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gebracht. Meist verbinden sich auch mancherlei
Kassen mit der Patronage, die natürlich das Inter-
esse der Zöglinge erhöhen, namentlich Sparkassen.
Als untere Altersgrenze für die Aufnahme in
die Patronage ist meist der Empfang der ersten
heiligen Kommunion festgesetzt. Auch die erwach-
senen Arbeiter können bei derselben verbleiben,
und vielfach findet die Patronage in einem cerele
ouvrier ihren Abschluß. Die Mädchen können bis
zu ihrer Verheiratung in der Patronage bleiben.
Der Franzose faßt unter dem Sammelnamen
Patronage alle jene Veranstaltungen der Schutz-
fürsorge zusammen, die wir in Deutschland mit
dem Namen ihres speziellen Zwecks zu nennen
pflegen (z. B. Lehrlings-, Arbeiterinnenvereine,
Marianischer Mädchenschutz)z. Indem wir die
Bezeichnung Patronage auf eine spezielle Ver-
anstaltung anwenden, wird die irrige Vorstellung
erweckt, als decke sich die Patronage eben mit
jenem besondern Zweck. Das Hauptmerkmal ist
die Anteilnahme der höheren Klassen, die ein Pa-
tronat, eine Schutzfürsorge für die Angehörigen
der arbeitenden Klassen entfalten. Eine solche
Fürsorgetätigkeit wird aber nicht bloß und aus-
chließlich von solchen Vereinen betätigt, die wir
peziell als Patronagen zu bezeichnen gewohnt sind.
Patronage ist ein viel weiterer Begriff.
In Deutschland kommt die Bezeichnung Pa-
tronage ziemlich selten vor. So bestehen beispiels-
weise Patronagen in Wien, die von der Für-
stin Metternich im Jahr 1894, ferner solche für
katholische Arbeiterinnen in München,
die im Jahr 1898 von der Fürstin Ottingen-
Spielberg ins Leben gerufen wurden. Sie ver-
folgen den Zweck, solchen Mädchen, die während
der Woche als Fabrikarbeiterinnen, Näherinnen usw.
beschäftigt sind und in ihrer freien Zeit nicht
Schutz und Erholung im elterlichen Haus ge-
nießen, am Sonntag nachmittag Unterhaltung zu
bieten und ihnen gleichzeitig weitere Ausbildung
für Beruf und Haushalt angedeihen zu lassen.
Die Arbeiterinnen sind nicht Mitglieder, sondern
Schützlinge des Vereins. Die Patronage beküm-
mert sich um die Mädchen von der Schulentlassung
bis zum 18. Jahr. Dann wünscht man ihren
Übertritt in den Arbeiterinnen- oder Dienstboten-
verein. Unter den Damen, welche tätige Mit-
glieder sind, befinden sich Angehörige der höchsten
Kreise. Wenn möglich ist ein Geistlicher Leiter.
Der Magistrat stellt Schullokale zur Verfügung.
Auch in andern Städten sind bereits derartige
Mädchenpatronagen begründet oder im Entstehen
begriffen. Wichtig ist neben der Sorge für Unter-
haltung vor allem der Ausbau dieser Patro-
nagen nach der wirtschaftlichen Seite,
wenn derartige Vereine eine Zukunft haben sollen.
Die Arbeiterin der Großstadt opfert ihre Unge-
bundenheit und die mancherlei verlockenden Ver-
gnügungen am Sonntag nur dann, wenn ihr da-
für auch etwas geboten wird. So wichtig auch
frohes, harmloses Spiel, religiöse Belehrung und
Patronatsrecht.
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praktischer Haushaltungsunterricht sind, so soll
durch mancherlei Vorteile materieller Art wie
Spar= und Unterstützungskassen ein Gegengewicht
gegen die Ungebundenheit und Vergnügungssucht
geschaffen werden. Einen großen Fortschritt be-
deutet es, wenn die Patronage (München) jährlich
einer größeren Anzahl (25/30) kränklicher Mädchen
einen Erholungsaufenthalt gewährt, und wenn
man anstrebt, beim Jugendgericht straffällige
Mädchen zu vertreten und weiter für ihr Fort-
kommen tätig zu sein.
Indessen genügen die Leistungen Privater, der
Arbeitgeber oder sonstiger edler Menschenfreunde
schwerlich, um die Gefahren, welche insbesondere
der weiblichen Großstadtjzugend drohen, wirksam
zu bekämpfen. Da die Wohnungsnot die
Moral vor allem gefährdet, ergeben sich hier Auf-
gaben der freilich noch kaum recht angefaßten
kommunalen Sozialpolitik. Die Er-
richtung von Mädchen-, Arbeiterinnenheimen ist
bei den hohen Bodenpreisen eine kostspielige Sache,
die durch private Wohltätigkeit allein nicht immer
geleistet werden kann. Erst wenn die Städte selbst
Mädchenheime und Logierhäuser für Arbeiterinnen
bauen oder gemeinnützige Vereine mit ihren städti-
schen Mitteln finanziell genügend stärken, wird die
Wohnungsfürsorge für die weibliche Jugend ihre
Aufgaben erfüllen können.
Literatur. Belgique charitable (Brüssel
1893); Paris charitable et prévoyant (Par.
21897); Laumont, La charité à Liege (Lüttich
189 ; Souvenir du Cinquieme Anniversaire de
la Fondation du Patronage des apprentis et jeunes
rouvriers de Notre-Dame de Nazareth (Par.
1895); M. Brandts, Das Office Central des
CEuvres de bienfaisance (1899); P. Hasse, Leit-
faden für weibliche Jugendpflege (1899); Albrecht,
Soziale Wohlfahrtspflege in Deutschland (1900);
Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrts-
einrichtungen, Nr 19 u. 20 (1900/01). Wertvolle
Winke für die Jugendlichenfürsorge enthält Dix,
Die Jugendlichen in der Sozial= u. Kriminalpolitik
(1902). Bezüglich der Aufgaben der kommunalen
Sozialpolitik in dieser Frage vgl. Damaschke, Auf-
gaben der Gemeindepolitik (71901). Auguste
v. Pechmann, Die P.n für jugendliche kathol. Ar-
beiterinnen (1908). Mitteilungen des Verbandes
süddeutscher P. u (München, bisher 2 Jahrgänge).
Walter.)]
Patronatsrecht. Geschichtliches. Begriff
und Einteilung. Eigenschaften des Inhabers.
Objekt des Patronats. Inhalt. Kompetenz in
Patronatssachen. Entstehungsgründe. Übergang
und derivativer Erwerb. Untergang.
1. Geschichtliches. Einigen Anklängen
an das heutige Patronatsrecht begegnen wir be-
reits im 5. Jahrh. in Gallien und im 6. Jahrh.
im Orient (ogl. Kap. 10 der Synode von Orange
vom Jahr 441 und zweite Synode von Arles
vom Jahr 443; 18. Kapitel der 123. Novelle
Justinians vom Jahr 546; neunte Synode von
Toledo vom Jahr 655 im 2. Kapitel, can. 31