Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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daß Veranlassung zum Argernisnehmen geboten 
worden ist. Ebenso beweist die geschichtliche Ent- 
wicklung der Strafbestimmung, daß der Gottes- 
begriff im Sinn des christlichen Glaubens aus- 
zulegen, also eine Lästerung Christi oder des 
Heiligen Geistes als Gotteslästerung zu verfolgen 
ist. „Lästerung“ und „Beschimpfung“ setzt einen 
kränkenden Willen voraus, der nicht ohne weiteres 
schon in jeder leichtfertigen oder rohen Redensart 
zu finden sein wird, der aber anderseits ohne Unter- 
schied der religiösen Uberzeugung des Täters 
vorhanden sein kann. Daß das religiöse Gefühl 
des Nebenmenschen, nicht Gott Gegenstand des 
Angriffs ist, gegen welchen die Strafbestimmung 
Schutz gewähren will, heben die Motive des 
Strafgesetzbuchs selbst hervor mit dem Anfügen: 
der Staat dürfe nicht die Meinung aufkommen 
lassen, als ob er die Erhaltung des religiösen Ge- 
fühls im Volk als etwas Gleichgültiges betrachte; 
wenn andere Gesetzgebungen zwar nicht die Gottes- 
lästerung, wohl aber eine Lästerung der Gegen- 
stände der Verehrung mit Strafe bedrohen und 
darunter die Lästerung der Gottheit stillschweigend 
begreifen, so sei es des Gesetzgebers würdiger, das, 
was die Absicht des Gesetzes sei, klar und mit aus- 
drücklichen Worten auszusprechen. 
2. Wegen Beschimpfung von Religions- 
gesellschaften wird bestraft, „wer öffentlich 
eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit 
Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebiets 
bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrich- 
tungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer 
in einer Kirche oder an einem andern zu religiösen 
Versammlungen bestimmten Ort beschimpfenden 
Unfug verübt“ (§ 166, 2. und 3. Fall). Das 
preußische Strafgesetzbuch, § 135, welchem diese 
Strafbestimmung entnommen ist, ging weiter, in- 
dem es mit Strafe bedrohte: „wer eine der christ- 
lichen Kirchen oder eine andere mit Korporations-= 
rechten im Staat bestehende Religionsgesellschaft 
oder die Gegenstände ihrer Verehrung, 
ihre Lehren, Einrichtungen oder Gebräuche 
verspottet oder in einer Weise dar- 
stellt, welche dieselben dem Haß oder 
der Verachtungaussetz““; der letztere Fall 
war schon im Entwurf zum Reichsstrafgesetzbuch 
beseitigt, während die Weglassung der sonstigen 
weitergehenden Bestimmungen auf Anträgen der 
nationalliberalen Abgeordneten Lasker, v. Hover- 
beck und Genossen beruhen. Hiernach sind heute 
die Religionsgesellschaften gegen Beschimpfungen 
allgemein nur insofern geschützt, als es sich um 
einen beschimpfenden Unfug handelt, welcher an 
einem zu religiösen Versammlungen bestimmten 
Ort begangen worden ist. Einen darüber hinaus- 
gehenden Rechtsschutz gegen Beschimpfungen ge- 
nießen nur die christlichen Kirchen und die in 
irgend einem Bundesstaat mit Korporations-= 
rechten bestehenden Religionsgesellschaften, sei es 
daß die Beschimpfung gegen die Religionsgesell- 
schaft selbst oder gegen einzelne, auf den Satzungen 
Religionsverbrechen. 
  
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oder Gewohnheiten der Gesamtheit beruhende und 
von der Gesamtheit gebilligte Einrichtungen und 
Gebräuche derselben gerichtet ist. In der Be- 
schimpfung der spezifischen Lehren einer solchen 
besonders geschützten Religionsgesellschaft wird 
auch stets eine Beschimpfung der Religionsgesell- 
schaft selbst zu finden sein, wenn nur der Täter 
wußte, daß das von ihm beschimpfte Dogma von 
der betreffenden Religionsgesellschaft gelehrt wird; 
so enthält z. B. eine Beschimpfung der Lehre von der 
Unfehlbarkeit des Papstes eine Beschimpfung der 
katholischen Kirche (Reichsgerichtserkenntnis vom 
28. Juni 1893, Rspr. V 677). Dagegen ist die 
Beschimpfung einzelner Personen oder Versamm- 
lungen der Religionsgesellschaften ebensowenig 
notwendig eine Beschimpfung der gesamten Reli- 
gionsgesellschaft, als die Beschimpfung einzelner, 
persönlich oder örtlich beschränkter Anwendungen 
einer Einrichtung oder eines Gebrauchs notwendig 
eine Beschimpfung einer von der Gesamtheit der 
Religionsgemeinschaft gebilligten Einrichtung oder 
eines solchen Gebrauchs der Religionsgesellschaft 
selbst enthält; ein persönlicher oder örtlicher Ge- 
brauch kann sogar vom Standpunkt der betreffen- 
den Religionsgesellschaft als Mißbrauch zu be- 
trachten sein. Unter Beschimpfung ist eine rohe, 
die Ehre der Religionsgesellschaft kränkende Kund- 
gebung von Verachtung zu verstehen; der Täter 
muß den Willen gehabt haben, zu beschimpfen. 
Die Motive des Reichsstrafgesetzbuchs bezeichnen 
als Zweck der Strafbestimmung den Schutz des 
religiösen Gefühls im Volk; dieser Zweck ist aber 
nicht zum förmlichen Tatbestandsmerkmal erhoben, 
und der Wortlaut der Bestimmung (im Gegensatz 
zum Tatbestand der Gotteslästerung) wie die Ver- 
gleichung mit den §§ 100, 135 des preußischen 
Strafgesetzbuchs zeigt, daß Verletzung des reli- 
giösen Gefühls, Erregung von Argernis oder 
Störung des religiösen Friedens nicht eine Vor- 
aussetzung der Bestrafung bildet. 
3. Wegen Verhinderung des Gottes- 
dienstes wird bestraft, „wer durch eine Tätlich- 
keit oder Drohung jemand hindert, den Gottes- 
dienst einer im Staat bestehenden Religionsgesell- 
schaft auszuüben, ingleichen, wer in einer Kirche 
oder an einem andern zu religiösen Versamm- 
lungen bestimmten Ort durch Erregung von Lärm 
oder Unordnung den Gottesdienst oder einzelne 
gottesdienstliche Verrichtungen einer im Staat be- 
stehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich verhin- 
dert oder stört“ (§§ 167, 339). Dieser Rechts- 
schutz kommt allen im Staat tatsächlich bestehen- 
den Religionsgesellschaften gleichmäßig zu. Was 
als Gottesdienst und gottesdienstliche Verrich- 
tung anzusehen ist, muß nach den Vorschriften und 
Gebräuchen der einzelnen Religionsgesellschaften 
beurteilt werden; auch religiöser Unterricht kann 
den Begriff des Gottesdienstes erfüllen, z. B. die 
Christenlehre (Katechisation) in der katholischen 
Kirche, das Vorlesen aus der Thora in der Syn- 
agoge. Gegen beleidigende Ausfälle von seiten
	        
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