.
v. Seydel beantwortet die Frage, ob es während
der Regentschaft möglich ist, die Verfassung selbst
zu ändern und damit diese Beschränkungen zu be-
seitigen, in bejahendem Sinn, da die Staats-
gewalt doch zu keiner Zeit der Möglichkeit beraubt
sein dürfe, im Interesse des Staats das bestehende
Recht zu ändern. Die bayrische Verfassung be-
stimmt des weiteren, daß während der Reichs-
verwesung alle erledigten Amter, mit Ausnahme
der Justizstellen, nur provisorisch besetzt werden
können; daß ferner weder Krongüter vom Regenten
veräußert noch heimgefallene Lehen verliehen noch
neue Amter eingeführt werden dürfen. Indes hat
das Gesetz vom 27. Okt. 1887 auch diese Be-
schränkungen modifiziert.— Der Regent muß ferner
in allen wichtigen Regierungsangelegenheiten das
Gutachten des Regentschaftsrat einholen.
Regentschaftsrat ist das Gesamtministerium. Eben-
so steht in Sachsen dem Regenten ein Regent-
schaftsrat, der vom Gesamtministerium gebildet
wird, zur Seite. Der Regent ist verpflichtet,
dessen Gutachten in allen wichtigen Angelegen-
heiten einzuholen. Verfassungändernde Ge-
setze kann der Regierungsverweser nur erlassen auf
ständische Initiative; ferner ist zuvor der Fa-
milienrat des königlichen Hauses zu berufen und
dessen Zustimmung einzuholen. Die gleiche Be-
dingung stellt auch die oldenburgische Ver-
sassung auf. Ebenso ist in Württemberg der
Regenk oder Reichsverweser in einigen Beziehungen
beschränkt: So gilt jede während einer Reichs-
verwesung verabschiedete Abänderung eines Ver-
fassungspunktes nur auf die Dauer der Regent-
schaft; ferner kann der Regent keine Standes-