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und Montesquien als Hort der Freiheit gepriesene
Teilung der souveränen Staatsgewalt zwischen
verschiedenen Staatsorganen verwirft er. Sie
würde dem Staatswillen die Allgemeinheit nehmen
und die auf das einzelne gehende Regierung dem
allgemeinen Gesetz gegenüber selbständig machen
(II 2). Die Regierung (gouvernement) hat
einen nichtsouveränen Träger, der nur Mandatar
des gesetzgebenden Volks ist. — Aus der Unüber-
tragbarkeit der Volkssouveränität ergibt sich für
Rousseau die Verwerfung des Repräsentativ-
svstems, das bei Montesquien und der durch ihn
vorbereiteten konstitutionellen Theorie ein bedeut-
samer Faktor ist. Nur zur Vorbereitung von Ge-
setzen läßt er Abgeordnete zu (II 6); hier hat daher
auch der „Gesetzgeber“, wie Lykurg und Solon,
seinen Platz, der in Wahrheit Gesetzesberater ist
(II 7). Bei der Gesetzgebung selbst kann das
Volk sich nicht durch Mandatsinhaber vertreten
lassen, sondern kann sie in rechtsgültiger Weise
nur in allgemeiner Volksversammlung ausüben,
in welcher der Gemeinwille durch Abstimmung
gefunden wird. Daß ein solches Verfahren in
Großstaaten unmöglich sei, verhehlt Rousseau sich
freilich nicht (schweizerisches Referendum und na-
poleonisches Plebiszit sind ihm noch fremd); aber
ebendeshalb verwirft er (wie aus andern Gründen
Aristoteles, Polit. VII, 4, 1326 b 2 ff) die Groß-
staaten und will vielmehr durch einen Bund von
Kleinstaaten, wie die Schweiz und die General-
staaten ihn Osterreich gegenüberstellten, die poli-
tische Macht sichern (III 13. 15).
So hat die Theorie der Volkssouveränität (über
deren Entwicklung vgl. Gierke, Althusius 123/210;
F. v. Bezold, Die Lehre von der Volkssouveränität
während des Mittelalters: Hist. Zeitschr. XXXVI
(11876. 313/367) ihre radikalste Ausprägung er-
halten (daß die thomistische Lehre etwas ganz
anderes ist als die Rousseaus, zeigt G. v. Hertling,
Zur Beantwortung der Göttinger Jubiläumsrede.
Offener Brief an A. Ritschl [1887] 27 s).
5. Regierung und Politik. Damit der
die Freiheit wahrende Rechtsstaat entstehe, war es
nach Rousseau (1 6) nötig, daß Person und Kraft
aller einzelnen unter die Leitung eines Gemein-
willens gestellt werde, dessen Glieder die Einzel-
willen der Vertragschließenden selbst sind (s. oben).
Die Ausführung dieses Programms haben wir
zum Teil schon kennen gelernt. Durch den ver-
tragsmäßigen Zusammentritt der Einzelwillen zum
Gesamtwillen entsteht der Souverän, das souveräne
Volk. Die Emanationen dieses souveränen Ge-
meinwillens sind die Gesetze, nach denen die Len-
kung der einzelnen erfolgt. Aber die Gesetze sind
allgemein; wie können sie auf Person und Kraft
der einzelnen im einzelnen Fall angewandt wer-
den? Nicht durch ein Gesetz; denn dieses würde
wieder allgemein sein. Wie im Menschen zur Be-
wegung der Glieder außer dem Willen eine
physische Kraft nötig ist (III 1), wie zum Herzen
als dem Lebensprinzip das dirigierende Gehirn
Staatslegikon. IV. 3. u. 4. Aufl.
Rousseau.
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hinzukommen muß (III 6), so muß außer der
gesetzgebenden (puissance Iégislative) auch
eine ausführende Gewalt (puissance exé-
cutive) da sein (III 1). Die gesetzmäßige Aus-
übung dieser Gewalt ist die Aufgabe der Re-
gierung (gouvernement) oder obersten Ver-
waltung (supreme administration). Im Unter-
schied vom allgemeinen Gesetz geht sie auf das
Besondere (worunter nicht bloß das in dividuell
Besondere zu verstehen ist). Sie hat die Gesetze
auszuführen und die Freiheit im Innern und nach
außen (liberté civile und politique) sicher zu
stellen. Die Rechtspflege ist unter ihr mit ein-
begriffen. Der Inhaber dieser Regierungsgewalt
heißt „Herrscher“ (prince) oder „Behörde“ (ma-
gistrat; zur „Magistratur“ gehört in Frankreich
bekanntlich in erster Linie die Gerichtsbehörde),
auch „Regierung“ (gouvernement) im konkreten
Sinn. Die Regierung ist ein Mittelglied zwischen
dem Souverän und den Untertanen. Selbstän-
diges Recht hat der Herrscher nicht, weder aus
eignem noch durch einen Vertrag. Kein Vertrag
ist mit ihm geschlossen, der, wie selbst die Mon-
archomachen anerkannten, ihm, so lang er dem
Vertrag treu bleibt, ein unverbrüchliches Recht
gäbe (III 16), sondern das souveräne Volk hat
ihm einen Auftrag (commission) erteilt, einen
Dienst (emploi) gegeben (III 1). Er ist nur Ver-
walter (dépositaire: III 6. 18) der ausübenden
Gewalt, nur Diener (officier: III 1. 18) des
Souveräns. Denn die Volkssouveränität ist un-
übertragbar. Maßt die Regierung sich Sou-
veränität an, so ist dadurch der Staatsvertrag
gebrochen und die Regierten sind rechtlich nicht
mehr zum Gehorsam verpflichtet (III 10).
Die Regierungsform festzustellen, ist Sache der
souveränen Gewalt, also des Volks. Denn die
Feststellung der Regierung ist ein Akt der Gesetz-
gebung, nämlich der Verfassungsgesetzgebung. Sie
muß daher nach Rousseaus Prinzipien durch das
souveräne Volk geschehen, dem allein er die ge-
setzgebende Gewalt zuschreibt. Das Volk tritt bei
der Staatsgründung als provisorische Demokratie
in einer Versammlung zusammen, um die Ver-
fassung zu beraten und zu beschließen und in Form
eines Regierungsakts die Übergabe der Regie-
rungsgewalt an die erwählte Behörde zu voll-
ziehen (III 17). Entsprechend dem Ursprung der
Regierungsgewalt hat darum das Volk auch das
Recht, über die Ausübung der Regierung zu
wachen, insbesondere darüber, daß der Herrscher
nicht Souveränitätsrechte an sich reißt. Falls das
Gemeinwohl es nötig macht, hat das in perio-
dischen oder außerordentlichen Versammlungen
(III 13) zusammentretende Volk das Recht, durch
ein neues Verfassungsgesetz die Regierungsform
zu ändern. Denn nach Rousseau gibt es im Staat
keine definitive Regierungsform, sondern jede gilt
nur so lang, bis es dem Volk gefällt, eine andere
Ordnung zu geben. Es existiert kein Fundamen-
talgesetz, welches das souveräne Volk nicht zurück-
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