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Session getroffen. Diese Gutachten sowie alle
dazu gehörigen Beilagen werden in russischer
Sprache durch den finländischen Generalgouverneur
dem Präsidenten des Ministerkonseils zur Weiter-
gabe nach Zuständigkeit übermittelt. Wenn das
Gutachten des Landtags nicht im Lauf der oben-
genannten Frist erfolgt ist, so wird der betreffende
Gesetzentwurf ohne dieses Gutachten erledigt.
Die Veröffentlichung der auf dem Weg der
allgemeinen Gesetzgebung erlassenen Gesetze und
Verfügungen durch den Dirigierenden Senat gilt,
als wäre sie auch in Finland erfolgt. Der fin-
ländische Generalgouverneur trifft seinerseits die
nötigen Maßnahmen zur Übersetzung dieser Ge-
setze und Verfügungen ins Finnische und Schwe-
dische und zu ihrer Bekanntmachung im Land.
Die Oberaufsicht über die Erfüllung der allgemein-
gültigen Gesetze und Verfügungen, ihre Erläute-
rung und Bestätigung und die Entscheidung der
entstehenden Mißverständnisse und Zweifel liegt
im allgemeinen dem Dirigierenden Senat ob. Der
finländische Generalgouverneur trifft seinerseits
die nötigen Maßnahmen zur erforderlichen Voll-
streckung der Erlasse des Dirigierenden Senats in
Finland.
Die in allgemeiner Ordnung herausgegebenen
Gesetze und Verordnungen heben von selbst alle
mit ihnen nicht übereinstimmenden Regeln der
finländischen Gesetze und Verordnungen auf, die
in der besondern Ordnung erlassen worden sind,
und werden ungeachtet jeglicher widersprechenden
Regeln der genannten örtlichen Gesetze angewandt.
Die Gesetze und Verordnungen, die in der beson-
dern für Finland geltenden Ordnung heraus-
gegeben worden sind, können die in der allgemeinen
Ordnung herausgegebenen Gesetze und Verord-
nungen weder aufheben, noch verändern oder er-
gänzen, noch außer Kraft setzen oder erläutern.
Für die autonome Gesetzgebung Finlands bleibt
nach diesem Gesetz wenig übrig. Um aber Fin-
land, das bisber nicht in der Reichsduma und
im Reichsrat vertreten war, einen Anteil an der
allgemeinen Gesetzgebung zu sichern, trifft das
neue Finlandgesetz Bestimmungen über die Wahl
von finnischen Mitgliedern des Reichsrats und der
Reichsduma. Danach soll der finländische Land-
tag für 3 Jahre 2 Mitglieder in den Reichsrat
und 4 Mitglieder in die Reichsduma wählen aus
den finländischen Personen, die das Recht der
Teilnahme an den Landtagswahlern besitzen, außer-
dem die russische Sprache beherrschen, im Besitz
der bürgerlichen Ehrenrechte sind und nicht wegen
verbrecherischer Handlungen angeklagt oder ver-
urteilt sind, die Zuchthaus oder Verlust der Ehren-
rechte oder Entfernung aus dem Staatsdienst nach
sich ziehen. Die genaueren Regeln über den
Wahlmodus sind vom finländischen Landtag fest-
zusetzen. Die Wahlakten und die Beschwerden
über Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen sowie
die Erläuterungen des Talmans des Landtags zu
diesen Beschwerden sind in russischer Sprache dem
Rußland.
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finländischen Generalgouverneur binnen Monats-
frist zuzustellen. Die finnischen Abgeordneten für
den Reichsrat und die Reichsduma beziehen gleichen
Gehalt und Reiseentschädigung wie die russischen
Mitglieder; die Kosten werden auf Rechnung der
Reichsrentei gesetzt und vom finländischen Fiskus
zurückerstattet.
Die Gesetzgebung in Angelegenheiten, die Fin-
land ausschließlich betreffen, erfolgt durch den
Kaiser-Großfürsten und den Landtag. Durch das
Wahlgesetz vom 20. Juli 1906 wurde die frühere
Zusammensetzung des Landtags nach 4 Ständen
aufgehoben und ein neues Wahlrecht, das radi-
kalste Europas, eingeführt. Der Landtag ist da-
nach eine einheitliche Kammer von 200 Abgeord-
neten, die in allgemeiner direkter und geheimer
Wahl auf 3 Jahre nach einem bestimmten Pro-
portionalwahlverfahren in 16 Wahlkreisen (15 mit
6/22 Abgeordneten, Lappland mit 1 Abgeord-
neten) gewählt werden; wahlberechtigt und wähl-
bar ist jeder finnische Bürger (auch Frauen) von
24 Jahren. Ausgeschlossen vom Wahlrecht sind
Entmündigte, Armenunterstützung Genießende,
Gemeinschuldner im Konkurs bis zur Eidesleistung,
mit Staatssteuern für die letzten 2 Jahre Rück-
ständige und das aktive Militär. Die regelmäßige
Sitzungszeit dauert 90 Tage, doch kann sie vom
Groffürsten verlängert oder gekürzt, der Landtag
auch aufgelöst oder zu außerordentlichen Sitzungen
einberufen werden. Die Mitglieder beziehen
für jede regelmäßige Session 1200, bei kürzerer
Dauer als 90 Tagen aber pro Tag 15 Mark.
Der Landtag wählt seinen Vorsitzenden (Talman)
sowie 2 Vizepräsidenten selbst. Jeder Abgeordnete
hat das Recht der Gesetzesinitiative, ausgenommen
die Grundgesetze und die Gesetze, die sich auf das
Verteidigungswesen beziehen (in diesen Punkten
steht das Initiativrecht nur dem Großfürsten zu).
Der Landtag hat auch ein (beschränktes) Recht,
Interpellationen an den Senat zu richten, dieser
ist aber nicht verpflichtet zu antworten. Ein in der
Landtagsordnung vorgesehenes Gesetz, das die
Volksvertretung ermächtigt, die Gesetzmäßigkeit
der von Mitgliedern der Regierung getroffenen
Handlungen zu prüfen, ist bisher nicht erlassen
worden ein diesbezüglicher Gesetzesvorschlag wurde
wohl vom Landtag angenommen, aber vom Kaiser
nicht sanktioniert. Die Erste Kammer vertritt ein
„Großer Ausschuß" des Landtags, der aus 16 Mit-
gliedern besteht und alle durch Initiative der Re-
gierung oder eines Abgeordneten dem Landtag
vorgelegten Gesetzesentwürfe nach der ersten, unter
Umständen auch nach der zweiten Lesung in der
Kammer zu beraten und über sie seinen Bericht
abzugeben hat. Außer diesem Großen Ausschuß
gibt es noch besondere Ausschüsse und Kommis-
sionen. Außer dem Gesetzgebungsrecht gebührt
dem Landtag das Besteuerungsrecht (mit Aus-
nahme der Zölle); das Staatsbudget als Ganzes
unterliegt der Bestimmung und Bestätigung der
Volksvertreter nicht; die Krone bestimmt allein