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Als näheres Ziel dieser partikularrechtlichen
Rentengutsgesetzgebung in einzelnen Bundesstaaten
ist zu bezeichnen die innere Kolonisation, d. h. die
Schaffung eines bäuerlichen Mittelstands und die
Seßhaftmachung ländlicher Arbeiter innerhalb der
Landesgrenzen dort, wo es an diesen Elementen
gänzlich oder in einem für die gesunde Mischung
der ländlichen Besitz= und Bevölkerungsverhält-
nisse erforderlichen Maß fehlt. Diesen Zweck ver-
folgen die Gesetzgebungen Preußens und Mecklen-
burgs. Außerdem aber hat auch die Gesetzgebung
schon einmal in der oben angedeuteten Richtung
angesetzt, um mittels Umwandlung der bestehenden
Hypotheken und Grundschulden in ablösbare Renten
und mit der Vorschrift, daß auch der Kaufpreis
eines ländlichen Guts nicht in Kapital, sondern
in einer gesetzlich ablösbaren Rente bezahlt werde,
also mittels Schaffung von Rentengütern, eine
Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes herbei-
zuführen. Diesen Gedanken suchte ein im Jahr
1893 dem österreichischen Reichsrat vorgelegter,
aber nicht zur Verabschiedung gelangter Gesetz-
entwurf zu verwirklichen.
1. In Preußen hatten die Landeskulturedikte
von 1811 (1816) und 1821 durch die Erklärung
der Ablösbarkeit der Renten die Erbpacht und
Erbzinsrechte zunächst tatsächlich beseitigt; ein
Gesetz von 1845 gestattete dann wieder, die Ab-
lösbarkeit der Renten durch Vertrag auszuschließen.
Der Art. 42 der Verfassung hingegen gewähr-
leistete wieder die Ablösbarkeit, und das daraufhin
ergehende Gesetz vom 2. März 1850 bestimmte in
den §§ 91, 92, daß mit Ausnahme fester Geld-
renten überhaupt keine nach dem Gesetz für ab-
lösbar erklärten Reallasten einem Grundstück auf-
erlegt werden dürften, und daß alle neuen Geld-
renten mit dem zwanzigfachen Betrag ablösbar
sein sollten, wenn nicht vertragsmäßig etwas
anderes festgesetzt sei. Dieser Vertragsfreiheit aber
waren wieder insoweit enge Grenzen gesteckt, als
die Kündigung nicht über 30 Jahre ausgeschlossen
und die Ablösungssumme nicht über das Fünf-
undzwanzigfache der Rente fixiert werden durfte.
Auch in den 1866 neu erworbenen Landesteilen
wurde ein ähnlicher Rechtszustand eingeführt, so-
weit er nicht schon bestand. Hauptsächlich infolge
jener Landeskulturedikte, nach welchen die Bauern
ihre Freiheit von dem Obereigentum bzw. den
Reallasten in der Regel durch Abtretung in Land
und zwar ½ bzw. ½ ihres Areals, je nachdem
sie es erblich oder nichterblich besessen hatten, er-
kaufen mußten, somit in ihrer wirtschaftlichen
Existenz außerordentlich geschwächt wurden, wurde
der Bestand an mittleren und kleineren Bauern-
gütern im Osten der Monarchie dezimiert; von
1816 bis 1859 gingen allein 9873 spannfähige
bäuerliche Nahrungen an den Großgrundbesitz ver-
loren. Weitere Ursachen beförderten das Wachsen
des letzteren außerdem noch und trugen zur zu-
nehmenden Entwölkerung des platten Landes bei.
Dazu kam der bereits erwähnte allgemeine Um-
Rentengüter.
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schwung in den Anschauungen über den Wert der
aufgegebenen Rechtsinstitute. So kam es, daß
bereits im Jahr 1879 das Landesökonomiekol-
legium und im Jahr 1882 die Zentralmoorkom=
mission, letztere insbesondere behufs Kultivierung
der Hochmoore, der Wiederherstellung von Ver-
hältnissen ähnlich der Erbpacht, dem Erbzinsgeld,
der Emphyteuse oder der Rente das Wort redeten.
a) Die unmittelbare Veranlassung zur Ein-
führung von gesetzlichen Vorschriften über Renten-
güter gab indessen die preußische Polenpolitik.
Zur Stärkung des deutschen Elements in den
polnischen Landesteilen sollte die Ansiedlung deut-
scher Bauern und Arbeiter dortseldst gefördert
werden. Die Maßregeln, welche ein 1886 dem
Landtag vorgelegter Gesetzentwurf zu diesem Zweck
vorschlug, bestanden darin, daß der neu zu er-
richtenden Ansiedlungskommission
100 Mill. A# zur Verfügung gestellt wurden, um
1) Grundstücke käuflich zu erwerben, 2) soweit
erforderlich diejenigen Kosten zu bestreiten, welche
entstehen aus der erstmaligen Einrichtung und
Reglung der Gemeinde-, Kirchen= und Schul-
verhältnisse neuer Stellen von mittlerem und
kleinerem Umfang oder ganzer Landgemeinden,
mögen sie auf besonders dazu angekauften (1)
oder auf sonstigen, dem Staat gehörigen Grund-
stücken errichtet werden. Die Uberlassung der neu
gegründeten Stellen sollte gegen angemessene
Schadloshaltung des Staats zu Eigentum oder
auch in Zeitpacht erfolgen. Von der Kommission
des Abgeordnetenhauses wurden jedoch Bestim-
mungen eingefügt, wonach die Übertragung auch
in Renten erfolgen kann.
Mit dieser Erweiterung wurde der Entwurf Ge-
setz vom 26. April 1886 und so das Rentenguts-
institut zunächst für den Bereich des Gesetzes, die
Provinzen Westpreußen und Posen, eingeführt.
Nach diesem Gesetz gelten für diese Rentengüter
folgende Rechtsgrundsätze. Es kann ein Grund-
stück gegen Ubernahme einer festen Geldrente,
deren Ablösbarkeit von der Zustimmung beider
Teile abhängig gemacht werden kann, zu Eigen-
tum überlassen werden. Die Feststellung des Ab-
lösungsbetrags und der Kündigungsfrist bleibt der
vertragsmäßigen Bestimmung überlassen; von dem
Rentenberechtigten darf jedoch ein höherer Ab-
lösungsbetrag als der fünfundzwanzigfache Betrag
der Rente nicht gefordert werden, wenn die Ab-
lösung, auf seinen Antrag erfolgt. Die Abreden
müssen in das Grundbuch eingetragen werden; ist
dies nicht geschehen, so gilt Dritten gegenüber die
das Grundstück belastende Rente als eine solche,
welche von dem Verpflichteten nach sechsmonatiger
Kündigung mit dem zwanzigfachen Betrag ab-
gelöst werden kann. Den festen Geldrenten sind
gleich zu achten diejenigen sesten Abgaben in
Körnern, welche nach dem jährlichen, unter An-
wendung der 88 20/25 des Ablösungsgesetzes vom
2. März 1850 ermittelten Marktpreise in Geld
abzuführen sind. Sofern der Erwerber vertrags-