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an einzelne, zum Teil ausländische Pächter (in der
Moldau zum großen Teil Juden) oder Pacht-
gesellschaften, förmliche Landtrusts, die ihrerseits
es wieder zu hohen Preisen an die Bauern ver-
pachten, deren kleiner Besitz bei der althergebrachten
unvollkommenen Bewirtschaftungsweise und dem
völligen Mangel an landwirtschaftlicher Bildung
nicht zum Lebensunterhalt ausreicht; die Bauern
find so vielfach ganz und gar abhängig von den
Grundherren oder Pächtern geworden, der Be-
drückung und Willkür dieser völlig preisgegeben
und oftmals zum Niveau eines Leibeignen herab-
gedrückt. Diese Zustände, verbunden mit dem un-
gerecht verteilten Steuerdruck (von allen Steuer-
pflichtigen des Jahrs 1906/07 waren 96%
Bauern), der einseitigen Verteilung der poli-
tischen Macht, die seit Begründung des König-
reichs in den Händen der Großgrundbesitzer liegt,
und den ungesunden, vielfach überaus armseligen
Wohnungs- und Nahrungsverhältnissen, verur-
sachten eine tiefgehende Gärung dieser sozialen
Schichten, die sich 1907 in gefährlichen Bauern-
unruhen mit revolutionärem Charakter Luft mach-
ten. Die darauf erlassenen Agrargesetze (Schaffung
einer Agrarbank, die den Verkauf oder die Verpach-
tung von Staats- oder andern Ländereien an die
. Bauern erleichtern soll, Gesetz über die Gemeinde-
weiden, gegen die Trunksucht, Reglung des Arbeiter-
kontrakts, Feststellung eines Maximalpachtzinses
und eines Mindestlohnes, Einsetzung eines Land-
wirtschaftsrats und von Landwirtschaftsinspektoren,
Unterdrückung der großen Landtrusts usw.) werden,
wenn ehrlich durchgeführt, die Lage der Bauern
erheblich bessern.
Von der gesamten Oberfläche des Landes sind
39,3% Ackerland, 3,8 % Wiesen, 13.6 % Wei-
den, 20% Wald. An ¼ der bebauten Fläche
sind mit Getreide bestanden, und zwar spielen Mais
(1909:2123473 ha, Ernteertrag 24716;481 hl)
und Weizen (1689 044 ha; 19 998 879 hl) die
Hauptrolle; da im Land meist Mais verzehrt
wird, so kommen große Mengen von Weizen zur
Ausfuhr. Neben diesen sind die übrigen Ge-
treidesorten von geringerer Bedeutung: Roggen
(1089 023 hl), Gerste (7032 188 hl), Hafer
(9143 037 hl), Hirse (843 316 hl). Bedeutend
ist auch die Kultur von Hülsenfrüchten (956 404 hl
Bohnen, 137 379 hlI Erbsen usw.), Zuckerrüben
(2078690 t), Gemüse (Kraut, Melonen, Kür-
bisse), Ol= und Faserpflanzen (527 170 hl Raps,
72 389 hl Leinsaat, 27 852 hl Hanfsamen usw.),
der Anbau von Reben (1270 010 hl im Wert
von 29,54 Mill. M) und die Pflaumenkultur
(36720 t Pflaumen im Wert von 2,7 Mill. M,
1908 für 14 Mill. M).— Die Viehzucht leidet
unter dem Mangel an Wiesen, deren Fläche zu-
gunsten des Ackerbaus zurückgeht, unter Krank-
heiten und infolge der Absperrung der österreichisch-
ungarischen Grenze; gegen 1860 hat sich die Zahl
der Pferde (1900: 864 600), Schafe (5655 .500)
und Schweine (1709 200) beträchtlich vermehrt,
Rumänien.
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die der Rinder (2 588 500) ist stationär geblieben,
die der Ziegen (232 500) zurückgegangen. Die
Fischerei ist an der Donaumündung, in den
Lagunen und Strandseen der Küste, in den Tei-
chen und Seen des Innern sehr ergiebig und seit
1896 durch ein Gesetz geregelt. Von dem Wald
(Bestand an 2755 700 ha) gehörten 38.8%
dem Staat, 4,5% öffentlichen Anstalten, 2, 5%
den Krondomänen, 54,1 5/% Privaten; eine ra-
tionelle Pflege und Aufforstungen kahler Flächen
wurden erstmals durch das (zu wenig ausgeführte)
Forstgesetz von 1881 angebahnt. Eine Fach-
forstschule besteht seit 1893 in Bränesti bei
Bukarest.
Von den Bodenschätzen des Landes lohnen
nur wenige einen planmäßig in Angriff genom-
menen Abbau; die Ausnutzung ist durch das
Berggesetz von 1895 geregelt. Die bedeutendsten
Bodenschätze sind Petroleum und Salz. Die Ge-
winnung des Erdöls ist noch verhältnismäßig
jungen Datums, hat aber schon in kurzer Zeit
eine wirkliche Großindustrie hervorgerufen, an
der das ausländische Kapital stark beteiligt
ist (das deutsche Ende 1909 mit 129, das ru-
mänische mit 49, das französische mit 36,5, das
niederländische mit 33, das amerikanische mit 23
Mill. Lei usw.). Die Petroleumlager nehmen eine
schmale, am Rand des Gebirgs von Suceava bis
nach Oltenien sich erstreckende Zone ein; die
reichsten Quellen finden sich im Prahovatal, das
über 5/#10 der Erzeugung liefert. 1909 wurden
aus 568 produktiven Brunnen (91 weitere in
Herstellung) 1 296 403 t Rohöl gewonnen, wo-
von 85,4% an die Raffinerien (1908: 68) zur
Verarbeitung gingen. Salz findet sich in großen
Stöcken in Bändern, die den Karpatenbogen um-
säumen; die Ausbeute ist seit alters Staatsmono-
pol und erfolgt in vier Bergwerken zu Ocnele
Mari, Slanic, Doffana und Targu Ocna. —
Der Industrie ist es, mit Ausnahme der Pe-
troleum= und Holzindustrie, trotz aller Begünsti-
gung von seiten der Regierung durch Gewährung
von zollfreier Einfuhr der nöltigen Maschinen usw.
seit einem Vierteljahrhundert noch nicht gelungen,
ihre Erzeugnisse zur Ausfuhr zu bringen, ja nicht
einmal den eignen Bedarf völlig zu decken. Nach
dem Wert der Erzeugnisse steht an erster Stelle
die Nahrungsmittelindustrie (an 85 Großmühlen
und zahlreiche Kleinbetriebe, Fabrikation von
Zucker, Spiritus, Tabak, Bier, Konserven, ge-
dörrten Pflaumen usw.), dann folgen in weitem
Abstand die chemische Industrie, besonders Pe-
troleumraffinerien (an 20 Großbetriebe), Her-
stellung von Seifen, Kerzen, Kunstdünger, Lack,
Farben usw., die Metallverarbeitung (Fabrikation
von landwirtschaftlichen Maschinen, Eisenmöbeln,
Kleineisenwaren usw.), die Holzindustrie (an 60
Großbetriebe), die Fabrikation von Leder und
Lederwaren, von Tuch usw., Baumwoll= und
Leinenwebereien, die Herstellung von Papier und
Pappe, von Glas, Tonwaren u. dal.