Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

489 
Führerschaft ergriffen, wurde Peter Reichens- 
perger bei den großen Anlässen meist als erster 
Redner ins Treffen geschickt. So eindringlich 
seine Beweisführung war, zu unedler Heftigkeit 
ließ er sich nie hinreißen. Davor bewahrte ihn 
seine wahrhaft vornehme Bildung und Gesinnung. 
Liberale Blätter rühmten ihm nach, daß er sich in 
den langen Jahren parlamentarischen Wirkens 
wohl nie einen Ordnungsruf zugezogen habe. 
45 Jahre lang war er Führer und Fahne der 
preußischen und deutschen Katholiken, soweit sie 
politisch geeinigt waren. Freiheit und Recht waren 
ihm keine leeren Schlagworte, sondern hohe Ideale, 
für welche er mit unbeugsamer Entschlossenheit 
und reicher Begabung sein Leben lang zum Wohl 
des deutschen Vaterlands eintrat, wie sein Bruder 
August. So mischt sich mit den Gefühlen der 
Bewunderung dasjenige schmerzlichen Beoauerns 
darüber, daß man die ausgezeichneten Kräfte an 
Geist und Tatkraft dieser wie vieler andern 
Männer zeitweilig gewaltsam in die Opposition 
hineingedrängt hat, anstatt sie im friedlichen 
Wettstreit mit den Volksgenossen der andern 
kimnelfonen zum Heil Deutschlands wirken zu 
assen. 
Literatur. Eine Biographie Peter R.3 existiert 
nicht. Vgl. die Lit. zu August R., ferner Pfülf, 
v. Mallinckrodt (21901); Hüsgen, L. Windthorst 
(1907); R. v. Mohl, Lebenserinnerungen 2. 178, 
sowie die Nekrologe der Presse vom Jan. 1893. 
Wenig bei v. Poschinger, Fürst Bismarck u. die 
Parlamentarier (3 Bde, 1894/96). Görres.) 
Reichsbank. I[Organisation; Aufgaben; 
Geschichte; Privatnotenbanken; Wirtschaftliche 
Bedeutung; Diskontpolitik.) 
Die Deutsche Reichsbank ist eine mit Privat- 
kapital errichtete Aktiengesellschaft, welche unter 
der Aussicht des Reichs steht,, seitens desselben be- 
sondere Privilegien genießt und ihm gegenüber 
auch besondere Verpflichtungen zu erfüllen hat. 
Die Organisation der Reichsbank ist 
die folgende: An der Spitze steht der Reichsbank- 
präsident und ein Direktorium von mehreren Mit- 
gliedern, welche vom Kaiser auf Vorschlag des 
Bundesrats ernannt werden. Außerdem besteht 
ein Kuratorium von 5 Mitgliedern, welches sich 
aus dem Reichskanzler und 4 weiteren Mitgliedern 
zusammensetzt, von denen eines der Kaiser, die 
andern 3 der Bundesrat ernennt. Diese üben die 
dem Reich zustehende Aussicht über die Geschäfts- 
führung aus. Die Aktionäre (Anteilseigner) üben 
ihre Rechte außer in den Generalversammlungen 
noch durch einen aus 15 Mitgliedern und 15 Stell- 
vertretern bestehenden, aus ihrer Mitte gewähl- 
ten Zentralausschuß aus, der in regelmäßigen 
Sitzungen Kenntnis vom Geschäftsgang der Bank 
nimmt und einen begutachtenden Einfluß auf die 
geschäftlichen Maßnahmen des Direktoriums aus- 
übt. Der Sitz der Reichsbank ist in Berlin, sie 
hat jedoch Zweiganstalten (Reichsbankstellen) in 
allen größeren Städten Deutschlands und außer- 
  
Reichsbank. 
  
490 
dem Agenturen (Reichsbanknebenstellen) in zahl- 
reichen andern Städten. 
Das Grundkapital der Reichsbank war ur- 
sprünglich (1875) auf 120 Mill. A festgesetzt, 
eingeteilt in 40 000 Anteile à 3000 M; im Jahr 
1899 wurde das Grundkapital um 60 Mill., ein- 
geteilt in 60 000 Anteile à 1000 M, auf 180 
Mill. M erhöht. Von diesen 60 Mill. Mark sind 
30 Mill. im Jahr 1900, der Rest im Jahr 1905 
begeben worden. 
Die Privilegien der Reichsbank sind nicht auf 
unbestimmte Zeit erteilt, sie sind erstmals auf 
15 Jahre (bis zum 1. Jan. 1891) festgesetzt, von 
da ab hat das Reich von 10 zu 10 Jahren das 
Recht, entweder die Reichsbank mit einjähriger 
Kündigungsfrist aufzuheben und ihre Grundstücke 
gegen Erstattung des Buchwerts zu erwerben, oder 
die sämtlichen Anteile der Reichsbank zum Nenn- 
wert zu übernehmen. In beiden Fällen geht der 
bilanzmäßige Reservefonds der Bank, soweit er 
nicht zur Deckung von Verlusten in Anspruch zu 
nehmen ist, zur Hälfte an die Anteilseigner, zur 
Hälfte an das Reich über. Die Verlängerung des 
Bankprivilegiums ist von der Zustimmung des 
Reichstags abhängig. Bisher ist diese Zustimmung 
des Reichstags noch immer zustande gekommen, 
erstmals nach dem Gesetz vom 18. Dez. 1889, 
dann durch Gesetz vom 7. Juni 1899, zuletzt durch 
Gesetz vom 1. Juni 1909. 
Das Zustandekommen der neuen Gesetze brachte 
mehrfach einschneidende Anderungen mit sich; die 
grundlegende Organisation der Reichsbank blieb 
jedoch abgesehen von der Erhöhung des Grund- 
kapitals durch das Gesetz vom 7. Juni 1899 un- 
verändert. 
Die Aufgaben der Reichsbank sind durch 
§ 12 des Bankgesetzes wie folgt festgesetzt: „Die 
Bank hat den Geldumlauf im ganzen Reichs- 
gebiet zu regeln, die Zahlungsausgleichungen zu 
erleichtern und für die Nutzbarmachung verfüg- 
baren Kapitals zu sorgen.“ Diese Aufgabe schließt 
auch die Aufrechterhaltung der deutschen Goldwäh= 
rung in sich. 
Die wesentlichsten Bestimmungen des Bankge- 
setzes sind folgende: Die Reichsbank hat das Recht 
der Notenausgabe; sie ist hinsichtlich des Betrags 
der auszugebenden Banknoten nicht beschränkt, 
jedoch verpflichtet, solche bei ihrer Hauptkasse in 
Berlin jederzeit sofort auf Vorzeigung, bei ihren 
Zweiganstalten, soweit es deren Barbestände und 
Geldbedürfnisse gestatten, dem Inhaber gegen 
deutsche Goldmünzen einzulösen und sowohl bei 
der Hauptkasse als bei allen Zweiganstalten zum 
Nennwert in Zahlung zu nehmen. Die Reichs- 
banknoten werden nur in Abschnitten von 100, 
200, 500 und 1000 M ausgegeben. Eine Ver- 
pflichtung zur Annahme der Reichsbanknoten als 
Zahlungsmittel bestand ursprünglich nicht, erst 
durch das Gesetz vom 1. Juni 1909 wurde be- 
stimmt, daß die Noten der Reichsbank gesetzliches 
Zahlungsmittel sind.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.