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studierenden Jugend eine weitere Ausbildung in
der Religion zu vermitteln und den vielen Klagen
über den ungenügenden Unterricht in der Religion
auf den Gymnasien ein Ende zu machen. Es
kommt nur darauf an, sie überall zur Ausführung
zu bringen, wie es bei den Protestanten fast all-
gemein geschieht. Leider stehen wir vor der Tat-
sache, daß die Betätigung des religiös-sittlichen
Lebens in den gymnasial und akademisch gebil-
deten Kreisen große Rückschritte gemacht hat. Für
die gewerblichen und ländlichen Fortbildungs-=
schulen will der Ministerialerlaß vom 26. März
1897 die Aufnahme des Religionsunterrichts in
den Stundenplan nicht gestatten, jedoch zulassen,
daß im Anschluß an den Unterricht und in den
Räumen der Anstalt die Geistlichen beider Kon-
fessionen die religiöse Erkenntnis der Zöglinge zu
erweitern und zu vertiefen suchen.
In Sachsenifst fürden Religionsunterrichtjener
Kinder, welche eine öffentliche Ortsschule besuchen,
in einer von der Vertretung der betreffenden Re-
ligionsgesellschaft für ausreichend erachteten Weise
zu sorgen und darüber, daß es geschehen, Zeugnis
beizubringen. Ist jedoch dazu keine Gelegenheit
vorhanden, so können auf Antrag der Eltern Kin-
der bis zum zwölften Lebensjahr auch am Reli-
gionsunterricht einer andern Konfession als der-
jenigen, in welcher sie zu erziehen sind, teilnehmen
(Ges., das Volksschulwesen betr., vom 26. April
1873, § 6). Nach dem nämlichen Gesetz übt die
der kirchlichen Oberbehörde zustehende Aufsicht
über den Religionsunterricht der Ortsgeistliche als
solcher, beziehentlich der höhere kirchliche Aufsichts-
beamte (§ 29). In der Verordnung zur Ausfüh-
rung des Gesetzes vom 26. April 1873, das Volks-
schulwesen betr., vom 25. Aug. 1874 wird für die
konfessionellen Minderheiten bestimmt: „Wird für
die Kinder einer andern Konfession, welchen es an
Gelegenheit zum Religionsunterricht im eignen
Bekenntnis fehlt, ein Antrag auf Teilnahme am
Religionsunterricht der Ortsschule nicht gestellt,
so ist von seiten des Schulvorstands der geistlichen
Behörde behufs der wegen Erteilung des Reli-
gionsunterrichts zu treffenden Vorkehrung Mit-
teilung zu machen und Nachricht vom Erfolg zu
erwarten. Wenn solche Veranstaltung nicht ge-
troffen werden sollte, hat der Ortsschulvorstand
der Bezirksschulinspektion zur weiteren Entschlie-
ßung Anzeige zu erstatten. Bei Meinungsver-
schiedenheit der Eltern über die im Gesetz nach-
gelassene Teilnahme der Kinder einer andern Kon-
fession am Religionsunterricht der Ortsschule bis
zum zwölften Lebensjahr entscheidet der Vater.
Sind die Eltern oder ein Teil derselben verstorben,
so ist diese Teilnahme auf Antrag derjenigen,
welchen die Sorge für die Erziehung der Kinder
obliegt, zu gestatten. Bei unehelichen Kindern ge-
nügt der Antrag der Mutter und nach deren Tod
der Antrag der Erzieher. Bei Kindern aus ge-
mischten Ehen, welche in einer andern Konfession
als in derjenigen der Ortsschule zu erziehen sind,
Religionsunterricht.
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gilt, wenn ihnen die Teilnahme am Religions=
unterricht in der Ortsschule gestattet wird, das
zwölfte Lebensjahr als der Termin, von welchem
an ein Beharren in der Konfession des genossenen
Religionsunterrichts einzutreten hat. Die Erlaub-
nis zur Teilnahme am Religionsunterricht der
Ortsschule ist daher solchen Kindern nur bis zum
Ablauf desjenigen Schuljahrs zu erteilen, welches
der Erfüllung des zwölften Jahrs zunächst vor-
hergeht. Vor Eintritt dieses Normaltermins sind
die Eltern oder Erzieher rechtzeitig auf die Wir-
kung einer längeren Teilnahme des Kindes am
Religionsunterricht in der Ortsschule aufmerksam
zu machen.“
Für Württemberg bestimmte das Kon-
kordat vom 8. April 1857: Episcopus reli-
giosam catholicae iuventutis tum instruc-
tionem tum educationem in omnibus scholis
publicis et privatis diriget et super utraque
vigilabit. Proinde statuet, quinam ad reli-
giosam instructionem libri et catechismi ad-
hibendi sint (VII). Nach dem Volksschulgesetz
vom 29. Sept. 1836 ist der Religionsunterricht
in allen Volksschulen, soweit nicht die Oberschul-
behörde etwas anderes anordnet, unter angemes-
sener Teilnahme der Schullehrer von dem Orts-
geistlichen zu erteilen. Die Leitung des katho-
lischen Religionsunterrichts in den Volksschulen
sowie in den sonstigen öffentlichen und privaten
Unterrichtsanstalten, einschließlich der Bestimmung
der Katechismen und Religionshandbücher, kommt
dem Bischof zu, unbeschadet des dem Staat über
alle Lehranstalten zukommenden Oberaussichts-
rechts (Ges. betr. die Reglung des Verhältnisses der
Staatsgewalt zur katholischen Kirche vom 30. Jan.
1862, Art. 13).
In der ausgebauten Volksschule hat das erste
Schuljahr 3, das zweite bis fünfte Jahr 4,
das sechste und siebte Jahr 5 Religionsstunden,
von denen der Geistliche in jeder Klasse 2 Stun-
den zu geben hat; der Lehrer muß auf jede
Stunde des Geistlichen ½ Stunde für Vorberei--
tung und Einübung des Religionsstoffs verwen-
den. Die Kinder des ersten Jahres haben wöchent-
lich zweimal, die des zweiten bis fünften Jahres
dreimal, des sechsten und siebten Jahres viermal
bei pflichtmäßiger Anwesenheit der Lehrer der hei-
ligen Messe beizuwohnen. Bei der einklassigen
Schule bleiben für den Religionsunterricht 2½ bis
4 Stunden. Nach dem heftigen Schulkampf im
Landtag im Winter 1909 hat das Schulwesen
eine sehr nach links gerichtete Entwicklung ge-
nommen, besonders durch die prinzipielle Ab-
schaffung der geistlichen Bezirks= und Lokalschul-
inspektion.
In Elsaß-Lothringen sind nach dem
Gesetz über das Unterrichtswesen vom 15. März
1850 die Geistlichen der anerkannten Bekennt-
nisse mit der Uberwachung des Religionsunter-
richts beauftragt. Der Zutritt in die Schule ist
ihnen zu jeder Zeit gestattet. Wo gemischte