693
1879; Bayern vom 26. März 1881; Sachsen
vom 20. März 1880; Württemberg vom 28. Juni
1876, 27. Juni 1879; Baden vom 24. Juli
1888; Hessen vom 31. Mai 1879; Elsaß-Loth-
ringen vom 23. Dez. 1873. Für die Mitglieder
des Reichsgerichts sind die hierher gehörigen Vor-
schriften in den §88 128 und 129 des G.V.G. und
für die richterlichen Militärjustizbeamten in der
Militärstrafgerichtsordnung und dem Gesetz betr.
die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustiz-
beamten usw. vom 1. Dez. 1898 enthalten. —
Diese Disziplinargesetze regeln außerdem die im
Interesse einer geordneten Ausübung der Gerichts-
barkeit erforderliche Aufsicht über die richterlichen
Beamten, insbesondere inwieweit zur ordnungs-
mäßigen und rechtzeitigen Erledigung der Ge-
schäfte den Aufsichtspersonen das Recht der Mah-
nung, Rüge, Geldstrafe zusteht, und welcher
Rechtsbehelf den Richtern gegen die Verhängung
dieser Maßregeln gegeben ist. In diesen Rich-
tungen bestehen unter den einzelnen Disziplinar-
ISschen noch mannigfache und weitgehende Unter-
iede.
III. Als Anklang an längst vergangene Zeiten
stellt es sich dar, daß die schwedischen Grundgesetze
die Rechtsprechung als einen Teil der Königs-
gewalt betrachten und danach der König das Recht
hat, an allen Entscheidungen teilzunehmen, welche
von dem höchsten Gerichtshof ergehen. Der König
hat dabei nur zwei Stimmen, kann also über-
stimmt werden. Hat der höchste Gerichtshof eine
Gesetzesauslegung vorzunehmen, so muß die Sache
bei dem König angemeldet werden, und es sind
seine Stimmen einzuholen, auch wenn er nicht
persönlich am Gericht teilnimmt. Auch sind die
Urteile des höchsten Gerichtshofs im Namen des
Königs gesprochen, mit seiner Unterschrift und
seinem Siegel ausgefertigt. Im übrigen findet
nirgends mehr in zivilisierten Staaten eine per-
sönliche Mitwirkung des Staatsoberhaupts beie
der Rechtsprechung statt. In Rußland ist die Ka-
binettsjustiz im Jahr 1864 aufgehoben worden.
Fast alle Staaten fordern besondere Nachweise
für die Befähigung zum Richteramt. Dieser
Nachweis wird teils durch die Ablegung eines
besondern rechtswissenschaftlichen Examens und z
darauf folgende Vorbereitung mit nachfolgendem
praktischem Befähigungsnachweis erbracht, teils
durch die Erwerbung des Grads eines Doktors
der Rechte (Belgien). In Italien findet sich die
Vorschrift, daß je nach dem Ausfall der Prü-
sungen die Befähigung früher oder später zu-
erkannt wird. Fast überall werden für das Auf-
steigen in die höheren Richterstellen besondere
Bedingungen aufgestellt; so in Belgien ein be-
stimmtes Lebensalter und die Ausübung der rich-
terlichen Tätigkeit in dem voraufgehenden Amt
(so auch in Rußland), wo die Ausübung der
advokatorischen Praxis oder der Tätigkeit eines
Rechtslehrers während einer bestimmten Zeit die
Ausübung des Richteramts ersetzt. In Italien,
Richter.
694
wo das Amt des für jede Gemeinde zu ernennen-
den Friedensrichters ein Ehrenamt ist, und in
Rußland wird für dieses Amt keine spezielle Vor-
bildung verlangt; in letzterem Staat aber Gym-
nasialbildung und ein bestimmter hoher Zensus.
Dort wo die Richter nicht vom Staatsoberhaupt
ernannt, sondern wo sie vom Volk gewählt werden
(Schweiz, Einzelstaaten der nordamerikanischen
Union), wird auch keinerlei juristische Vorbildung
gefordert. Auch für die Bundesgerichte der Ver-
einigten Staaten von Amerika wird eine besondere
Qualifikation der Anzustellenden nicht verlangt,
obgleich hier keine Wahl durch das Volk, sondern
Anstellung durch die berufenen Organe der Staats-
gewalt stattfindet.
Von den bereits erwähnten Ausnahmen ab-
gesehen, erfolgt fast ausnahmslos die Anstellung
der Richter durch das Staatsoberhaupt. Bei
Beförderungen in höhere Richterstellen finden sich
Besonderheiten in Belgien, wo insoweit ein Vor-
schlagsrecht der Appellhöfe und Provinzialräte
stattfindet; die Präsidenten und Vize(Kammer-)
präsidenten des Kassationshofes und der Appell-
höfe werden in Belgien von diesen Gerichts-
behörden aus ihrer Mitte gewählt. In Portugal
findet eine Beförderung in ein höheres Richter-
amt nur auf Grund des Gutachtens des höchsten
Gerichtshofs statt, eine Maßnahme, in der eine
Garantie für die Unabhängigkeit der Gerichte er-
blickt wird.
Die Unabhängigkeit des Richterstands ist ähn-
lich wie in Deutschland fast in allen zivilisierten
Staaten durch besondere Verfassungs= bzw. Ge-
setzesbestimmungen gewährleistet. Nur Italien ist
in dieser Beziehung zurück, indem es den presori,
d. h. den Amtsrichtern, überhaupt nicht und den
übrigen Richtern erst nach dreijähriger Dienstzeit
Unabsetzbarkeit zusichert; aber auch diese ist noch
unsicher, indem aus Gründen dienstlicher Zweck-
mäßigkeit die Versetzung verfügt werden kann.
In der Schweiz und den Einzelstaaten der nord-
amerikanischen Union werden die Richter über-
haupt nur auf Zeit gewählt. In vielen Staaten
ist für die Amtstätigkeit eine Altersgrenze gesetzt,
sei es einheitlich für alle richterlichen Amter,
B. in Dänemark mit 65, in Italien mit
75 Jahren, oder aber verschieden nach den ver-
schiedenen Instanzen, z. B. in Belgien, wo für die
Richter an den Untergerichten ein Alter von 70,
an den Appellhöfen von 72 und am Kassationshof
von 75 Jahren als Altersgrenze, mit dem sie
emeritiert werden sollen, gesetzt ist. Überall findet
sich, daß in solchen Fällen das volle Gehalt zu
belassen ist. Das Disziplinarverfahren ist ebenfalls
fast überall richterlichen Behörden übertragen.
Literatur. Birkmeyer, Enzyklopädie der
Rechtswissenschaft; Laband, Das Staatsrecht des
Deutschen Reichs; Marquardsen, Handbuch des
öffentlichen Rechts; Schröder, Deutsche Rechts-
geschichte; Stengel, Wörterbuch des Verwaltungs-
rechts, Art. „R.“; Schulze-Gävernitz, Preußisches