Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Dienerin ist sie dir zum Guten“ (Röm. 13, 1 ff). 
„Seid demnach untergeben jeder menschlichen 
Schöpfung um Gottes willen, sei es dem König 
als dem Höchstgestellten oder den Statthaltern als 
durch ihn Geschickten zur Ahndung der übeltäter, 
zur Belobung aber der Guten, weil es so Gottes 
Wille ist, daß ihr Gutes tuend zum Schweigen 
bringet unverständiger Menschen Unwissenheit, als 
Freie, und nicht als hättet ihr zum Deckmantel 
der Bosheit die Freiheit, sondern so wie Diener 
Gottes. Haltet alle in Ehren! Liebt Brüderlich- 
keit! Fürchtet Gott, ehret den König“ (1 Petr. 2, 
13 ff). Also auch dann, wenn die Obrigkeit un- 
mittelbar menschliche Schöpfung ist, mensch- 
licher Einrichtung ihr Dasein verdankt, gebührt 
ihr Gehorsam um Gottes willen. Das „König- 
tum von Gottes Gnaden“ hat keineswegs den 
Sinn, daß die Übertragung der königlichen Ge- 
walt unmittelbar durch Gott oder göttliche Or- 
gane erfolge und nicht vielmehr durch das Volk. 
Es ist auch dann noch Königtum von Gottes 
Gnaden und repräsentiert die Idee einer von Gott 
gewollten gesellschaftlichen Ordnung, wenn auch 
der Träger, untreu dieser Idee, als Despot und 
Tyrann herrscht. Obrigkeit bleibt Obrigkeit, ob 
sie den Untertanen sympathisch ist oder mißfällt, 
ob sie das Rechte trifft oder in die Irre geht. 
Wenn also kein Recht des Volks zu erweisen 
ist, mit Gewalt gegen den Fürsten vorzugehen, 
seine Herrschaft abzuschütteln, Revolution zu 
machen, so besitzt es doch ein Recht, alle legalen 
Mittel zu gebrauchen, um der Tyrannei ein Ende 
zu machen. Ein solches Vorgehen ist nicht revo- 
lutionär. Wo einem Volk nach Herkommen oder 
Verfassung die Wahl seines Herrschers zusteht, 
kann es auch den Besitz der Krone an gewisse Be- 
dingungen (Wahlkapitulationen) knüpfen. Hält 
der Gewählte diese nicht ein, so verwirkt er selbst 
das Recht auf die Krone, und das Volk kann zu 
einer Neuwahl schreiten, wenn dadurch nicht noch 
größere Übel, Bürgerkrieg und ähnliches, herauf- 
beschworen werden. Selbst in einer erblichen 
Monarchie könnte den Ständen durch die Ver- 
fassung das Recht eingeräumt sein, in bestimmten, 
genau bezeichneten Fällen dem Fürsten den Krieg 
zu erklären, ihn nötigenfalls abzusetzen. Die Ge- 
schichte kennt mehrere derartige Beispiele. „So 
erkannte Karl der Kahle im Jahr 856 den Großen 
des Reichs, Johann ohne Land im Jahr 1215 
den englischen Baronen (Magna charta Art. 61), 
Andreas II. im Jahr 1222 den ungarischen 
Ständen das Recht des bewaffneten Widerstands in 
gewissen Fällen zu. Ein derartiger Widerstand ist 
keine Revolution oder Rebellion, obwohl anzuerken- 
nen ist, daß solche Zugeständnisse leicht dem schwer- 
sten Mißbrauch ausgesetzt sind“ (Cathrein a. a. O. 
603). Noch viel weniger kann, wenn die Existenz 
des Staats auch bei Verweigerung neuer Steuern 
nicht gefährdet ist, in dieser eine revolutionäre 
Maßregel erblickt werden. In dem Maß, in wel- 
chem sich die legalen Mittel, Reformen im Staat 
Revolution. 
  
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durchzuführen, vermehren und die Untertanen 
sichere Garantien erlangen, daß ein Mißbrauch 
der Staatsgewalt durch die Regierungsorgane ver- 
mieden wird, wird auch die Gefahr der Revolution 
mehr und mehr beseitigt. 
Wenn nun aber keine gesetzlichen Mittel zu 
Gebote stehen, um das Joch drückendster Tyrannei 
zu vermeiden? Da die Obrigkeit durch den Miß- 
brauch der Gewalt ihres Rechts keineswegs ver- 
lustig geht, so muß das Volk den Druck der Ty- 
rannei, sofern er nicht ein maßloser und unerträg- 
licher ist, über sich ergehen lassen. Zwar ist es 
einstimmige Lehre der christlichen Rechtsphilo- 
sophen, daß ungerechte Gesetze und tyrannische 
Anordnungen an sich keine Pflicht des Gehorsams 
begründen können, weil ihnen ein wesentliches 
Merkmal des Gesetzes, die auf das Wohl des 
Ganzen gerichtete Absicht, fehlt. Aber es ist eine 
Forderung des Gemeinwohls, solche Unzuträglich- 
keiten zu dulden, da ein gewaltsamer Widerstand 
gegen einen mächtigen Tyrannen unausbleiblich 
große Unruhen und Gewalttätigkeiten im Gefolge 
haben und leicht größere Ubel durch die Bekämp- 
fung des geringeren eingetauscht würden. Anders 
jedoch, wenn die Bedrückung eine maßlose ist, wenn 
von einem tyrannischen Fürsten die heiligsten 
Rechte der Untertanen, wie das Recht der reli- 
giösen Uberzeugung durch einen Heinrich VIII., 
gewohnheitsmäßig mit Füßen getreten, wenn 
Leben, Gewissen und Vermögen der Untertanen 
und die Ehre der Frauen zum Spielball der 
Launen des Tyrannen werden. In solchem Fall 
gestatten gewichtige Autoritäten den aktiven Wider- 
stand gegen derartig schreiende Rechtsverletzungen. 
So unterscheidet Kardinal Zigliara (Philosophia 
moralis 1880, Nr 55, S. 266) einen doppelten 
aktiven Widerstand, die resistentia defensiva 
und offensiva. Erstere, die sich auf die Abwehr 
aktueller Angriffe erstreckt, ist nach diesem Theo- 
logen unter Umständen erlaubt: Quo in casu non 
resistitur auctoritati, sed violentiae, non iuri, 
sed iuris abusui, non principi, sed iniusto 
aggressori proprü iuris in actu aggressionis. 
Doch verlangt er, daß dieser Widerstand auf ge- 
ordnetem Weg vor sich gehe und durch Vermitt- 
lung der Gemeinden oder Provinzen organisiert, 
also nicht undisziplinierten Banden überlassen 
werde, die im Trüben fischen wollen, weil sonst 
aus dem Widerstand sich noch größere Übel er- 
geben würden. Ein solches Recht wird auch von 
modernen Staatsrechtslehrern und Philosophen 
wie Bluntschli (Die Lehre vom modernen Staat II 
674) und Paulsen (System der Ethik II/ 556) 
anerkannt. Von seinemrechtspositivistischen Stand- 
punkt meint letzterer, Revolution sei zwar unter 
allen Umständen Unrecht, sie könne jedoch zu- 
gleich historisch notwendig und moralisch ge- 
rechtfertigt sein. Obige Lösung der Frage 
rückt um so mehr in den Bereich bloß abstrakter 
Möglichkeiten, als jener Grad einer maßlosen 
Tyrannei wohl nur sehr selten vorkommen wird
	        
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