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licher Kosakenheere, an der Spitze jedes Heers
steht ein stellvertretender Ataman. Die bürgerliche
und militärische Organisation untersteht der Haupt-
verwaltung der Kosalenheere, die eine Abteilung
des Kriegsministeriums bildet. Das den Kosaken
zugewiesene Gebiet, so besonders das Dongebiet,
zerfällt in Bezirke, diese wieder in Einzelansied-
lungen oder Stanitzen. Die Mehrzahl der Kosaken
sind Ackerbauer oder Viehzüchter, die Uralkosaken
auch Fischer. Über die Wehrpflicht der Kosaken
s. unten, VII. Für die Wahlen zum Parlament bil-
den die Kosaken eine eigne Kurie (s. oben Sp. 789).
Die Beamten Rußlands zerfallen nach der
von Peter I. aufgestellten Rangtabelle in 14 Rang-
klassen, denen beim Heer 12, bei der Marine 10
Klassen entsprechen. Mit dem 9. Zivilrang ist der
persönliche, mit dem 4. der erbliche Adel verbun-
den. Die Absolventen der Hochschulen erhalten
beim Eintritt in den Staatsdienst je nach dem
Abgangszeugnis sofort den 12. oder 10., die In-
haber akademischer Grade den 9, oder 8. Rang
(mithin den persönlichen Adel). Die schlimmsten
Vorwürfe, die vielfach gegen das Beamtentum
erhoben werden, sind die der Willkür (die bei den
langdauernden Ausnahmezuständen besonders bei
den höheren Beamten leicht erklärlich ist) und der
Bestechlichkeit; für manche Verwaltungszweige
fehlt die genügende spezielle Vorbildung.
Nach der Zählung 1897 waren 1220 169 Per-
sonen (samt Angehörigen) erbliche Adlige, 630 119
persönliche Adlige und Beamte, 588 947 christ-
licher Klerus, 342927 Ehrenbürger, 281 179
Kaufleute, 13 386 392 Stadtbürger, 96896648
Bauern, 2928 842 Kosaken, 8 297 965 einge-
borne Völker, 461 333 andere Klassen, 605 500
Fremde (von diesen 158 103 Deutsche, 121 569
Osterreicher und Ungarn, 120720 Türken, 73920
Perser, 47 571 Chinesen, 83 587 andere).
VI. Rechtspslege. Die Gerichtsordnung Alex-
anders II. von 1864 unterscheidet zwischen ordent-
lichen und Friedensrichtern. Die ordentliche Ge-
richtsbarkeit wird ausgeübt durch Bezirksgerichte,
Gerichtshöfe (Palaten) und den Senat. Die Be-
zirksgerichte (die im wesentlichen den deutschen
Landgerichten entsprechen) haben Zivil- und
Strafkammern und werden gebildet aus je drei
Richtern einschließlich des Vorsitzenden. In Straf-
sachen werden (außer in Polen) Geschworene zu-
gezogen, wenn es sich um Verbrechen handelt, die
den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich
ziehen. Von ihnen geht die Berufung an die (14)
Gerichtshöfe (etwa gleich den Oberlandesgerichten),
die auch erste Instanz sind bei Amtsvergehen der
höheren Beamten, der Kommunalbehörden und
bei politischen Verbrechen, die keinen Verlust der
Standesrechte bedingen. Von ihnen geht die Re-
vision in Zivil= und Strafsachen an den Senat
(s. oben Sp. 790); für politische Verbrechen, die
mit Verlust oder Minderung der Standesrechte
verbunden sind, besteht ein besonderer höchster
Staatsgerichtshof in St Petersburg. Die Richter
Rußland.
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dieser Gerichte sind unabsetzbar. Die Gerichtsbar-
keit in Bagatellsachen erfolgt durch die Friedens-
richter, die auf 3 Jahre durch die Kreissemstwo-
versammlungen gewählt (wo diese nicht bestehen,
von der Regierung ernannt) werden. Die Friedens-
gerichte sind nicht überall eingeführt; ihre Stelle
ersetzen dann in den Gouvernements= und Kreis-
städten sog. Stadtrichter, auf dem Land Land-
hauptleute und für die nicht zu der Kompetenz
dieser Personen gehörige Sachen in jedem Kreis
sog. Kreismitglieder des Bezirksgerichts. Gegen
die Urteile der Friedensrichter geht die Berufung
an die Friedensrichterversammlung (ein Kollegial-
gericht von drei Friedensrichtern), von dieser an
den Senat. Über die Wolostgerichte s. oben Sp.
793. Da ein einheitliches Gerichtsgesetz bisher
nicht zustande kam, verbleiben dem Kaiser noch
einige gerichtliche Befugnisse, Rechte einer ver-
alteten Kabinettsjustiz: die Urteile, die den Ver-
lust von Orden, Auszeichnungen, Rang, Adels-
und geistlichen Stand zur Folge haben, bedürfen
seiner Bestätigung; er allein hat das Recht, die
Minister und Hauptchefs der besondern Verwal-
tungen, die Statthalter, Generalgouverneure,
Gouverneure und Beamten der drei ersten Rang-
klassen sowie die Mitglieder des Reichsrats und
der Reichsduma wegen Amtsvergehen vor Gericht
zu ziehen.
VII. Heerwesen, Ilotte. Gesetzlich besteht
allgemeine Wehrpflicht vom vollendeten 21. Le-
bensjahr an sie beträgt im stehenden Heer 18 Jahre,
davon bei der Fahne für die Kavallerie, reitende Ar-
tillerie, Ingenieurtruppen und für die Truppen in
den Militärbezirken Amur und Turkestan 4, für alle
übrigen Waffengattungen 3 Jahre, von dem Rest
der Dienstzeit bei der Reserve im ersten Aufgebot 6,
im zweiten Aufgebot 8 Jahre; hierauf verbleiben
die Militärpflichtigen in der Reichswehr ersten
Aufgebots bis zum vollendeten 43. Lebensjahr.
Die bei der Aushebung als überzählig ausgelosten
Mannschaften treten zur Reichswehr ersten Auf-
gebots über, in der sie bis zum 43. Lebensjahr
verbleiben. Von der Reichswehr dient das erste
Aufgebot im Krieg zur Verstärkung des stehenden
Heers wie zur Bildung eigner Reichswehrtruppen-
teile, das zweite Aufgebot, das aus allen im Frie-
den vom Dienst Befreiten besteht, nur zu letzterem
Zweck. Vom Dienst befreit sind im Krieg und
Frieden die Geistlichen aller Konfessionen, nur
im Frieden Arzte, Tierärzte, Apotheker, Lehrer
und Künstler, die auf Staatskosten im Ausland
ausgebildet wurden, Erzieher und Ausseher in
geistlichen und weltlichen Lehranstalten; ausge-
schlossen sind Personen, die wegen Verbrechen die
Standesrechte verloren haben. Befreiungen in der
Ableistung der Wehrpflicht werden gewährt aus
Familiengründen, wegen Förderung der Bildung,
des Handels und der Industrie. Personen, die eine
Hoch= oder Mittelschule (mindestens 6 Klassen)
absolviert haben, brauchen als Freiwillige erster
Kategorie nur ein Jahr, Personen, die eine be-