Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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demokraten aus der Kammer ausschloß. Das neue 
Wahlrecht stieß im Land jedoch auf großen Wider- 
stand. Infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs 
des Reichs hatte sich Sachsen zu einem Industrie- 
staat entwickelt, der für die sozialdemokratische 
Bewegung den günstigsten Boden bot (das rote 
Königreich, 1903 von 23 Reichstagssitzen 22 
sozialdemokratisch vertreten, in den Landtag kam 
infolge des Dreiklassensystems erst 1905 wieder 
der erste Sozialdemokrat). 
Nacheiner kurzen Regierung von Alberts Bruder 
Georg (1902/04) folgte dessen Sohn Friedrich 
August III. (geb. 25. Mai 1865). Unter ihm 
stand bisher im Vordergrund des innerpolitischen 
Lebens der Kampf um die Wahlreform. Noch 
unter König Georg war (Januar 1904) ein Re- 
gierungsentwurf eingebracht worden, der die direkte 
Wahl von 48 Abgeordneten nach einem auf Besitz 
und Bildung zugeschnittenen Dreiklassenwahlsystem 
und die Wahl von 35 berufsständischen Vertretern 
mit Festhaltung zweijährlicher Drittelerneuerung 
vorschlug. Ebenso wie diese scheiterte eine zweite 
Vorlage (Dezember 1905), wonach die Erste 
Kammer durch fünf vom König zu ernennende 
Vertreter von Handel, Industrie und Gewerbe 
und einen Vertreter der Technischen Hochschule 
Dresden verstärkt werden sollte. Auch der hierauf 
vom Nachfolger des Ministerpräsidenten v. Metzsch, 
dem Grafen v. Hohenthal und Bergen (Juli 1907) 
vorgelegte Entwurf (82 Abgeordnete wie bisher, 
davon 42 durch allgemeine direkte Wahlen, 40 
durch Wahl der städtischen Kollegien und die Be- 
zirksverbände; zur Verhütung eines Übergewichts 
der Sozialdemokraten für die direkten Wahlen 
Verhältniswahl und eine Zusatzstimme für Ein- 
kommen über 1600 M) wurde abgelehnt. Kon- 
servative und Liberale einigten sich nun auf ein 
Kompromiß, das wieder eine einheitliche Kammer 
und ein Pluralwahlrecht von 1 bis 3 Zusatz- 
stimmen nach Alter, Bildung, Besitz und Steuer- 
leistung vorsah. Obgleich die Liberalen, da sie 
ihre Wünsche nach einer neuen Wahlkreiseinteilung 
nicht erfüllt sahen, von dem Kompromiß zurück- 
traten, wurde dieser doch durch die Erste Kammer 
im wesentlichen wiederhergestellt und schließlich 
von der Regierung und der Zweiten Kammer an- 
genommen (1909). 
II. Fläche, Bevölklerung, Erwerbsverhält- 
nisse. Das Königreich Sachsen ist seiner Fläche 
nach der fünfte, seiner Bevölkerung nach der dritte 
Bundesstaat des Deutschen Reichs; es umfaßt 
14 992,9 qkm und bildet ein geschlossenes Ganze, 
abgesehen von drei kleinen Parzellen (15,26 qkm) 
südlich von Gera (Reuß j. L.). Die Bevölkerung 
zählte 1905:4508601, 1900;:4202 216, 1855: 
2039000. 1816:11940000 Seelen. Auf 1 qkm 
kamen 1905: 300,7, 1871: 170,5 Einwohner. 
Das Land hat unter sämtlichen deutschen Bundes- 
staaten, ja auch unter den europäischen Staaten 
die dichteste Bevölkerung. Ursache ist die infolge 
der industriellen Entwicklung äußerst starke Zu- 
Sachsen. 
  
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wanderung. Dem Bekenntnis nach waren 1905: 
4250 659 Evangelische, 219 872 Katholiken, 
14 679 Juden; auf 1000 Einwohner kamen 942,8 
(1871: 975,5) Protestanten, 48.8 (1871:20,9) 
Katholiken, 3,2 (1871: 1,3) Juden. Relativ die 
meisten Katholiken wohnen in der Lausitz, und 
zwar in den Anmtshauptmannschaften Zittau 
(16,2% der Einwohner), Kamenz (11 %%) und 
Bautzen (10 %). In 146 Dörfern der Lausitz 
sind die Wenden (1,12 % der Bevölkerung) noch 
in der Mehrheit. Das Königreich zählt 143 Städte 
und 3034 Landgemeinden sowie 1222 selbständige 
Gutsbezirke. In den Städten wohnen 53,7% 
(1832: 32 %) der Bevölkerung. Die größten 
Städte sind Dresden (1905: 516 996 Einw.), 
Leipzig (503 672). Chemnitz (244927), Plauen 
i. V. (105 381) und Zwickau (68 502). Zwischen 
10000 bis 50000 Einw. haben 29 Städte, mehr 
als 10 000 Einw. ferner 10 Landgemeinden. Von 
der Gesamtfläche entfallen auf Ackerland und 
Gärten 56,6 %, auf Wiesen 11,8 %, auf Wald 
25,8 %; vom Wald sind 45,2 Staats-, 46% 
Privatforsten. Nach den Ergebnissen der drei Be- 
rufszählungen von 1882, 1895 und 1907 wid- 
meter sich (Berufszugehörige insgesamt) der Land- 
und Forstwirtschaft 1907:10, 7% 1895:15, 1% 
1882: 19,8⅝%; Bergbau, Industrie und Bau- 
gewerbe 1907:59,3 %, 1895: 58 %, 1882: 
57,8 %z; Handel und Verkehr 1907: 15,2 % 
1895: 14% 1882: 10%. Sachsen weist von 
allen deutschen Bundesstaaten (außer den Hanse- 
städten) den geringsten Prozentsatz an landwirt- 
schaftlicher Bevölkerung auf. Unter den landwirt- 
schaftlichen Betrieben wiegt bei weitem der bäuer- 
liche Besitz vor. Hauptfrüchte sind Roggen (1909: 
453.000 t) und Hafer (444000 t), im weiten 
Abstand folgt Weizen (132 000 t). Auf je 100 ha 
landwirtschaftlich genutzter Fläche kamen 1904: 
16,4 Pferde (1873: 11,4), 66,7 Rinder (1873: 
63,8), 6,0 Schafe (1873: 20,4), 62,4 Schweine 
(29,7), 12,6 Ziegen (1873: 10.4). Der Vieh- 
stand betrug 1909 bzw. 1904: 171623 bzw. 
167 973 Pferde, 698 672 bzw. 683 771 Rinder, 
656 113 bzw. 639 818 Schweine. Die Zunahme 
des Viehbestands bleibt weit hinter dem der Be- 
völkerung zurück. Sehr bedeutend ist der an das 
Grundeigentum gebundene Steinkohlenbergbau 
(1908: 5,4 Mill. t im Wert von 67 Mill. M. 
25 400 Mann Belegschaft, 23 Werke); nicht un- 
wichtig ist der Braunkohlenbergbau (2.8 Mill. t 
im Wert von 8 Mill. M, 4900 Arbeiter). Un- 
rentabel geworden ist infolge der ausländischen 
Konkurrenz und der Entwertung des Silbers der 
früher hochwichtige Silberbergbau, unwesentlich 
auch der übrige Erzbergbau (Wismut, Kobalt, 
Nickelerze usw., 1908: Geldwert der Erzeugung 
1,5 Mill. M. 136 Gruben, 2200 Arbeiter). Die 
Verarbeitung der im Land gewonnenen und auch 
ausländischer Erze erfolgt in den staatlichen Hütten- 
werken (bei Freiberg). Weit wichtiger ist jedoch 
die Eisenverhüttung (17000 Arbeiter, 1908:
	        
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