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nisches Heer. 1901 wurde dieses auf Betreiben
des Generalgouverneurs Bobrikow aufgelöst und
das russische Wehrgesetz eingeführt, das aber wegen
des allgemeinen passiven Widerstands des Volks
nicht zur Durchführung kam und von der russischen
Regierung nach der Revolution 1905 fallen ge-
lassen wurde. Durch kaiserliches Manifest vom
8. Okt. 1909 wurde die Wehrpflicht der Finländer
als Reichsangelegenheit erklärt und damit der aus-
schließlichen Kompetenz des finnischen Landtags
entzogen; dem Landtag wurde eine vom finnischen
Senat gebilligte Gesetzesvorlage unterbreitet, wo-
nach Finland einstweilen bis zur gesetzlichen Reg-
lung der Militärfrage von der Wehrpflicht be-
freit sein sollte, dafür aber als Beitrag für
Militärzwecke für 1908 und 1909 je 10 Mill.
finnische Mark an die russische Staatskasse zu ent-
richten habe; dieser Betrag soll jedes Jahr um
1 Mill. Mark erhöht werden, bis die Summe von
20 Mill. erreicht ist. Diese Vorlage wurde vom
finnischen Landtag im Nov. 1909 und Okt. 1910
abgelehnt, die Summe wurde jedoch von der rus-
sischen Regierung für die Reichskasse eingezogen
und die Vorlage wird auf Befehl des Zaren bei
der Reichsduma eingebracht.
Wirtschaftlichsteht Finland im allgemeinen
höher als Rußland. Für ¾ der Bewohner ist
Landwirtschaft Haupterwerbsquelle, doch nimmt
das Ackerland nur 3% des Areals ein; 1901
gab es 271 154 Betriebe, von denen 106 462
unter 3 ha, 78778 3 bis 10, 56 790 10 bis
25, 27269 25 bis 100, 1855 über 100 ha be-
saßen. Die Ernte ergab 1908: 49 287 hl Wei-
zen, 3 887 703 hl Roggen, 1 805 730 hl Gerste,
7274518 hl Hafer, 6 612 665 hl Kartoffeln,
1026 t Flachs, 335 t Hanf. Ende 1907 zählte
man 327817 Pferde, 1491264 Rinder, 904447
Schafe, 221072 Schweine, 133 749 Rentiere,
6279 Ziegen. Der Staatswald allein bedeckt an
128 300 ha (Einkommen 1907: 9,9 Mill. fin-
nische Mark). Der Bergbau fördert Eisenerze
(1907: 33108 t). Die noch junge Industrie er-
zeugte 1907 in 9269 Betrieben Waren für
513,6 Mill. finnische Mark (ohne die Mühlen);
Hauptzweige sind Holz-, Eisen-, Textil-, Papier-,
Leder= und chemische Industrie. Der Handel Fin-
lands, das gegenüber Rußland einstweilen noch
ein selbständiges Zollgebiet bildet (Einverleibung
in das russische Zollgebiet ist seit langem geplant),
führte 1908 für 290 Mill. Mark ein (Getreide 70,9,
Maschinen 19,7, Eisen und Eisenwaren 16, Mi-
neralien 15,4, Kaffee 11,4 usw.), für 196 Mill.
aus (Holz 101, Papier und Zellulose 34, Butter
25,2 usw.); Verkehrsländer waren Deutschland
(40,2 % der Einfuhr, 10,5% der Ausfuhr), Ruß-
land (20,7 und 28% ), Großbritannien (13 und
32,9 %), Dänemark (7 und 0,27 %) usw. 1908
liefen 8659 Schiffe mit 2585 312 Registertonnen
ein; die Handelsflotte zählte 1909: 2719 Segel-
schiffe mit 314 556 und 441 Dampfer mit 68649
R.-T.; 1909 gab es 3447 km Eisenbahnen
Rußland.
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(seit 30. Sept. 1909 der Aussicht des russischen
Verkehrsministeriums unterstellt), (1908) 1850
Postanstalten (seit Juni 1908 mit den russischen
einheitlich verwaltet). Die Staatseinnahmen be-
trugen 1908: 128,4, die Ausgaben 133,5, die
Staatsschuld 1909: 121,6 Mill. Mark. — Münz-
einheit ist die finnische Mark (— 80 Pfennig)
zu 100 Penni; Maße und Gewichte sind die
metrischen.
XIII. In Zentralasien besitzt Rußland zwei
Vassallenstaaten, das Emirat Buchara und
das Chanat Chiwa. — Buchara, eine un-
umschränkte, durch die Usbeken im 15. Jahrh.
gegründete, seit 1784 in der Dynastie der Man-
giten erbliche Monarchie, ist seit dem Vertrag
vom 28. Sept. (9. Okt.) 1873 mit Rußland,
nach dem kein Fremder ohne russischen Paß das
Land betreten darf, in völlige Abhängigkeit
von Rußland gekommen; die Bevölkerung des
205 000 qkm großen Landes (an 1 ½ Mill.;
10 300 Russen) ist meist mohammedanisch und
setzt sich zusammen aus den herrschenden Usbeken,
aus Tadschiken, Galtscha, Arabern, Persern,
Kirgisen, Turkmenen usw.; Hauptbeschäftigung
ist Ackerbau (Reis, Baumwolle, Getreide, Obst,
Wein, Tabak, Ol= und Gewürzpflanzen), Vieh-
zucht (Pferde, Rinder, Kamele, Hühner usw.) und
Seidenzucht. Die Industrie (meist Hausgewerbe)
stellt Seiden-, Woll-, Baumwoll-, Leder-, Metall-
waren, Papier usw. her. Sitz der Zentralbehörden
und des russischen Politischen Agenten ist die
Stadt Buchara (an 70000 Einwohner); das Land
zerfällt in zahlreiche Begschaften (Statthalterschaf-
ten). Die Armee ist etwa 11.000 Mann stark. —
Chiwo ist eine von den Usbeken auf den Trüm-
mern von Tamerlans zentralasiatischem Reich ge-
gründete absolute Monarchie, erblich in der 1862
von Mohammed Rachim gestifteten Usbeken-
dynastie Kungrad; in dem Friedensvertrag mit
Rußland vom 12. (24.) Aug. 1873 verzichtete
Chiwa auf das Recht, direkte Beziehungen zu den
Souveränen und benachbarten Chanen zu unter-
halten. Die Bewohner (an 800 000; 3920 Rus-
sen) des 60 000 qkm großen Landes sind moham-
medanisch und setzen sich aus Usbeken, Tadschiken,
Turkmenen, Karakalpaken und Kirgisen zusammen;
Hauptbeschäftigung ist Ackerbau (Getreide. Baum-
wolle), Obstkultur, Viehzucht (Schafe, Kamele) und
Seidenzucht. Sitz der Zentralbehörden ist die
Stadt Chiwa (an 30 000 Einwohner); die ört-
liche Verwaltung geschieht durch die Begs, die
Verwalter der größeren Orte samt Umgebung.
Der Verkehr mit der russischen Regierung geschieht
durch den Verwalter des Amudarjaschen Gebiets,
der dem Generalgouverneur von Turkestan unter-
steht. Eine eigentliche Armee besteht nicht, sondern
nur eine Art Polizeitruppe (2000 Mann).
Literatur. Geschichte R.s von Karamsin
(deutsch 11 Bde, 1820/33), Strahl u. Herrmann
(7 Bde, 1832/66), Solowjew (29 Bde, 1851/80),
Schiemann (bis 17. Jahrh., 2 Bde, 1886 f), Nam-