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schaffenen deutschen Zustände. Ihm folgte sein
einziger nicht regierungsfähiger Sohn Hein-
rich XXIV. (geb. 20. März 1878); die Regent-
schaft ging auf den reichsfreundlichen Fürsten Hein-
rich XIV. Reuß j. L. über; als dieser sie am
15. Okt. 1908 niederlegte, auf dessen Sohn den
Erbprinzen Heinrich XXVII. von Reuß j. L., der
schon seit 1892 Regent von Reuß j. L. ist. Nach
dem Ableben von Heinrich XXIV. Reuß ä. L.
wird die Vereinigung beider Fürstentümer in
Form einer Personalunion erfolgen.
Die jüngere Linie Reuß-Plauen zu Gera
teilte sich 1666 wiederum in die jüngere gerasche
Linie, die Linie Reuß-Schleiz (mit den Neben-
linien Reuß-Schleiz-Köstritz und Reuß-Köstritz)
und die Linie Reuß-Lobenstein (mit den Neben-
linien Hirschberg, Lobenstein und Ebersdorf). Aus
der Linie Reuß-Schleiz, die 1806 gefürstet wurde,
stammen die Fürsten von Reuß j. L. Ihr Land
wurde 1848, nach Verzicht des letzten (1853 gest.)
Fürsten von Lobenstein-Ebersdorf ein Gesamt-
gebiet, das am 30. Nov. 1849 eine neue Landes-
verfassung bekam, die am 20. Juni 1856 abge-
ändert wurde. Im deutschen Krieg (1866) neigte
Reuß j. L. Preußen zu, trat am 26. Juni 1866
dem Norddeutschen Bund, 1871 dem Deutschen
Reich bei. Regierender Fürst ist seit 11. Juli
1867 Fürst Heinrich XIV. (geb. 28. Mai 1832,
1858 vermählt mit der 1886 gestorbenen Her-
zogin Agnes von Württemberg, 1890 morgana-
tisch vermählt mit der 1907 gest. Friederike Grätz,
durch sächsische Erhebung Frau von Saalburg).
Im Herbst 1892 wurde sein Sohn aus erster
Ehe. Erbprinz Heinrich XXVII. (geb. 10. Nov.
1858, 1884 vermählt mit Elise Prinzessin zu
Hohenlohe-Langenburg), dauernd zum Stellver-
treter ernannt.
2. Fläche, Bevölkerung. Die Fürsten-
tümer haben einen Gesamtflächeninhalt von
1142 qkm, Reuß ä. L. 317 qkm, Reuß j. L.
827 qckm. In Reuß ä. L. betrug die Bevölkerung
1905: 70603, 1855: 39000, 1816: 23000
Seelen; auf den qkm kamen 1905: 174,9,
1871: 107,8 Einwohner. Dem Bekenntnis nach
waren 1905: 68 549 Evangelische, 1205 Katho-
liken, 54 Juden; auf 1000 Einwohner kamen
979,9 (1871: 995,7) Protestanten, 17,1 (1871:
3,3) Katholiken, 0,8 (1871: 0,4) Juden. In
Reuß j. L. betrug die Bevölkerung 1905:144 584,
1855: 80 000, 1816: 60 000 Seelen; auf den
qkm kamen 1905: 174,9, 1871: 107,8 Ein-
wohner. Dem Bekenntnis nach waren 1905:
140 640 Evangelische, 2806 Katholiken, 290 Ju-
den; auf 1000 Einwohner kamen 972,7 (1871:
997,2) Protestanten, 19,4 (1871: 2,1) Katho-
liken, 2,0 (1871: 0,2) Juden. Bei Reuß j. L.
unterscheidet man das Unterland mit der Haupt-
stadt Gera (1905: 46 909 Einw.) und 87 Land-
gemeinden und das Oberland mit fünf kleinen
Städtchen (Schleiz, Lobenstein, Hirschberg, Saal-
burg, Tanna) und 79 Landgemeinden. Reuß ä. L.
Reuß.
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zählt neben der Hauptstadt Greiz (1905:23 118
Einw.) und der Stadt Zeulenroda (9776 Einw.)
73 Landgemeinden. Von der Gesamtfläche ent-
fallen auf Ackerland und Gärten in Reuß ä. L.
40,9% , in Reuß j. L. 39,1 %, auf Wiesen 17,2
bzw. 16,8⅝%, auf Wald 35.6 bzw. 37,8 %%;
vom Wald sind 38,6 bzw. 52,9% Kronforsten
(Staatsforsten sind nicht vorhanden). Nach der
Berufszählung von 1907 widmeten sich in Reuß
ä. L. bzw. Reuß j. L. der Landwirtschaft 13,6
bzw. 16,9 % der Bevölkerung, der Industrie ein-
schließlich Bergbau 66,0 bzw. 57,8 %, Handel
und Verkehr 10,3 bzw. 6,7 %. Der Bergbau
erstreckt sich auf Braunkohle, Eisen, Kupfer,
Salz, auch mehrere Mineralquellen sind vor-
handen. Die Industrie ist vorwiegend Textil-,
Leder= und Maschinenindustrie.
3. Verfassung, Verwaltung. Für Reuß
ä. L. ist maßgebend das Verfassungsgesetz vom
28. März 1867, für Reuß j. L. das revidierte
Staatsgrundgesetz vom 14. April 1852, das durch
die Gesetze vom 20. Juni 1856 und 15. März
1860 in wesentlichen Punkten abgeändert wurde.
Des Hauses ältester Fürst ist für beide Linien
Senior. Alle Mitglieder des Hauses führen den
Titel „Durchlaucht"“, sämtliche männliche Mit-
glieder tragen den Namen Heinrich (vgl. Sp. 659).
Die 1692 gestiftete Paragiatslinie Reuß-Köstritz
hat nur gewisse Ehrenrechte. Die beiden Landes-
herren beziehen keine Zivilliste.
In Reuß j. L. setzt sich der Landtag (Wahl-
gesetz vom 17. Jan. 1871, Nachträge vom 8. Mai
1874 und 30. April 1891) zusammen aus den
drei Abgeordneten der Höchstbesteuerten (über
5000 M Einkommen), den zwölf Abgeordneten
der übrigen Wähler und dem fürstlichen Besitzer
des Reuß-Köstritzer Paragiums. Das aktive Wahl-
recht besitzt (unter den allgemein üblichen Be-
schränkungen) jeder männliche Staatsangehörige,
der das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, das Ge-
meindewahlrecht in einer Ortsgemeinde des
Fürstentums besitzt, zur Einkommensteuer veran-
lagt ist; das passive Wahlrecht jeder, der das aktive
Wahlrecht besitzt und seit mindestens einem Jahr
Staatsangehöriger eines deutschen Gliedstaats ist.
Vater und Sohn oder Brüder können nicht gleich-
zeitig Abgeordnete sein. Die Wahlen sind direkt
und geheim. Die absolute Mehrheit entscheidet.
Beamte zeigen die auf sie gefallene Wahl der vor-
gesetzten Behörde nur an. Wer sein Mandat ohne
Genehmigung des Landtags niederlegt, ist für die
laufende Landtagsperiode nicht wieder wählbar.
Die Abgeordneten verpflichten sich durch Hand-
schlag und ein Gelöbnis, sie erhalten die Reise-
kosten und eine „tägliche Auslösung“ (Tagegelden),
und zwar die Abgeordneten aus Gera 6 M die
übrigen 12 M, der Präsident 15 M. Der Land-
tag soll regelmäßig alle drei Jahre berufen werden.
Für die Zwischenzeit besteht ein Landtagsausschuß
(drei Mitglieder). Der Landtag besitzt das Steuer-
bewilligungsrecht, die Mitwirkung bei der Landes-