665
staatliches Institut ist in Reuß j. L. ferner die
Landrentenbank (für Ablösung der Grundlasten
usw., geschaffen 1876). Nicht zum Staatsgut
gehört in beiden Ländern das vorwiegend aus
Forsten bestehende Kammergut (Haus-, Doma-
nial= und Familiengut des fürstlichen Hauses), das
von der mit Behördeneigenschaft ausgestatteten,
von der Landesregierung völlig unabhängigen
Fürstlichen Kammer verwaltet wird. Zur Schad-
loshaltung des Staats für seinen endgültigen
Verzicht auf seine Mitansprüche am Kammergut
wurde in Reuß j. L. (Gesetz vom 23. Nov. 1880)
der Landesdomanialfonds (1 Mill. M) begründet,
der auf einen Teil des Kammerguts hypothekarisch
für den Fiskus sichergestellt ist und aus der Kam-
merkasse mit 4% verzinst wird. In Reuß ä. L.
regelt der von der Landesregierung und der Kam-
mer geschlossene (nicht veröffentlichte) Intraden-
vertrag vom 21. April 1868 die Entschädigung,
welche der Staat an die Kammer für Überlassung
einer Reihe von Einkünften zu zahlen hat. In
Reuß ä. L. besteht noch das Bergregal. Im
Staatshaushaltsetat von Reuß j. L. der Finanz-
periode von 1908/10 sind die jährlichen Ein-
nahmen verzeichnet mit 2,63 Mill. M. die jähr-
lichen Ausgaben mit 2,57 Mill. M (darunter
0,55 Mill. M für Reichszwecke); die Staatsschuld
betrug 1909: 1,04 Mill. M. Im Hauptfinanz-
etat für 1909 von Reuß ä. L. balancieren Ein-
nahmen und Ausgaben (davon 0.48 Mill. für
Reichszwecke) mit 1,52 Mill. M; Staatsschulden
sind nicht vorhanden.
Die Militärkontingente bilden mit dem von
Schwarzburg-Rudolstadt das II. und III. Batail=
lon des 7. Thüringischen Infanterieregiments
Nr 96, das zur 38. Division des XI. Armeekorps
gehört (Militärkonvention vom 15. Sept. 1873).
Das Landeswappen beider Linien hat vier
Felder. Zwei schwarze Felder links oben und rechts
unten zeigen je einen aufrecht stehenden Löwen,
zwei silberne Felder rechts oben und links unten
einen goldenen Kranich. Schwarz, Rot, Gelb sind
die Landesfarben. Jedes der beiden Länder ver-
leiht ein Zivilehrenkreuz (3 Klassen) und ein Ehren-
kreuz (4 Klassen).
4. Kirche und Schule. Der Genuß der
staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig vom re-
ligiösen Glaubensbekenntnis. In Reuß ä.
(landesherrliche Verordnung vom 6. Nov. 1886)
dürfen jedoch gemeinschaftliche gottesdienstliche
UÜbungen nur unter bestimmten Voraussetzungen
abgehalten werden. In Reuß j. L. besteht die be-
sondere Bestimmung, daß die Religion nie als
Vorwand gebraucht werden darf, um sich irgend
einer gesetzlichen Verbindlichkeit zu entziehen. Auf-
züge bei kirchlichen Festlichkeiten bedürfen in beiden
Fürstentümern, wenn sie in der hergebrachten Weise
stattfinden, weder einer vorgängigen Genehmigung
noch einer Anzeige.
Landeskirche ist die evangelisch-lutheri-
sche Kirche. In Reuß ä. L. übt der Landesherr
Reuß.
666
seine Episkopalrechte durch das Konsistorium, in
Reuß j. L. durch die Abteilung für Kirchen= und
Schulsachen. Die Kirchengemeinden haben eine
presbyteriale Verfassung (Reuß ä. L.: Gesetz vom
7. April 1880, Reuß j. L.: Gesetz vom 30. Nov.
93
J.
Die Katholiken in Reuß j. 2. standen bis
1869 unmittelbar unter der Propaganda. Durch
deren Dekret vom 27. Jüni 1869 wurden sie ohne
offizielle Verständigung der Landesregierung dem
Bischof von Paderborn unterstellt. Als 1883 die
Katholiken der Stadt Gera eine Missionsstelle mit
ständigem Geistlichen wünschten, machte die Regie-
rung ihre Zustimmung von der Übertragung der
Jurisdiktion an den Apostolischen Vikar im König-
reich Sachsen abhängig. Diese erfolgte durch Pro-
pagandadekret vom 7. Okt. 1889. Nach längeren
Verhandlungen zwischen dem Apostolischen Vika-
riat und der Regierung wurde durch fürstliches
Reskript vom 15. Juni 1894 das Statut der rö-
misch-katholischen Gemeinde zu Gera vom 1. Juni
1894 anerkannt. Die Gemeinde erhielt die Rechte
einer juristischen Person (privatrechtlichen Cha-
rakters). Zur Pfarrei Gera gehören außer der
Stadt Gera die Dörfer Debschwitz und Pforten,
dem Pfarrer von Gera ist jedoch die Ausübung
geistlicher Funktionen an nicht zur Pfarrei ge-
hörenden Orten nicht verwehrt, ebensowenig Geist-
lichen der Nachbarländer (der Pfarrer von
Plauen i. V. [Königreich Sachsen] pastoriert in
Schleiz, der Pfarrer von Weida [Sachsen-Wei-
mar in Triebes). Die gedeihliche Fortentwicklung
der katholischen Verhältnisse scheitert am Geld-
mangel, Staat und Gemeinden leisten keinerlei
Unterstützung, die Erhebung einer Kirchensteuer
ist nicht gestattet. Staat und Gemeinden bezahlen
den Etat der evangelisch-lutherischen Kirchen aus
ihren Mitteln. Eigene Kirchensteuern gibt es nicht.
Die Katholiken tragen zu gleichen Teilen bei, ohne
das Recht einer Rückvergütung an ihre Kirchenkasse.
Gesuche um Abänderung sind bislang ergebnislos
geblieben. — In Reuß ä. L. wurden die Ka-
tholiken durch die Bemühungen der 1822 mit dem
Fürsten Heinrich XIX. vermählten katholischen
Fürstin Gasparina von Rohan-Rochefort durch
Schreiben der Wiener Nuntiatur vom 15. März
1822 dem Erzbischof von Prag unterstellt. Durch
—
□
L. päpstliches Breve vom 18. März 1874 kamen sie
unter die Jurisdiktion des Apostolischen Vikars
in Sachsen. Seit 1897 besteht die Pfarrei Greiz.
Das Statut der römisch-katholischen Gemeinde zu
Greiz vom 12. April 1897 fand am 7. Juni 1897
die fürstliche Bestätigung, gleichzeitig erfolgte die
Verleihung der juristischen Person Grivatrecht-
lichen Charakters). Der Geistliche zu Greiz hält
auch Gottesdienst zu Fraureuth, auch Geistliche
der Nachbarländer (Pfarrer von Steben lBayernl,
Pfarrer von Werdau (Sachsen.) sind an der Vor-
nahme geistlicher Handlungen nicht gehindert. Zur
Veranstaltung von Gottesdienst in der Diaspora
des Fürstentums ist jedoch landesherrliche Geneh-