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migung erforderlich. — Staatliche Bestimmungen
über Konfessionswechsel, gemischte Ehen, Erziehung
von Kindern gemischter Ehen, Ordensniederlas-
sungen usw. sind in beiden Fürstentümern nicht
vorhanden, doch kommen im allgemeinen die im
Königreich Sachsen geltenden Grundsätze zur An-
wendung.
Die öffentlichen Volksschulen sind evangelisch-
lutherisch; sie werden von den politischen Gemein-
den oder besondern Schulgemeinden unterhalten
(Reuß j. L.: Volksschulgesetz vom 31. Juli 1900,
Reuß ä. L.: Gesetz vom 12. Jan. 1887). Zu den
Kosten tragen die Katholiken anteilmäßig ebenso-
viel bei wie die Protestanten. Katholischer Re-
ligionsunterricht wird in den öffentlichen Volks-
schulen nirgends erteilt. Eine private katholische
Volksschule (etwa 180 Kinder) besteht seit 1903
in Gera (Reuß j. L.), Staat und Stadt leisten
keinen Zuschuß. Elwa 50 Kinder, welche slädti-
sche Schulen besuchen, erhalten noch außerdem
katholischen Religionsunterricht in der katholischen
Schule. In den städtischen Volksschulen werden
die Religionszensuren, welche das katholische
Pfarramt den katholischen Schülern ausstellt, auf
die Zensurliste geschrieben. In Greiz (Reuß ä. L.)
erstrebt die katholische Gemeinde (etwa 120 schul-
pflichtige Kinder) seit 1908 eine eigne Schule, bis
Oktober 1910 steht die Genehmigung der Ober-
schulbehörde noch aus.
Literatur. Auerbach, Bibl. Ruthenea (1892,
Nachtrag 1900); B. Schmidt, Die Reußen, Genea-
logie des Gesamthauses (1903); ders., Vogtländische
Forschungen (1904); Limmer, Entwurf einer Gesch.
des Vogtlandes (4 Bde, 1825/28); ders., Kurze
Übersicht der Gesch, des Hauses R. (1829); Brück-
ner, Landeskunde des Fürstentums R. j. L. (2 Bde,
1870); Vocke, R.-Länder (1852); Liebmann u.
Müller, Staatsrecht von R., in Marquardsens
Handbuch des öffentl. Rechts III, 2. Abt. (1884);
P. Schlotter, Staats= u. Verwaltungsrecht der
Fürstentümer R. (1909); Burkhardt, Einführung
der Reformation in R. (1894); Freisen, Staat u.
kath. Kirche II (1906) 327 f; ders., Der kath. u.
protest. Pfarrzwang (1906) 104 ff. [Sacher.]
Revision s. Rechtsmittel.
Revolution. 1. Wesen und Beur-
teilung. Revolution ist der gewaltsame
Umsturz der zu Recht bestehenden staatlichen, po-
litischen oder sozialen Ordnung. Sie ist ihrem
Wesen nach etwas Negatives, nichts positiv Schaf-
fendes, ein Umstürzen, kein Aufbauen, sondern ein
Abreißen des historischen Zusammenhangs, kein
organisches Weiterführen desselben. Sie ist ferner
eine mit Gewalt durchgeführte Umwälzung des zu
Recht Bestehenden, die das Gemeinwohl aufs tiefste
erschüttert, und darum nachn christlicher Auffassung
durchaus verboten. Ein Recht der Revolu-
tion gibt es nicht. Zur Begründung dieses Satzes
bedarf es näherer Untersuchung des Begriffs der
Revolution.
Diese ist verschieden von dem sog. aktiven
und passiven Widerstand. Unter letzterem
Revision — Revolution.
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ist das bloße Nichtbefolgen der Gesetze, die Ver-
weigerung des Gehorsams zu verstehen. Genau
besehen ist ein solches rein negatives Verhalten
nicht eigentlich Widerstand. Der passive, in bloßer
Nichtbefolgung eines Befehls bestehende Wider-
stand kann unter Umständen erlaubt, ja wo ein
unsittliches Handeln den Gegenstand des Befehls
bildet, strenge Pflicht sein. Die ersten Christen
haben der Aufforderung, dem Christenglauben ab-
zuschwören und den heidnischen Staatsgottheiten
zu opfern, solch passiven Widerstand entgegen-
gesetzt. Freilich zogen sie sich den Vorwurf der
Empörung gegen die Staatsautorität zu, jedoch
mit Unrecht. Der aktive Widerstand hingegen
besteht darin, daß man sich dem Gesetz entgegen-
stellt und dasselbe positiv bekämpft, entweder mit
gesetzlichen Mitteln oder mit Waffengewalt. Erste-
res kann erlaubt, unter Umständen geboten sein.
Wo Versammlungs-, Preß= und Wahlfreiheit be-
steht, ist ein solches Recht der Untertanen ohnehin
anerkannt. Hingegen ist nicht jeder gesetzliche
Widerstand auch schon sittlich berechtigt, so nicht
der Widerstand, den die heutige Sozialdemokratie
auf legalem Weg der bestehenden Rechtsordnung
entgegensetzt.
Etwas anderes ist die Frage, ob auch der ge-
waltsame, bewaffnete Widerstand erlaubt sei.
Dieser deckt sich keineswegs mit dem Begriff der
Revolution, des Aufruhrs, der Empörung. Revo-
lution, d. h. der gewaltsame Umsturz der zu Recht
bestehenden staatlichen Ordnung, ist mehr als der
bloß aktive Widerstand. Dieser ist eigentlich nur
unter der Voraussetzung eines erfolgten Angriffs
denkbar. Dagegen setzt die Revolution einen sol-
chen nicht voraus, sie umfaßt „alle Gewaltmaß-
regeln, die von einer Partei zum Zweck des Um-
sturzes der zu Recht bestehenden Ordnung unter-
nommen werden“ (Cathrein, Moralphil. 1I1 /597).
Während ersterer unter Umständen erlaubt sein
kann, ist letztere stets und in jedem Fall ein Unrecht.
Die Rousseausche Lehre von der Volks-
souveränität spricht dem Volk das Recht zu,
sich gewaltsam gegen die Regierung zu erheben
und sie nach Belieben abzusetzen. Der Monarch
ist ja nach dieser Theorie nichts anderes als der
Beamte des souveränen Volks. Die französische
Revolution und die Hinrichtung Ludwigs XVI.
waren einfache Folgerungen aus diesem Prinzip.
Gewaltsame Volkserhebungen sind hiernach recht-
mäßige Außerungen des souveränen Volkswillens.
Darum erkennen die „Menschenrechte“ der fran-
zösischen Revolution von 1793 ein solches Recht
ausdrücklich an: „Wenn eine Regierung die
Volksrechte verletzt, so ist für das Volk und jeden
Teil desselben die gewaltsame Erhebung die hei-
ligste und unerläßlichste Pflicht.“
Schon früher beschäftigte die Frage die Ge-
müter, ob ein Volk, das unter dem Druck eines
tyrannischen Regiments seufzt, das Joch gewalt-
sam abschütteln dürfe. Sie spitzte sich zu der viel
ventilierten Frage nach der Erlaubtheit des Ty-