Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Staatsrecht; Stölzel, Die Entwicklung des gelehr- 
ten R.tums in deutschen Territorien; Störk, Hand- 
buch der deutschen Verfassungen; Deutsche Justiz- 
statistik (bearbeitet vom Reichsjustizamt; erscheint 
alle 2 Jahre). [Wellstein.) 
Rittertum s. Adel. 
Rodbertus, Joh. Karl, geb. am 12. Aug. 
1805 in Greifswald. Studierte vorerst (1823/26) 
in Göttingen und Berlin die Rechte. 1827 im 
preußischen Staatsdienst; verlegte sich indessen 
nach kurzer Beamtenkarriere auf das Studium der 
Nationalökonomie. Ein längerer Aufenthalt in 
Dresden und Heidelberg war intensiven Studien 
auf den Gebieten der Geschichte, Philologie und 
Nationalökonomie gewidmet. Verschiedene Stu- 
dienreisen im Ausland trugen nicht wenig zur 
Vertiefung seiner Kenntnisse bei. 1834 endgültig 
nach Hause zurückgekehrt, erwarb er sich die Be- 
sitzung Jagetzow im Demminer Kreis in Pom- 
mern, auf der er sich in der Folge während vierzig 
Jahren als praktischer Landwirt betätigte. 1847 
Abgeordneter des Kreises Usedom-Wollin im 
Provinziallandtag. 1848 Mitglied des Frank- 
furter Parlaments. Starb nach langer Leidenszeit 
am 8. Dez. 1875 auf seinem Rittergut Jagetzow. 
Rodbertus, „der Ricardo Deutschlands“ und 
geistige Führer und Lehrer Lassalles, ist in seiner 
Bedeutung als hervorragender nationalökonomi- 
scher Schriftsteller lange Zeit stark unterschätzt 
worden. Es war Ad. Wagner vorbehalten, die 
wissenschaftlichen Verdienste dieses Gelehrten erst- 
mals richtiger zu würdigen. In der 1842 er- 
schienenen Schrift „Zur Erkenntnis unserer 
staatswirtschaftlichen Zustände“ hat Rodbertus 
bereits die Grundzüge der in seinen sozialen Brie- 
fen entwickelten Lehren niedergelegt. 1845 folgte 
die Schrift „Die preußische Geldkrisis“; 1847: 
„Für den Kredit der Grundbesitzer“ und „Die 
neuesten Grundtaxen des Herrn v. Bülow-Cum- 
merow“. Sein volkswirtschaftliches Hauptwerk 
bilden die „Sozialen Briefe an v. Kirchmann"“ 
(1850). Der zweite und dritte dieser Briefe ge- 
langten in einem gesonderten Band „Zur Be- 
leuchtung der sozialen Frage“ zur Ausgabe. Der 
vierte, letzte Brief wurde nach seinem Tod unter 
dem Titel „Das Kapital“ herausgegeben. 1858 
erschien sodann die Schrift „Die Handelzkrisen 
und die Hypothekennot der Grundbesitzer“. Seinen 
Ruf in der Gelehrtenwelt hat Rodbertus in erster 
Linie durch seine wertvollen Abhandlungen über 
das römische Steuerwesen und Wirtschaftsleben 
begründet. „Die Arbeiten von Rodbertus über 
die römischen Agrar- und Steuerverhältnisse“, 
schreibt Ad. Wagner (Zeitschrift für die gesamten 
Staatswissenschaften NXXIV 199), „sind auf dem 
Gebiet der Nationalökonomie des klassischen Alter- 
tums nicht übertroffen worden. Auch bei Histori- 
kern von Fach gelten sie viel, und wenn auch 
einzelne Resultate immer wieder angefochten 
werden, wie neuerdings seine Auffassung und Er- 
klärung der Entstehung des Kolonats, so sind sie 
Rittertum — Rodbertus. 
  
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doch auch von denen, die zu andern Ergebnissen 
gelangen, stets sehr hoch gestellt worden.“ Zu be- 
dauern ist, daß diese tiefgründigen Untersuchungen 
noch immer in den verschiedenen Bänden von 
„Hildebrands Jahrbuch für Nationalökonomie 
und Statistik“ (1864/74) vergraben und so der 
wissenschaftlichen Benützung nur sehr schwer zu- 
gänglich sind. 
Es ist das Verdienst der schriftstellerischen Tä- 
tigkeit des Rodbertus, die Einseitigkeit und Un- 
richtigkeit des Smithschen Fundamentalgrund- 
satzes nachgewiesen zu haben, wonach der Egoismus, 
die „freie Konkurrenz“ als ausschließliches Orga- 
nisationsprinzip zur Harmonie der wirtschaftlichen 
Interessen und zu einer vollendeten wirtschaftlichen 
Kultur führen soll. Seine Schriften sind zum 
großen Teil dem Nachweis gewidmet, daß das 
„freie Spiel der Kräfte“ im Wirtschaftsleben zur 
Ausbeutung des Schwachen und zu unhaltbaren 
gesellschaftlichen Zuständen führen muß. Durch 
seine Werke hat Rodbertus im übrigen auch die 
Systematisierung der Nationalökonomie sehr we- 
sentlich vertieft. 
Rodbertus, der theoretische Begründer des 
Staatssozialismus, bezeichnet selbst seine Theorie 
als die „konsequente Durchführung des von Smith 
in die Wissenschaft eingeführten, und von der Ri- 
cardoschen Schule noch tiefer begründenden Satzes, 
daß alle Güter wirtschaftlich nur als Produkte der 
Arbeit anzusehen sind, nicht als Arbeitskosten“. 
Er betrachtet somit die Arbeit als alleinige Wert- 
quelle und ausschließliches Wertmaß. Von dieser 
Grundauffassung ausgehend, welche durchaus ab- 
zulehnen ist, gelangt er zur Forderung des Rechts 
des Arbeiters auf den vollen Arbeitsertrag. Das 
Zziel seiner Bestrebungen besteht somit vorerst in 
der Erhöhung des Arbeitslohns. Das heutige 
System der Einkommensverteilung ist ein unge- 
sundes und ungerechtes. „Wenn der Verkehr in 
Bezug auf die Verteilung des Nationalprodukts 
sich selbst überlassen bleibt, bewirken“, wie Rod- 
bertus feststellt, „gewisse, mit der Entwicklung der 
Gesellschaft verbundene Verhältnisse, daß bei stei- 
gender Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit 
der Lohn der arbeitenden Klassen ein immer klei- 
nerer Teil des Nationalproduktes wird.“ Pau- 
perismus, Mangel an Kaufkraft der breiten 
Volksmassen und Handelskrisen sind die Folge. 
Rodbertus bekämpft daher das Prinzip der freien 
Konkurrenz und die heutige auf Privateigentum 
beruhende wirtschaftliche Rechtsordnung, fordert 
aber — im Gegensatz zu Lassalle und Marx — 
nicht von vornherein die Aufhebung des Sonder- 
eigentums und gewaltsame Umgestaltung und Um- 
wälzung der bestehenden Rechtsordnung, sondern 
eine Ersetzung der geltenden Lohnform durch eine 
andere, welche den Fortschritten der kulturellen 
Aufwärtsbewegung besser angepaßt sein sollte. 
Er will das Grund= und Kapitaleigentum vorerst 
in seinen Funktionen noch bestehen lassen und 
auch den gegenwärtigen Rentenbezug nicht kürzen,
	        
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