Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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alle früheren Gesetze zusammenfaßt, bestimmt: 
„Für den Religionsunterricht werden für jede ge- 
trennt unterrichtete Abteilung der Schüler in den 
Lehrplan der Volksschule wöchentlich drei Stunden 
aufgenommen. Der Religionsunterricht wird durch 
die betreffenden Kirchen- und Religionsgemein- 
schaften besorgt und überwacht. Sie werden beie 
Erteilung desselben durch den von den betreffenden 
Religionsgesellschaften als befähigt erklärten Schul- 
lehrer unterstützt. Zu diesem Zweck sollen aus dem 
wöchentlichen Stundendeputat eines Lehrers, so- 
weit erforderlich, je sechs Stunden verwendet wer- 
den. Der gesamte Lehrplan für den Religions- 
unterricht in den einzelnen Stufen und Klassen 
der Volksschule wird von der oberen geistlichen 
Behörde aufgestellt, welche die Ausführung des- 
selben durch ihre Beamten überwachen und Prü- 
sungen über den Religionsunterricht vornehmen 
kann. Den staatlichen sowohl als den geistlichen 
Behörden bleibt vorbehalten, die Erteilung des 
Religionsunterrichts durch den Schullehrer abzu- 
stellen (§ 22). Für Schulen, welche Schüler ver- 
schiedener Bekenntnisse zu unterrichten haben, aber 
nicht mit Lehrern aus jedem der betreffenden Be- 
kenntnisse besetzt sind, kann die Oberschulbehörde 
anordnen, daß die Unterstützung für den Reli- 
gionsunterricht des eines eignen Lehrers entbehren- 
den Bekenntnisses durch einen benachbarten Lehrer 
geleistet werde; die Zahl der betreffenden Schul- 
kinder muß aber dauernd mindestens fünfzehn be- 
tragen“ (§ 23). In Bezug auf die kirchlichen, den 
Religionsunterricht beaufsichtigenden Beamten gilt 
noch die Verordnung des Großherzoglichen Mini- 
steriums des Innern vom 1. Okt. 1869. Danach 
haben sich diese Aufsichtsbeamten zum Zweck einer 
Prüfung stets mit den Kreisschulräten in Verbin- 
dung zu setzen. Verbescheidungen dieser Prüfungen 
werden auf Mitteilung der Kirchenbehörde durch 
die Kreisschulräte den Lehrern zur Nachachtung 
und erforderlichenfalls den Ortsschulräten bekannt 
gegeben (832). Sonstige Verfügungen der Kirchen- 
behörden in betreff des Religionsunterrichts in den 
Volksschulen werden auf Mitteilung derselben von 
dem Oberschulrat verkündet. Sollte irgend eine 
kirchliche Verfügung irgend eine mit der allgemeinen 
Schulordnung unvereinbarliche Bestimmung ent- 
halten, so ist zunächst mit der Kirchenbehörde zum 
Zweck der Verständigung ins Benehmen zu treten 
(8 33). Tatsächlich gestaltet sich die Erteilung usw. 
des Religionsunterrichts gegenwärtig folgender- 
maßen: Der Religionsunterricht an den Volks- 
und Mittelschulen wird von der Kirche erteilt, und 
zwar erteilt an der ersteren den Katechismusunter- 
richt der Pfarrer bzw. Kaplan, den Unterricht in 
der biblischen Geschichte der Lehrer, welcher dazu 
eine eigne „Admissionsurkunde“ von der Kirche 
erhält, die unter Umständen auch wieder zurückge- 
zogen werden kann, an den Mittelschulen erteilt 
ihn nur der Geistliche, und zwar in wöchentlich 
2 Stunden, während in den Volksschulen 3 Stun- 
den dazu verwendet werden, einschließlich der bib- 
Religionsunterricht. 
  
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lischen Geschichte. Die Prüfung des Religions- 
unterrichts liegt ganz in den Händen der Kirche, 
welche die Inspektoren frei ernennt; der Prüfungs- 
bescheid der bischöflichen Inspektoren geht durch 
Vermittlung der staatlichen Behörde an die Lehrer. 
Der Kommunionunterricht wird nur von den 
Geistlichen in dem Schullokal, aber außer der 
Schulzeit gegeben, während der reguläre Schul- 
unterricht weiter geht. 
In Bayern wird durch Allerhöchste Verord- 
nung vom 26. Aug. 1883 für den Religions- 
unterricht in jenen Gemeinden, wo für die 
Angehörigen der verschiedenen Konfessionen nur 
gemeinsame Volksschulen bestehen, Vorsorge ge- 
troffen, daß die Schulkinder den vorgeschriebenen 
Unterricht in ihrer Religion, bezüglich dessen die 
verfassungsmäßigen Rechte und Zuständigkeiten 
den kirchlichen Behörden ausdrücklich gewahrt 
bleiben, gesondert erhalten (8§ 10). Zu den innern 
kirchlichen Angelegenheiten aber, deren Ordnung 
unter der obersten Staatsaufssicht jeder genehmigten 
Privat= oder öffentlichen Kirchengesellschaft zu- 
kommt, gehörtnach dem Religionsediktvom 26. Mai 
1818 der religiöse Volksunterricht (§ 38). Nach 
dem Erlaß vom 8. April 1852, den Vollzug des 
Konkordats betreffend, bleibt die nächste Beauf- 
sichtigung und Leitung des Unterrichts= und Er- 
ziehungswesens an den deutschen Schulen dem 
Pfarrklerus überlassen. Bei Bestellung der Di- 
striktsschulinspektoren sollen die Bischöfe gutacht- 
lich vernommen werden (§ 22). Vor Erlassung 
wichtiger Verfügungen über das Schulwesen, so- 
weit es sich um Unterricht in Religion handelt, 
sollen die Bischöfe gleichfalls gehört werden. Die 
Lehrbücher über Religionsunterricht bleiben ihrer 
Approbation unterworfen (5 23). 
Für das Großherzogtum Hessen bestimmte 
die vorläufige Übereinkunft zwischen der Groß- 
herzoglich hessischen Regierung und dem Bischof 
von Mainz vom 23. Aug. 1854 in betreff der 
Reglung der Verhältnisse des Staats zur katho- 
lischen Kirche: „Die Leitung und Uberwachung des 
katholischen Religionsunterrichts an den öffentlichen 
Schulen jeder Art kommt dem Bischof zu.“ Dieser 
den kirchlichen Rechten entsprechende Grundsatz 
wurde jedoch in der Gesetzgebung der Kultur- 
kampfjahre keineswegs beachtet; das Gesetz, das 
Volksschulwesen im Großherzogtum betreffend, 
vom 16. Juni 1874 ordnete vielmehr an: „Die 
Überwachung des Religionsunterrichts steht neben 
dem Schulvorstand und den oberen Schulbehörden 
auch den im Schulvorstand befindlichen oder mit 
Genehmigung Unseres Ministeriums des Innern 
hiermit besonders beauftragten Geistlichen als 
solchen bzw. den oberen kirchlichen Behörden zu. 
Bei Ausübung dieses Aufsichtsrechts sowie bei 
Erteilung von Religionsunterricht in den Schulen 
durch die Geistlichen müssen die hinsichtlich des 
Volksschulwesens bestehenden oder noch zu er- 
lassenden Gesetze, Verordnungen und Reglements 
sorgfältig beachtet werden" (Art. 68, Abs. 4). Das
	        
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