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Gesetzes vom 14. März 1875 (Notendeckung,
Kreditgewährung, Bilanzveröffentlichung, Noten-
steuer) auf ihr Notenprivilegium zu verzichten, so
daß heute nur noch 5 deutsche Notenbanken be-
stehen. Die Noten dieser Banken sind kein gesetz-
liches Zahlungsmittel, sie werden jedoch in den
Staaten, für welche sie ursprünglich errichtet wor-
den sind, bei den Staatskassen in Zahlung ge-
nommen, auch seitens der Reichsbank sind ihnen
gewisse Vorzüge auf Grund des Bankgesetzes (An-
nahme als Zahlung bzw. Umtausch in Reichs-
banknoten) gewährleistet und die preußischen Eisen-
bahn= sowie die Reichspostkassen nehmen sie in den
Grenzgebieten in Zahlung.
Die noch bestehenden Privatnotenbanken
haben zweifellos für die wirtschaftlichen Verhält-
nisse ihrer Länder eine große Bedeutung und
würde ihr Wegfall für diese von ungünstigen
Folgen sein. Ihr Fortbestehen ist deshalb wün-
schenswert, hat auch erfahrungsgemäß seit dem
Eingehen der schwächeren Notenbankinstitute kei-
nerlei Bedenken, weil die Leitung der noch be-
stehenden Banken sich in engster Fühlung mit den
geschäftlichen Maßnahmen der Reichsbank hält
und deren Diskontpolitik unterstützt. Gleichwohl
hat auch im Reichstag immer eine Strömung be-
standen, welche dahin geht, diese Privatnoten-
banken ganz zu beseitigen und ihre Aufgaben
gleichfalls der Reichsbank zu übertragen. Es ist
erklärlich, daß diese Absichten seitens der inter-
essierten Bundesstaaten nachdrücklichen Widerstand
nden.
Die wirtschaftliche Bedeutung der
Reichsbank für Deutschland ergibt sich aus
dem Umstand, daß sich nach dem von ihr fest-
gesetzten Wechseldiskont und Lombardzinssatz der
Wechsel= und Kontokorrentzinsfuß des ganzen Lan-
des richtet. Während der Hypothekarzinsfuß mei-
stens durch den Schuldvertrag dauernd oder doch
auf längere Zeit festgelegt ist, beruht der Wechsel-
und Kontokorrentkredit fast immer auf kurzfristiger
Vereinbarung, und für diese bildet der jeweilige
Reichsbankdiskont die Grundlage, indem die Kre-
ditinstitute in der Regel für die Guthaben ihrer
Klienten 1 % unter dem Reichsbankdiskont ver-
güten und für ihre Forderungen an dieselben 1 %%
über dem gleichen Diskont anrechnen.
Der Wechseldiskont und Lombardzinssatz der
Reichsbank wirken also nicht allein auf die bei ihr
selbst diskontierten Wechsel und beliehenen Wert-
papiere, sondern sie bilden die Grundlage der
Zinsenberechnung für fast alle nicht auf Hypo-
thekenkredit beruhenden Schuldverhältnisse und sind
deshalb für das deutsche Wirtschaftsleben von so
großer Bedeutung. Deshalb ist auch die Reichs-
bank und deren Leitung von jeher ein Gegenstand
schwerer Angriffe gewesen; in den Perioden teuern
Geldstands machte man ihr den Vorwurf, daß sie
den Kredit unnötig verteure und sich bei ihren
Maßnahmen lediglich von ihrem Geschäftsinter-
esse und dem des Großkapitals leiten lasse.
Reichsbank.
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Diese Anschuldigungen haben sogar im Jahr
1908 zur Einberufung einer Bankenquete ge-
führt, bei der etwa 200 Sachverständige ver-
nommen wurden. Diese Enquete hat nur das
Resultat gehabt, daß die Organisation der Reichs-
bank, ihre Leitung und ihre Geschäftspraxis als
durchaus einwandfrei anerkannt werden mußten,
die Erneuerung des Bankgesetzes erfolgte dann
auch am 1. Juni 1909 unter weit geringerem
Widerspruch als in früheren Jahren.
Die Diskontpolitik der Reichsbank
ist, das wurde auch durch die Bankenquete aus-
drücklich festgestellt, keine willkürliche, sondern sie
ist von der Lage des Geldmarkts im Inland und
dessen Verhältnis zu den ausländischen Geld-
märkten bestimmt. Wenn durch allzu großen ge-
schäftlichen Unternehmungseifer oder durch über-
triebene Kreditansprüche des Reichs und der Bun-
desstaaten der Geldmarkt überangestrengt ist und
dadurch auch die Mittel der Reichsbank, die ja in
sich das Hauptreservoir des deutschen Geldmarkts
bildet, zu sehr in Anspruch genommen werden, so
daß die Barbestände stark abnehmen und die Noten-
deckung eine ungenügende wird, ist eine Zinssatz-
erhöhung notwendig, um auf die allzu starke
Unternehmungslust einschränkend zu wirken. Das
gleiche tritt ein, wenn sich die Zahlungsbilanz
Deutschlands dem Ausland gegenüber stark ver-
schlechtert, sei es durch starken Import von Waren
oder durch Ubernahme ausländischer Wertpapiere,
und dadurch für die Goldbestände der Reichsbank
die Gefahr größerer Exporte eintritt. Die Dis-
konterhöhungen der Reichsbank bilden in solchen
Fällen eine notwendige Schutzmaßregel, die ihre
Wirkung auch auf die Dauer niemals verfehlt hat!
Gestaltet sich dagegen der Geldmarkt flüssiger, so
ist die Reichsbank, um ihre Mittel zinstragend an-
legen zu können, schon von selbst gezwungen, ihren
Diskont wieder zu ermäßigen.
Nicht der Wille der Reichsbankleitung und des
Zentralausschusses ist für die Bestimmung ihres
Zinssatzes ausschlaggebend, sondern dieser wird
ihr von den Geldverhältnissen des Landes diktiert;
eine vorsichtige Reichsbankleitung darf mit dem
Anziehen der Diskontschraube weder warten, bis
ihr Geldbestand allzusehr geschwächt ist, noch die
Ermäßigung des Zinssatzes zu lange aufschieben,
wenn die Lage des Geldmarkts eine solcheermöglicht.
Die Leitung der Reichsbank steht durch den Zen-
tralausschuß mit den Kreisen des Handels, der
Industrie und des gesamten Bankwesens in so
enger Fühlung, daß sie in der Lage ist, die Geld-
marktverhälmisse zutreffend zu beurteilen und die
durch diese bedingten Entscheidungen richtig zu
treffen.
* Gegner des jetzigen Reichsbanksystems
haben die Gelegenheit der jedesmaligen Erneue-
rung des Bankgesetzes regelmäßig dazu benuzt,
um die Verstaatlichung der Reichsbank durch-
zusetzen unter dem Vorwand, daß sie dann die
Aufgabe, dem Land billiges Geld zu schaffen,