Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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gesetzgebung, das Recht des Gesetzesvorschlags, 
der Beschwerde, der Adresse sowie der Minister- 
anklage. 
In Reuß é. L. besteht die Landesvertretung 
aus 12 Abgeordneten bzw. deren Stellvertretern; 
drei werden vom Landesherrn ernannt, zwei durch 
die Ritterguts= bzw. Gutsbesitzer (Güter mit min- 
destens 150 Morgen), die weiteren sieben von den 
übrigen Staatsangehörigen gewählt. Für das 
aktive Wahlrecht ist das 25. Lebensjahr, Staats- 
angehörigkeit, eigner Hausstand, die Entrichtung 
direkter Steuern usw. erforderlich, für das passive 
Wahlrecht das 30. Lebensjahr, im übrigen gelten 
die gleichen Voraussetzungen. Die Annahme der 
Wahl darf nur aus erheblichen Gründen abge- 
lehnt werden. Beamte, Geistliche und Lehrer be- 
dürfen des Urlaubs zur Annahme, sie müssen die 
Stellvertretungskosten selbst tragen. Die Ernen- 
nung bzw. Wahl erfolgt auf 6 Jahre, die Aus- 
scheidung zur Hälfte alle 3 Jahre. Die Wahlen 
der Gutsbesitzer sind direkt und geheim, die all- 
gemeinen Wahlen sind indirekt und geheim. Der 
Landtag soll regelmäßig alle drei Jahre berufen 
werden. Er kann Mitglieder wegen unwürdigen 
Verhaltens zeitweise mit zwei Drittel aller Stim- 
men, gänzlich bei Einstimmigkeit ausschließen. Ein 
besoldeter Schriftführer wird für die Dauer des 
Landtags aus der Zahl der inländischen Rechts- 
kundigen gewählt. Die Abgeordneten leisten einen 
Eid, sie beziehen Tagegelder, die in Greiz wohnen- 
den 6 M, die auswärtigen 7.5 M, der Präsident 
9 M. Urlaubsgesuche bedürfen der Genehmigung 
des Landtags, bei einem Urlaub von mehr als 
7 Tagen hat der Stellvertreter einzutreten. Der 
Landtag hat das Recht der Mitwirkung bei der 
Gesetzgebung und bei der Ordnung des Staats- 
haushalts, ferner das Recht der Beschwerde und 
der Anklage gegen Staatsdiener. 
Im Bundesrat haben beide Reuß je eine 
Stimme, in den Reichstag entsenden sie je einen 
Abgeordneten. 
Zentralbehörde und nächst dem Landesherrn 
das oberste Regierungsorgan ist in Reuß j. L. das 
Ministerium, das in 4 Abteilungen, 1) Angelegen- 
heiten des fürstlichen Hauses, des Reichs und der 
Bundesstaaten, 2) innere Landesverwaltung, Mi- 
litär= und Straßenbausachen, 3) Justiz, Kirchen- 
und Schulsachen, 4) Finanzen und Sparkassen, 
zerfällt. An der Spitze des Ministeriums steht ein 
verantwortlicher Minister, der zugleich Abteilungs- 
vorstand der ersten und einer der übrigen drei Ab- 
teilungen ist. Unter seinem Vorsitz tagt das Ge- 
samtministerium (der Minister und die stimm- 
führenden Abteilungsvorstände), das zuständig ist 
für Rekurse gegen Verfügungen der einzelnen Ab- 
teilungen, für Anstellung, Pensionierung usw., 
der Staats-, Kirchen= und Schuldiener usw. — 
Das gesamte Staatsgebiet ist in zwei Landrats- 
bezirke, den unterländischen (Gera) und den ober- 
ländischen Bezirk (Schleiz) eingeteilt, die zugleich 
Selbstverwaltungsbezirke sind. Für gewisse Ver- 
Reuß. 
  
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waltungssachen besteht ein Bezirksausschuß, der 
sich aus dem Landrat, einem Vertreter der fürst- 
lichen Kammer, den Bürgermeistern der Städte 
des Bezirks und 13 bis 10 gewählten Mitgliedern 
zusammensetzt. 
Reuß ä. L. hat zwei gleichberechtigt nebenein- 
ander stehende Zentralbehörden, die Landesregie- 
rung und (für Kirchen= und Schulsachen) das 
Konsistorium, beides sind Kollegialbehörden ohne 
Ressorteinteilung. Die Angelegenheiten des fürst- 
lichen Hauses werden durch das Geheime Kabinett 
verwaltet. Für die innere Landesverwaltung be- 
steht ein Landratsamt. (Einzelne landratsamtliche 
Befugnisse hat auch das Amtsgericht Burgk, so 
daß auch von zwei Verwaltungsbezirken gesprochen 
werden kann.) Gleichfalls für das ganze Staats- 
gebiet besteht mit bestimmten Aufgaben ein Landes- 
ausschuß, der sich aus dem Vorstand des Land- 
ratsamts, einem Vertreter der fürstlichen Kammer 
und sechs Vertretern der Städte, Landgemeinden 
undexkommunalisierten Rittergütern zusammensetzt. 
Die Verwaltung der Ortsgemeinden wird in 
beiden Fürstentümern ausgeübt von der Gemeinde- 
versammlung (gebildet von den stimmberechtigten 
Gemeindemitgliedern) und den Gemeindebehörden, 
das sind der Gemeinderat und der Gemeindevor- 
stand. Der Gemeinderat geht aus den Wahlen 
der Gemeindeversammlung hervor, in Reuß j. L. 
gehören diesem ohne weiteres auch an die wenig- 
stens den vierten Teil aller Gemeindelasten auf- 
bringenden Bürger. Den Gemeindevorstand bildet 
der Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister und 
sein Stellvertreter (in Gera jedoch eine Kollegial- 
behörde). 
Reuß j. L. besitzt 5 Amtsgerichte; zum Land- 
gericht Gera gehört auch der Neustädter Kreis des 
Großherzogtums Sachsen (Staatsverträge vom 
18. Mai 1878 und 27. Dez. 1906). Reuß ä. L. 
hat drei Amtsgerichte und ein eignes Landgericht 
in Gera. Zuständiges Oberlandesgericht ist das 
gemeinschaftliche Thüringische Oberlandesgericht 
in Jena (Staatsverträge vom 19. Febr. 1877 
bzw. 27. Nov. 1903). ÜUber die Schwurgerichts- 
bezirke vgl. die Ausführungen beim Art. Sachsen- 
Weimar-Eisenach. 
Beide Reuß haben je eine Handelskammer und 
eine Handwerkskammer (Reuß j. L. die letztere ge- 
meinsam mit Sachsen-Altenburg). 
Das unbewegliche Staatsvermögen besteht in 
der Hauptsache aus Gebäuden und Straßen. Ein- 
nahmequellen sind Gebühren (besonders auf dem 
Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit), Grund-, 
Einkommen= und Hundesteuern. In Reuß j. L. 
treten noch hinzu die Uberschüsse der drei staat- 
lichen Landessparkassen und die Nutzungen aus 
dem Landesdomanialfonds, in Reuß . L. die von 
sämtlichen Staats= und einigen Gemeindestraßen 
erhobenen Wegegelder. Die Fürstentümer haben 
keine eignen Eisenbahnen, erheben aber Grund- 
bzw. Einkommensteuern, insoweit die betreffenden 
fremden Staatsbahnen ihr Gebiet berühren. Ein
	        
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