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ohne die monarchischen zu befriedigen. Eine solche
Zeit des Paktierens mit der Revolution bei äuße-
rem monarchischem und konservativem Schein ist
die Blütezeit der „neutralen“, charakterlosen Ge-
stalten, die ohne tiefere Prinzipien sich elastisch den
augenblicklichen Verhältnissen anzupassen wissen.
Das innere Zerwürfnis wird fortdauern, die po-
litischen Parteien werden fortfahren, sich heimlich
und öffentlich zu befehden, und schließlich werden
die Rücksichtslosesten die Oberhand gewinnen und
dem Königtum ein frühes Ende bereiten oder es
wenigstens zum wesenlosen Schatten herabwür-
digen. Die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes ist
die Ursache, warum die zweimalige Restauration
in Frankreich von keiner nachteiligen Wirkung
war (vgl. Jarcke, Vermischte Schriften III 411).
Weitere Literaturangaben über unsern Gegenstand
s. bei Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen
Staatsrechts I„ 1863] 565/576; J. Held,
Staat und Gesellschaft II I1863) 649; Mohl,
Enzyklopädie der Staatswissenschaften (11872)
208; Pfeiffer, Inwiefern sind Regierungshand-
lungen eines Zwischenherrschers für den recht-
mäßigen Regenten nach dessen Rückkehr verbind-
lich? (18191. [Cathrein 8. J.)
Restitution s. Begnadigung.
Retorsion. 1. Wesen und Begriff.
Grund und Quelle des Rechts ist nicht nur die D
Rechtsnotwendigkeit, sondern auch die Billigkeit,
d. i. die allseitige Berücksichtigung von Beweg-
grund und Zweck im menschlichen Handeln, um so
den denkbar richtigsten Maßstab für dasselbe zu
ermitteln. Indem schon die römischen Juristen
den Satz aufstellten: Aequitas dictat iudicium,
haben sie die Fortbildung und Anwendung des
strengen Rechts durch im Rechtsverkehr sich geltend
machende Billigkeitsforderungen anerkannt, wie
das Justinus Gentilis in seiner Abhandlung: De
eo ducd iustum est circa justitiam et aequi-
tatem, überzeugend dargelegt hat. Dieselbe Idee
liegt den Billigkeitsgerichtshöfen, wie sie sich neben
den Gerichten des gemeinen Rechts zuerst in Eng-
land entwickelt haben, den Schiedsgerichten und
auch dem Prinzip der freien richterlichen Beweis-
würdigung im Strafverfahren zugrunde. Im
Völkerrecht ist das Moment der Billigkeit um so
erheblicher, als hier die Normen unvollkommener
sind als jene des nationalen Rechts und die über-
einstimmende Rechtsüberzeugung der Kulturstaaten
zum weitaus größten Teil, besonders im Kriegs-
verfahren, auf Brauch und Herkommen und der
erprobten Rechtsübung beruht. Wird nun die
Billigkeit von einem Staat außer acht gelassen, so
wird der dadurch betroffene Staat in Anbetracht
der offenbaren Unbilligkeit eines solchen Verhaltens
auch seinerseits Billigkeitsansprüchen Be-
rücksichtigung versagen. Hierin liegt das
Wesen der Retorsion. Sie ist Ahndung einer
Unbilligkeit durch Verweigerung von Billigkeits-
ansprüchen. Dies deutet denn auch das Wort
retorquere = zurückdrehen, rückwärtsbeugen, eine
Restitution — Retorsion.
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nachteilige Behandlung rückanwenden, sinngemäß
an. Gerichtet ist die Retorsion gegen die Hintan-
setzung der aequitas juris, nicht etwa schon gegen
die Außerachtlassung der comitas gentium, der
würdevollen, entgegenkommenden Höflichkeit im
internationalen Verkehr, die man wünschen und
schätzen wird, aber nicht beanspruchen kann. Eine
Verletzung des Völkerrechts hat die Retorsion nicht
zur Voraussetzung, schließt sie vielmehr begrifflich
aus. Sie hat nicht den Charakter eines feind-
seligen Aktes und ihrem juristischen Wesen nach
größere Verwandtschaft mit der Reziprozität wie
mit den Repressalien; sie geht von der praktischen
Lebensregel aus: Quod quisque in alterum
statuerit, ut ipse eodem iure utatur. Das
will sagen: Setzt ein Staat im Rechtsverkehr das
Billigkeitsmoment einem andern Staat gegenüber
beiseite, so wird der in solcher Weise beeinträchtigte
Staat sich auf gleichen Fuß stellen in dem Vor-
haben und mit dem Zweck, dadurch die Unbillig-
keit zu beheben.
2. Geschichtliches. Mit den Anfängen
einer Gleichgewichtsidee entstand wie von selbst
das Bestreben, einer Verrückung des politischen
Gleichgewichts entgegenzuwirken, nicht etwa bloß
einem drohenden Übergewicht, sondern selbst ge-
ringfügigeren Verschiebungen der Interessenkreise.
enn die Erfahrung zeigte alsbald, daß hinter
jeder Freiheitsfrage eine Rechts= und Machtfrage
verborgen war, und daß, wer in ersterer Beziehung
einen Schritt zurückwich, sich bereits auf einer
schiefen Ebene befand. In solcher Weise sind durch
kleine Rechtsverschiebungen, durch Erdulden einer
Unbilligkeit freie Staaten zu unfreien und gegen-
teilig durch eine lebhafte Empfindung bei Rechts-
und Billigkeitsversagung bedingte Stellungen zu
unbedingten geworden. Waren diese Erwägungen
schon den hellenischen Gemeinwesen nicht fremd,
wie Hume in seinem Essay of the balance of
power nachgewiesen hat, so brachte die diplo-
matische Kunst eine gewisse Methode in dieselben,
nachdem das Prinzip von der Gleichheit der
Staaten innerhalb eines europäischen Staaten-
systems alle Versuche zur Herstellung eines weit-
greifenden Universalreichs überwunden hatte. Das
geschah zunächst in Italien, wo sich die zahl-
reichen Kleinstaaten dergestalt gegeneinander zu
behaupten suchten, daß keiner dem andern gefähr-
lich werden konnte. In dieser Politik tritt die
Retorsion in ihrem wahren Grundcharakter auf
als Abwehr eines Verfahrens, das als unbilliges
empfunden wird. Allein der Hang zu künstlichen
Kombinationen unter gänzlichem Absehen von den
Moralgeboten, wobei man List durch List, Treu-
bruch durch Treubruch bekämpfte, der bekannte
Machiavellismus hat auch den Begriff der Re-
torsion verdunkelt und sohin den wesentlichen Unter-
schied zwischen dieser und der Repressalie als
Wiedervergeltung für erlittenes Unrecht verflüch-
tigt, was erklärlich macht, daß man fortan Re-
torsion und Repressalien verwechselte.