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Regierung — Reichensperger, August.
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erhöhungen vornehmen usw. Ahnliche Beschrän= vertretung des vorübergehend an der Regierung
kungen wie die oben mitgeteilten sehen die Ver= verhinderten Fürsten, in Deutsche Vierteljahrs-
fassungen einiger deutscher Kleinstaaten vor, so ist schrift (1864) 2. Hft, 2. Abt.; Oppenheim, Staats-
in Schwarzburg-Sondershausen eine
Anderung der Verfassung während der Regent-
schaft ausgeschlossen.
Die persönlichen Ehrenrechte des Lan-
desherrn kommen dem Regenten oder Reichs-
verweser nicht zu (was sich im Hofzeremoniell
nicht selten peinlich bemerkbar macht). Der Regent
hat als solcher Anspruch auf Wohnung in der
Residenz des Monarchen und das Recht der Hof-
haltung, deren Kosten aus der Zivilliste des Mon-
archen bestritten werden. — Den besondern straf-
Regent nicht. Seine Person ist nicht „heilig und
unverletzlich“; es gibt keinen Hochverrat gegen den
Regenten. Das Reichsstrafgesetzbuch setzt hier in
den §§ 96, 97, 100 und 101 den Regenten den
Mitgliedern des landesherrlichen Hauses gleich.
— Da der Regent zugleich Haupt der lan-
desherrlichen Familie an Stelle des be-
hinderten Landesherrn ist, so steht ihm als solchem
die Hausgewalt zu, wie sie dem Monarchen
zustände. Im einzelnen weichen die Hausgesetze
bzw. die Bestimmungen der Verfassungen der ein-
zelnen Staaten in Bezug auf Erziehung und Vor-
mundschaft des minderjährigen Landesherrn von-
einander ab, insofern hier Zuständigkeiten der
Mutter oder väterlichen Großmutter und eine be-
schließende Mitwirkung des Regentschaftsrats in
Betracht kommen.
An dieser Stelle ist auch das merkwürdige In-
stitut der Mitregentschaft zu berühren. Es
ist in keiner Verfassung erwähnt, aber praktisch
schon in Tätigkeit gewesen, so in Sachsen, wo
König Anton unterm 13. Sept. 1830 seinen
Neffen Friedrich August zum Mitregenten er-
nannte. Ein Recht auf Mitregentschaft besteht
nicht, vielmehr ist dies nur eine Form, die der
König sich selbst auferlegte, an die er aber in keiner
Weise rechtlich gebunden war. Er konnte jeden
Augenblick sich wieder davon lossagen und allein
verfügen. Eine dauernde Ubertragung der Mit-
regentschaft ist nach den meisten Verfassungen bzw.
den Bestimmungen über die Erbfolge ausgeschlossen.
Einzelne Verfassungen außerdeutscher
Staaten kennen das Institut der Regentschaft
nicht, so Osterreich und Ungarn; die habs-
burgischen Hausgesetze vom 3. Febr. 1839 sind
nicht publiziert, so herrscht in beiden Reichen Un-
klarheit über die Regentschaft und Regierungs-
stellvertretung. In England wird die Regent-
schaft jeweils von Fall zu Fall durch ein Gesetz,
die Regentschaftsakte, geregelt.
Literatur. Siehe die von mir am Schluß des Art.
„Notrecht“ (Bd III, Sp. 1390 f) angeführten Hand-
u. Lehrbücher des deutschen Staatsrechts u. des
Staatsrechts der deutschen Einzelstaaten wie auch
des Staatsrechts außerdeutscher Staaten. — Einzel-
rechtliche Betrachtungen über Regierungsfähigkeit
u. N., in Konstitutionelle Jahrbücher, hrsg. von
K. Weil II (1843); v. Kirchenheim, Die R. (1880);
Hancke, R. u. Stellvertretung des Landesherrn nach
deutschem Staatsrecht (1887); Dieckmann, Die R.
u. Stellvertretung des Monarchen im deutschen
Staatsrecht (1888); Peters, Die N. u. Regierungs-
stellvertretung der deutschen Landesherren (1889);
Graßmann, Das Recht der R. in Preußen u. im
Deutschen Reich, in Archiv für öffentliches Recht
VI (1891) 524 ff; Triepel, Das Interregnum
(1892); Stölzle, Die rechtliche Verantwortlichkeit
des Regenten u. Regierungsstellvertreters ch
rechtlichen Schutz des Herrschers genießt der egikrunge! reters nach
deutschem Staatsrecht (1894); Stange, Beiträge
zur Lehre von der R. u. Regierungsstellvertretung
nach preuß. Staatsrecht (1895); Zeunert, R. u.
Vertretung des Staatsoberhaupts, in Annalen des
Deutschen Reichs (1900); Baerensprung, Die Un-
verantwortlichkeit des Regenten (1901); Pieper,
Die Unverantwortlichkeit des Regenten (RNost.
Jurist. Dissert., 1900); v. Frisch, Die Verantwort-
lichkeit der Monarchen u. höchsten Magistrate
(1904); Rehm, Modernes Fürstenrecht (1904).
[E. Baumgartner.]
Regierung s. Staat, Staatsverwaltung.
Regierungsnachfolge s. Thronfolge.
Registratur s. Archiv.
Rehabilitation s. Staatsbürgerrecht.
Reichensperger, August, Appellations-
gerichtsrat, Parlamentarier und Schriststeller.
II. Lehr= und Wanderjahre; II. Sinnesände-
rung; öffentliches Wirken bis zum Jahr 1870;
III. des Greisen Arbeit; IV. Schluß.)
I. August Reichensperger wurde (der zweite
unter vier Geschwistern) am 22. März 1808 zu
Koblenz als Sohn des Generalfekretärs an der
Präfektur des Rhein= und Moseldepartements,
Franz Joseph Reichensperger, und der Margarete
Knoodt geboren. Nach dem frühzeitigen Tod des
Vaters siedelte die Mutter zu ihren Eltern nach
Boppard über, wo sie die Erziehung der Kinder
leitete. 1823 kam August von dem Bopparder
Gymnasium auf dasjenige zu Köln. Hier er-
wachte sein Interesse für den Dom und die Ro-
mantik; doch vernachlässigte er die Studien derart,
daß Pastor Ditges seiner Mutter schrieb, „sie solle
ihn holen und zu einem Handwerker bringen, es
würde doch nichts aus ihm“. Nach Beendigung
der nunmehr auf dem Gymnasium zu Bonn fort-
gesetzten Studien im Frühjahr 1827 besuchte er
zunächst die dortige Hochschule, wo er, wie dem-
nächst in Heidelberg und Berlin, der Rechtswissen-
chaft oblag. Daneben beschäftigte er sich stark
mit Literatur (Jean Paul, Byron usw.), auch trat
seine Vorliebe für kunstgeschichtliche Wanderungen
bald hervor (Schweiz, München). Religiös gleich-
gültig, trug er von einem Duell zu Bonn eine
—
schwere Schulterwunde davon; doch bewahrte ihn
ein reiner Sinn, wie zeitlebens, so während der
darstellungen über R.: v. Mittnacht, über Stell- 1 Studienjahre vor sittlichen Verirrungen. Eine