Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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30 bis 40 Mill. Tonnenkilometer vermitteln. Die 
Flußflottille besteht aus 3600 Dampfern und 
125000 andern Fahrzeugen, die meist mit Dampf- 
maschinen ausgestattet sind. — Dem Geldver- 
kehr dienen außer der Staatsbank (Kapital seit 
1909: 100 Mill. Rubel) mit 113 Filialen an 
6710 Sparbanken und 50 Hypothekenbanken 
(darunter die staatlichen Adelsagrarbank und 
Bauernlandbank); 1905 gab es 1411 Aktienge- 
sellschaften (Kapital 2,15 Milliarden Rubel), fer- 
ner 66 Bank= und Versicherungsgesellschaften (0,3 
Milliarden Rubel). Gesetzliche Münzeinheit 
ist der Silberrubel (Wert 2,16 M) zu 100 Ko- 
peken; an Goldmünzen zirkulieren Imperials (15 
Rubel) und ½ Imperials (7,5 Rubel), ferner 
neue Stücke zu 10 und 5 Rubel, von Papiergeld 
Noten zu 500, 100, 50, 10, 5, 3 und 1 Rubel. 
Die hauptsächlichsten Maße und Gewichte 
find folgende: 1 Werst (zu 500 Saschen oder Fa- 
den) = 1,067 km; 1 Saschen (= 3 Arschin oder 
7 Fuß) = 2,133 m; 1 Quadratwerst — 113,8ha, 
1 Deßjätine = 109,25 a; 1 Tonne (zu 40 We- 
dro) — 491,95 1; 1 Wedro (zu 10 Stof) 
— 12,299 1; 1 Tschetwert (für Getreide) = 8 
Tschetwerik (zu 8 Garnez) —= 210 1. 1 Berkowetz 
— 10 Pud — 163,8 kg; 1 Pfund (/to Pud) 
— 0,4095 kg (= 32 Lot à 3 Solotnik). 
Die Finanzen des Landes sind seit den 
1880er Jahren, besonders durch die Minister 
Bunge und Witte, in einen geordneten Zustand 
gebracht worden, der 1899 die Durchführung der 
Goldwährung gestattete; der Staatskredit ist selbst 
in der schweren Zeit des russisch-zapanischen Kriegs 
und der darauf folgenden Revolution nicht er- 
schüttert worden. Nach dem Voranschlag für 
1910/11 betragen die ordentlichen Einnahmen 
2580, die außerordentlichen Einnahmen 11,6 Mill. 
Rubel; Haupteinnahmenposten sind direkte Steuern 
(Grund-, Mobilien-, Gewerbe= und Kapitalrenten- 
steuern, persönliche Abgaben usw., 198,2 Mill. 
Rubel), indirekte Steuern (auf Branntwein, Tabak, 
Zucker, Naphtha. Zündhölzchen usw.) und Zölle 
(570,3 Mill.), Gebühren (163 Mill.), die Staats- 
regalien (besonders Branntweinmonopol, Post, 
Telegraph und Telephon 809 Mill.), der Staats- 
besitz (Eisenbahnen, Bergwerke, Staatsfabriken, 
Forsten 730 Mill.). Die ordentlichen Ausgaben 
sind auf 2470, die außerordentlichen auf 121,7 
Mill. Rubel veranschlagt; Hauptposten sind: Ver- 
kehrsministerium (551,22), Finanzministerium 
(424), Staatsschuld (406,81), Kriegsministerium 
(480,72), Marine (89,23), Unterricht (76), Ju- D 
stiz (74.51), Heiliger Synod (34,20), Inneres 
(155,24), Landesorganisation und Landwirtschaft 
(85,55 Mill.). Die außerordentlichen Ausgaben 
umfassen in Mill. Rubel: Wirtschaftliche Ausgaben 
des Militärressorts (50), Eisenbahnbau (50), Aus- 
gaben für Tilgung der Staatsschuld (4,72) usw. 
Der vorläufige Abschluß für 1909 ergab einen 
Überschuß von 68 Mill. Rubel. Die Staats- 
schuld betrug 1909: 8836 Mill. Rubel. 
Rußland. 
  
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XII. Finland.Eine besondere Stellung im 
russischen Reich nimmt das Großfürstentum 
Finland ein. Über Größe und Bevölkerung s. oben, 
II. 1900 waren nach dem Religionsbekenntnis 
2662 171 Envangelische (Lutherische), 46 466 
Griechisch-Orthodoxe, 2851 Baptisten, 319 Me- 
thodisten, 755 römische Katholiken; nach der Na- 
tionalität 2 352 990 Finnen, 349 733 Schweden, 
5939 Russen, 1925 Deutsche, 1336 Lappen, 639 
Sonstige. Das staatsrechtliche Verhältnis Fin- 
lands zum russischen Reich ist bisher sehr verschie- 
den beurteilt worden. Während die einen Rechts- 
lehrer dem Großfürstentum jede selbständige staat- 
liche Existenz absprechen (Rivier, v. Holtzendorff, 
v. Ullmann, v. Martens, Behrendts, Jellinek u. a.), 
behaupten andere die Selbständigkeit Finlands 
als Staat auf Grund historisch feststehender Tat- 
sachen (außer allen neueren finnischen Schrift- 
stellern u. a. Mechelin, Nyholm, Getz, Engelmann, 
Bornhak, Brie, Rehm, Delpech usw.); die letzteren 
gehen darüber auseinander, ob eine reine Per- 
sonal= oder eine Realunion vorhanden ist oder ob 
Finland als Neben= oder Unterstaat dem Haupt- 
oder Oberstaat Rußland untergeordnet sei; Born- 
hak bezeichnet das Verhältnis als eine unvollkom- 
mene Inkorporation. Völkerrechtlich ist Finland 
nach den einen kein eignes Staatswesen, sondern 
eine russische Provinz, wie es vor 1809 eine 
schwedische war, und wird durch die russische Staats- 
gewalt vertreten; es hat daher keine eignen diplo- 
matischen Vertreter im Ausland, kann ohne Ge- 
nehmigung Rußlands keine Konsuln in fremden 
Staaten unterhalten oder Konsuln in Finland das 
Exequatur erteilen und keine völkerrechtlichen Ver- 
träge schließen. Nach andern ist die völkerrechtliche 
Handlungsfähigkeit Finlands durch die Zugehörig- 
keit zu Rußland wohl beeinträchtigt, aber Fin- 
lands Charakter als besonderer völkerrechtlicher 
Organismus dadurch nicht beseitigt worden. 
Das rechtliche Verhältnis zu Rußland hat im 
Lauf des Jahrhunderts seit der Einverleibung 
wiederholt zwischen großer Freiheit (besonders 
unter Alexander II.) und schroffer Betonung der 
russischen Souveränität gewechselt; namentlich 
1899/1904 hat die russische Regierung ihre Rechte 
in rücksichtsloser Weise geltend gemacht. Die Re- 
volution 1905 zwang sie jedoch, die meisten ihrer 
Verordnungen zurückzunehmen und den alten Zu- 
stand wiederherzustellen. Seit dem Sieg der Re- 
gierung über die Revolution hat eine rücksichtslose 
Russifizierung eingesetzt und nach dem von der 
uma am 10., vom Reichsrat am 27. Juni 1910 
angenommenen, vom Zaren am 30. Juni sank- 
tionierten Gesetz, dem Finland passiven Wider- 
stand entgegensetzen will, da es ohne Zustimmung 
des finländischen Landtags erlassen wurde, kann 
von einer Autonomie Finlands kaum mehr die 
Rede sein. 
Gemäß Art. 2 der Grundgesetze bildet das 
Großfürstentum Finland einen untrennbaren Be- 
standteil des russischen Reichs; seine innern An- 
 
	        
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