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Führerschaft ergriffen, wurde Peter Reichens-
perger bei den großen Anlässen meist als erster
Redner ins Treffen geschickt. So eindringlich
seine Beweisführung war, zu unedler Heftigkeit
ließ er sich nie hinreißen. Davor bewahrte ihn
seine wahrhaft vornehme Bildung und Gesinnung.
Liberale Blätter rühmten ihm nach, daß er sich in
den langen Jahren parlamentarischen Wirkens
wohl nie einen Ordnungsruf zugezogen habe.
45 Jahre lang war er Führer und Fahne der
preußischen und deutschen Katholiken, soweit sie
politisch geeinigt waren. Freiheit und Recht waren
ihm keine leeren Schlagworte, sondern hohe Ideale,
für welche er mit unbeugsamer Entschlossenheit
und reicher Begabung sein Leben lang zum Wohl
des deutschen Vaterlands eintrat, wie sein Bruder
August. So mischt sich mit den Gefühlen der
Bewunderung dasjenige schmerzlichen Beoauerns
darüber, daß man die ausgezeichneten Kräfte an
Geist und Tatkraft dieser wie vieler andern
Männer zeitweilig gewaltsam in die Opposition
hineingedrängt hat, anstatt sie im friedlichen
Wettstreit mit den Volksgenossen der andern
kimnelfonen zum Heil Deutschlands wirken zu
assen.
Literatur. Eine Biographie Peter R.3 existiert
nicht. Vgl. die Lit. zu August R., ferner Pfülf,
v. Mallinckrodt (21901); Hüsgen, L. Windthorst
(1907); R. v. Mohl, Lebenserinnerungen 2. 178,
sowie die Nekrologe der Presse vom Jan. 1893.
Wenig bei v. Poschinger, Fürst Bismarck u. die
Parlamentarier (3 Bde, 1894/96). Görres.)
Reichsbank. I[Organisation; Aufgaben;
Geschichte; Privatnotenbanken; Wirtschaftliche
Bedeutung; Diskontpolitik.)
Die Deutsche Reichsbank ist eine mit Privat-
kapital errichtete Aktiengesellschaft, welche unter
der Aussicht des Reichs steht,, seitens desselben be-
sondere Privilegien genießt und ihm gegenüber
auch besondere Verpflichtungen zu erfüllen hat.
Die Organisation der Reichsbank ist
die folgende: An der Spitze steht der Reichsbank-
präsident und ein Direktorium von mehreren Mit-
gliedern, welche vom Kaiser auf Vorschlag des
Bundesrats ernannt werden. Außerdem besteht
ein Kuratorium von 5 Mitgliedern, welches sich
aus dem Reichskanzler und 4 weiteren Mitgliedern
zusammensetzt, von denen eines der Kaiser, die
andern 3 der Bundesrat ernennt. Diese üben die
dem Reich zustehende Aussicht über die Geschäfts-
führung aus. Die Aktionäre (Anteilseigner) üben
ihre Rechte außer in den Generalversammlungen
noch durch einen aus 15 Mitgliedern und 15 Stell-
vertretern bestehenden, aus ihrer Mitte gewähl-
ten Zentralausschuß aus, der in regelmäßigen
Sitzungen Kenntnis vom Geschäftsgang der Bank
nimmt und einen begutachtenden Einfluß auf die
geschäftlichen Maßnahmen des Direktoriums aus-
übt. Der Sitz der Reichsbank ist in Berlin, sie
hat jedoch Zweiganstalten (Reichsbankstellen) in
allen größeren Städten Deutschlands und außer-
Reichsbank.
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dem Agenturen (Reichsbanknebenstellen) in zahl-
reichen andern Städten.
Das Grundkapital der Reichsbank war ur-
sprünglich (1875) auf 120 Mill. A festgesetzt,
eingeteilt in 40 000 Anteile à 3000 M; im Jahr
1899 wurde das Grundkapital um 60 Mill., ein-
geteilt in 60 000 Anteile à 1000 M, auf 180
Mill. M erhöht. Von diesen 60 Mill. Mark sind
30 Mill. im Jahr 1900, der Rest im Jahr 1905
begeben worden.
Die Privilegien der Reichsbank sind nicht auf
unbestimmte Zeit erteilt, sie sind erstmals auf
15 Jahre (bis zum 1. Jan. 1891) festgesetzt, von
da ab hat das Reich von 10 zu 10 Jahren das
Recht, entweder die Reichsbank mit einjähriger
Kündigungsfrist aufzuheben und ihre Grundstücke
gegen Erstattung des Buchwerts zu erwerben, oder
die sämtlichen Anteile der Reichsbank zum Nenn-
wert zu übernehmen. In beiden Fällen geht der
bilanzmäßige Reservefonds der Bank, soweit er
nicht zur Deckung von Verlusten in Anspruch zu
nehmen ist, zur Hälfte an die Anteilseigner, zur
Hälfte an das Reich über. Die Verlängerung des
Bankprivilegiums ist von der Zustimmung des
Reichstags abhängig. Bisher ist diese Zustimmung
des Reichstags noch immer zustande gekommen,
erstmals nach dem Gesetz vom 18. Dez. 1889,
dann durch Gesetz vom 7. Juni 1899, zuletzt durch
Gesetz vom 1. Juni 1909.
Das Zustandekommen der neuen Gesetze brachte
mehrfach einschneidende Anderungen mit sich; die
grundlegende Organisation der Reichsbank blieb
jedoch abgesehen von der Erhöhung des Grund-
kapitals durch das Gesetz vom 7. Juni 1899 un-
verändert.
Die Aufgaben der Reichsbank sind durch
§ 12 des Bankgesetzes wie folgt festgesetzt: „Die
Bank hat den Geldumlauf im ganzen Reichs-
gebiet zu regeln, die Zahlungsausgleichungen zu
erleichtern und für die Nutzbarmachung verfüg-
baren Kapitals zu sorgen.“ Diese Aufgabe schließt
auch die Aufrechterhaltung der deutschen Goldwäh=
rung in sich.
Die wesentlichsten Bestimmungen des Bankge-
setzes sind folgende: Die Reichsbank hat das Recht
der Notenausgabe; sie ist hinsichtlich des Betrags
der auszugebenden Banknoten nicht beschränkt,
jedoch verpflichtet, solche bei ihrer Hauptkasse in
Berlin jederzeit sofort auf Vorzeigung, bei ihren
Zweiganstalten, soweit es deren Barbestände und
Geldbedürfnisse gestatten, dem Inhaber gegen
deutsche Goldmünzen einzulösen und sowohl bei
der Hauptkasse als bei allen Zweiganstalten zum
Nennwert in Zahlung zu nehmen. Die Reichs-
banknoten werden nur in Abschnitten von 100,
200, 500 und 1000 M ausgegeben. Eine Ver-
pflichtung zur Annahme der Reichsbanknoten als
Zahlungsmittel bestand ursprünglich nicht, erst
durch das Gesetz vom 1. Juni 1909 wurde be-
stimmt, daß die Noten der Reichsbank gesetzliches
Zahlungsmittel sind.