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Poesie des Sozialismus stürmische, revolutionäre
Gesänge häufig erklingen, wenn ein Heine, Freilig-
rath u. a. zu den Lieblingssängern des sozialisti-
schen Proletariats gehören (vgl. Schlecht, Die
Poesie des Sozialismus (1883I 47 ff). Aus dieser
revolutionären Stimmung stammt der Optimis-
mus, mit dem das Proletariat an den endlichen
Sieg seiner Sache glaubt. „Jede revolutionäre
Klasse ist optimistisch; sie sieht, wie der sterbende
Rodbertus einmal sagte, die Zukunft in einem
wunderbar rosigen Schimmer. Das hat selbst-
verständlich mit irgendwelchem Utopismus nichts
zu tun. Der revolutionäre Kämpfer mag in nüch-
terner Weise die Chancen des Kampfes abschätzen;
ein revolutionärer Kämpfer ist er doch nur, weil er
die felsenfeste Uberzeugung hat, daß er eine Welt
umwälzen kann“ (Rudolphi, Kunst und Prole-
tariat. Neue Zeit XV, I. Halbband (1896/971
130). Von der politisch-revolutionären Strömung
innerhalb des Sozialismus unterscheidet sich die
konomisch-revolutionäre dadurch, daß letztere
glaubt, durch die Selbstzersetzung des Kapitalis-
mus, gleichsam durch einen Mechanismus, werde
eine Diktatur des Proletariats vorbereitet. Wie
verschieden nun diese beiden revolutionären Unter-
strömungen auch sind, „gemeinsam ist ihnen doch
die seste Uberzeugung, daß das Proletariat gegen
alle besitzenden Klassen bis aufs Messer kämpfen
muß, daß es für sie gar keine Konzessionen in
größerem Umfang geben kann und darf, daß die
eigentliche Politik erst nach der Vernichtung der
Kapitalistenklasse zu beginnen habe“ (Weisengrün,
Der Marxismus 454).
Die Wohlfahrt der Gesellschaft zu begründen
ist keine Revolution imstande. Derselbe Révai,
der die Überleitung der Gesellschaft in den Zu-
stand des Kommunismus als die Erlösung aus
Druck und Not begrüßt, gesteht (a. a. O. 185),
daß von Revolutionen niemals befriedigende Re-
sultate, organische Verfassungen, heilsame, dem
Wohl des Ganzen dienende Einrichtungen zu er-
warten seien. Revolutionen können nicht schaffen
und aufbauen, sondern nur zerstören und nieder-
reißen.
Literatur. Hohoff, Die R. seit der Reforma-
tion (1887); Lombroso, Das politische Verbrechen
u. die R.en (1891/92); Cathrein, Moralphilosophie
II# 517ff; v. Hertling, Kleine Schriften zur Zeit-
gesch. u. Politik (1897) 160 ff; Adler, Anarchis-
mus, im Handwörterbuch der Staatswissenschaften
12 296 ff; v. Dunin-Borkowski, Anarchismus, in
den Stimmen aus Maria-Laach (1897); Sombart,
Sozialismus u. soziale Bewegung im 19. Jahrh.
(61908); Weisengrün, Der Marxismus u. das
Wesen der soz Frage (1900); P. Liman, Die R.,
eine vergleichende Studie über die großen Um-
wälzungen in der Geschichte (1906); G. Landauer,
Die R., Bd XIII von Die Gesellschaft (Frankf.
a. M.). Walter.]
Ricardo, David. lI. Leben; II. Werke;
III. Lehre; IV. Stellung in der Geschichte der
nationalökonomischen Wissenschaft.]
Ricardo.
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I. David Ricardo wurde als Sohn einer jüdisch-
portugiesischen, durch seinen Vater von Holland
nach England verpflanzten Kaufmannsfamilie am
19. April 1772 zu London geboren. Vom
14. Lebensjahr ab war er, zuerst im Geschäft
seines Vaters, dann als er im Alter von 21 Jahren
durch seine Heirat mit einer Christin und durch
seinen Ubertritt zum Christentum sich mit seiner
Familie entzweit hatte, selbständig in Börsen-
geschäften tätig. Das große Vermögen, das er
hierbei erwarb, gestattete ihm schon nach wenigen
Jahren, sich ganz seinen wissenschaftlichen Nei-
gungen zu widmen. Diese führten ihn anfangs
zu naturwissenschaftlichen Studien, nachdem er
aber 1799 Smiths Untersuchungen über den
Wohlstand der Nationen kennen gelernt, wandte
er seine hervorragende Verstandsbegabung ganz
den ökonomischen Problemen zu. Nichtsdesto-
weniger trat er erst 10 Jahre später, im Alter
von 37 Jahren (1809), mit einer wirtschafts-
theoretischen Schrift an die Offentlichkeit. Im
Jahr 1813 erwarb er ein Landgut und zog sich
dahin zurück. 1819 wurde er von der Whigpartei
ins Unterhaus gewählt, wo er, ohne eine führende
Stellung einzunehmen, sich durch gründliche Sach-
kenntnis und entgegenkommendes Auftreten großes
Ansehen und Sympathien erwarb. Er starb 1823
in London.
II. Ricardos erste Schriften beschäftigten sich
mit Währungsproblemen. Es sind dies: 1809
The High Price of Bullion, a proof of the
depreciation of bank notes; 1811 Reply to
Mr. Bosanquet's „Practical Observations on
the Report of the Bullion Commitee“ und in
eingehendster und abschließender Ausführung 1816
Proposals for an Economical and Secure
Currency with Observations on the Profits of
the Bank of England. Zwei weitere Schriften
beschäftigten sich mit dem Problem der Getreide-
zölle: 1815 Essay on the Influence of a Low
Price of Corn on the profits of stock, with
remarks on Mr. Malthus’ last two publi-
cations und 1822 On Protection to Agricul-
ture. 1817 erschien das theoretische Hauptwerk
The Principles of Political Economy and
Taxation. Es folgten noch einige kleinere Schrif-
ten finanzwissenschaftlicher Natur: 1820 Essay
on the Funding System in der Encyclopaedia
Britannica; 1822 Speech on Mr. Western’'s
Motion for a Commitee to consider the effects
produced by the resumption of Ccash pay-
ments; 1824 Plan for the Establishment of
a National Bank (Nachlaß).
III. Wert. Wie A. Smith, so unterscheidet
auch Ricardo zwischen Gebrauchswert und Tausch-
wert. Nützlichkeit des Guts ist zwar Bedingung,
nicht aber Bestimmungsgrund des Tauschwerts.
Dieser wird vielmehr ausschließlich bestimmt ent-
weder durch die Seltenheit der Güter oder durch
die zu ihrer Erlangung nötige Arbeitsmenge. Die
Seltenheit wirkt nur bei der kleinen Anzahl jener
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