Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Inhalt dieses Prinzips der sei, „daß die Sou- 
veränität in der Erbmonarchie das dem Fürsten 
für sich und seine Nachkommen von der Sittlich- 
keit übertragene Recht sei“. Unter Souveränität 
ist hier nicht die völkerrechtliche Souveränität, 
d. h. also das freie, unabhängige und absolute 
Selbstbestimmungsrecht des Staates verstanden, 
sondern die staatsrechtliche Souveränität, also die 
höchste Staatsgewalt. Diese Theorie läßt zwar 
dahingestellt sein, woher die Gewalt des Herrschers 
stamme, ob aus der materiellen Macht des Besitzes 
oder aus der rein geistigen des Familienober- 
hauptes über die Seinigen oder aus der des 
Höherbegabten, des verdienten Kriegshelden über 
andere oder sonst woher, bekennt aber, mit der 
Landeseigentumslehre nahe verwandt zu sein, ja 
direkt von ihr abzustammen. Nach ihr wird oder 
ist der Staat, „indem im Innern einer Masse von 
Menschen, die naturgemäß zusammenlebt, Einer 
notwendig emporwächst oder ist, der durch seine 
Gewalt oder Macht die Masse zusammenhält und 
sie, indem er ihre gegenseitigen Obliegenheiten 
ordnet und schützt, zur geregelten Verbindung, 
zum Staat macht“. Im übrigen trifft sie, was 
den Inhalt und Umfang dieses Rechts an der 
Souveränität anlangt, mit der älteren Theorie 
darin vollständig überein, daß, ganz wie im Privat- 
recht der Eigentümer einer Sache die unbeschränkte 
Verfügungsmacht über die Sache und das Eigen- 
tumsrecht an ihr hat und seine Rechte auf die 
Erben überträgt, der Herrscher und seine Familie 
Eigentümer der Staatsgewalt und durch sie des 
Staates sei, dergestalt, daß diese der unbeschränkten 
Verfügungsmacht jener unterstehen. 
Neben dem angegebenen, mehr wissenschaftlich- 
sormalen Grund wirkte für die Ausfstellung der 
jüngeren Patrimonialtheorie ein staatsrechtlich- 
materieller Zweck. Indem sie das Eigentumsrecht 
des Herrschers an der Staatsgewalt, von ihr 
Fürstensouveränität genannt, nachzuweisen ver- 
suchte, bildete sie die bewußte Reaktion gegen die 
Theorie der Volks= und Staatssouveränität. Als 
um die Wende des 18. zum 19. Jahrh. das alte 
deutsche Reich seiner vollständigen Auflösung ent- 
gegenging, erhielt das Bestreben der deutschen 
staatsrechtlichen Literatur, die begriffliche Grund- 
lage und wissenschaftliche Rechtfertigung der staat- 
lichen Existenz und Selbständigkeit der deutschen 
Territorialstaaten klar zu stellen, neuen Anlaß und 
Antrieb. Daß es hierbei, unter dem Einfluß 
nicht bloß älterer, staatsphilosophischer Anschau- 
ungen, sondern vornehmlich auch der damals noch 
neueren Rousseauschen Lehre vom contrat social, 
zur Konstruktion einer abstrakten, von der Per- 
sönlichkeit des Herrschers gänzlich absehenden 
Staatsgewalt kommen mußte, ist als ein ganz 
selbstverständlicher Vorgang hinzunehmen. Aber 
als ebenso naturgemäß muß es bezeichnet werden, 
daß gegen diese den Ursprung und den Entwick- 
lungsgang des alten Reichs und der Territorial= 
staaten vollständig ignorierende Doktrin scharfe 
Patrimonialstaat. 
  
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Gegensätze sich geltend machten, die in der Neu- 
belebung der alten und Enistehung der jüngeren 
Patrimonialtheorie ihren Ausdruck fanden. Was 
die letztere anlangt, so setzte sie jener Doktrin 
von der Staatssouveränität die allgemeine Lehre 
entgegen, daß der Herrscher vor dem Staat be- 
standen haben oder spätestens gleichzeitig mit dem 
Staat entstanden sein müsse, daß er also seine 
Gewalt nicht habe vom Staat „übertragen“ er- 
halten. Im besondern will Maurenbrecher das 
Patrimonialprinzip gegenüber der Staatssouve- 
ränität erhärten sowohl durch den direkten Be- 
weis, daß die positiven deutschen Rechtsquellen 
gegen das Vorhandensein der einzelnen Folgesätze 
der letzteren sprechen, als auch durch den indirekten, 
daß diejenigen einzelnen Sätze, die dem Patri- 
monialprinzip logisch angehören (s. unten), darin 
enthalten sind. 
Kommt sonach auch diese letztere Theorie, wie 
bereits oben bemerkt, zu dem Ergebnis, daß der 
Herrscher nicht der bloße „Ausüber“ der dem 
Staat, als moralischer Person, zustehenden 
Staatsgewalt, sondern der wirkliche Privateigen- 
tümer derselben sei, so will sie damit doch keines- 
wegs sagen, „daß das Recht, zu regieren, in der 
Art rein privatrechtlich sei, daß der Fürst nur zu 
seinen eignen Zwecken zu regieren, insbesondere 
keiner höheren sittlichen Idee zu folgen habe, und 
daß der Staat nur um der Person des Fürsten 
willen und nicht umgekehrt der letztere wegen des 
ersteren oder um beider willen vorhanden sei“. 
Sein Recht unterstehe vielmehr der sittlichen Idee, 
wie denn Recht und Sittlichkeit nicht als zwei 
völlig geschiedene und entzweite Dinge anzusehen 
seien. Den Fürsten binde die Vernunft (= die 
Idee des Sittlichen, der allgemeine sittliche Wille), 
deshalb dürfe er die Souveränität (Staatsgewalt) 
nicht nach Willkür und Laune ausüben. 
Als logische Folgesätze aus dem Patrimonial- 
prinzip ergeben sich dann (nach Maurenbrecher): 
1) daß der Monarch, als letzter Besitzer, das Recht 
hat, durch eine einseitige Disposition auf den 
Todesfall nach Belieben seinen Nachfolger zu er- 
nennen; 2) daß er befugt ist, dem Thron für sich 
zu entsagen; 3) daß er zu einseitigen Landes- 
veräußerungen vollkommen berechtigt ist; 4) daß 
er bei allen seinen Regentenhandlungen kraft 
eignen Rechts handelt und von seiner eignen Per- 
son aus die Untertanen verpflichtet, nicht aber als 
Vertreter (Organ, Diener, Repräsentant) des 
Staates auftritt; 5) daß er darum auch an die 
Regierungsakte seines Vorfahren in der Regierung 
als dessen Nachfolger nicht gebunden, und endlich 
6) daß er über allen Zwang erhaben und selbst 
bei rechts= und verfassungswidrigen Handlungen 
gegen Angriff und Widerstand der Untertanen 
rechtlich gesichert ist. Allerdings wird zugegeben, 
daß die letztere Folgerung nicht so sehr aus dem 
patrimonialen Prinzip an sich zu ziehen sei, als 
vielmehr aus dem Begriff der Staatsgewalt, 
die allen Zwang gegen sich undenkbar mache.
	        
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