Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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das Gesamteinkommen des Wählers 1600 M über- 
steigt; e) die Grundbesitz im Sinn Litera Acd haben, 
von dem mehr als 4 ha der Land= oder Forstwirt- 
schaft oder dem Obstbau oder mehr als 1 ha der 
Gärtnerei oder dem Weinbau dienen. 
Vier Stimmen haben die Wahlberechtigten, 
-a) die ein Einkommen von mehr als 2800 K zur 
Staatseinkommensteuer versteuern; b) die im Sinn 
Litera Ab, c ein dienstliches oder gewerbliches Ein- 
kommen oder im Sinn Litera B c ein Einkommen 
von über 2500 M beziehen; c) die einen Grundbesitz 
im Sinn Litera A d haben, auf dem über 200 
Steuereinheiten haften, vorausgesetzt, daß das Ge- 
samteinkommen des Wählers 2200 àl übersteigt; 
d) die Grundbesitz im Sinn Litera Ad haben, von 
dem mehr als 8 ha der Land-oder Forstwirtschaft 
oder dem Obstbau, oder mehr als 2 ha der Gärt- 
nerei oder dem Weinbau dienen. 
Wer das 50. Lebensjahr bei Abschluß der Wähler- 
liste vollendet hat, führt eine Zusatzstimme (Alters- 
stimmedh), doch stehen mehr als vier Stimmen keinem 
Wähler zu. 
Wählbar ist jeder männliche Sachse, der 30 
Jahre alt ist, Steuern bezahlt und 3 Jahre die 
sächsische Staatsangehörigkeit besitzt. Alle 6 Jahre 
findet eine Gesamterneuerung der Zweiten Kam- 
mer statt. 
Die Zusammensetzung der Zweiten Kammer zu 
Beginn der einzelnen Landtage seit 1873 zeigt 
folgende Tabelle: 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
* S2 *W**.v- #n 
vbomonß2232 
Jahr 22 — 2 2# z 
26E l 
187173388 11 5— 200 —/— 80 
1875 335 15 14— 16 — — 80 
1877 37 19 20 — 3 — 1 80 
187270 6 20 1 „ 3 80 
188115 14 15 — 2.— 4 80 
1888 47 11 15 34 80 
1885 * m 3 5 80 
18817 417 12 11 3 5 80 
198899 4 12 1111 1— 7 80 
1891 45 | 10 11 2 1 11 80 
16983 41 1 S 1 11¼4 82 
1895 44 1 6 — 11 
18987 50 21 3 s 582 
1899 52 22 3 1 4 82 
1901 * i 2 8232 
1903 57 22 — 1 1 1 82 
1905 54 23 — 2 1 1 1182 
190746 311— 3 — 1 1|82 
1900 27 2 — 8 — 2 25 9 
  
  
  
  
1 Ferner 1 Deutschsozialer. : Ferner 1 Frei- 
konservativer. 3 Im Jahr 1896 wurde an Stelle der 
direkten geheimen Wahl das Dreiklassensystem mit in- 
direkten Wahlen geschaffen. Die Sozialdemokraten schmolzen 
infolgedessen durch die Ergänzungswahlen (bis zum neuen 
Wahlgesetz von 1909 schied alle 2 Jahre ein Drittel der 
auf 6 Jahre gewählten Abgeordneten aus) immer mehr 
zusammen und verschwanden 1901 ganz. 
Jede Kammer wählt sich ein „Direktorium“ 
(Präsident, zwei Vizepräsidenten, zwei Sekretäre). 
Die Mitglieder des alten Direktoriums (eventuell 
vom König ernannte Mitglieder) bilden beim neuen 
Landtag die „Einweisungskommission“ zur Prü- 
sung der Legitimation usw. Der Präsident der 
Ersten Kammer wird vom König aus der Mitte 
der Herrschafts= oder Rittergutsbesitzer ernannt. 
Ein Abweichen von der den Geschäftsgang der 
  
Sachsen. 
  
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Kammern regelnden Gesetzeskraft habenden „Land- 
tagsordnung“ im Einzelfall ist nur mit Zustim- 
mung der Regierung, und wenn nicht mindestens 
10 Mitglieder widersprechen, zulässig. Neben der 
Landtagsordnung besitzt jede Kammer eine beson- 
dere Geschäftsordnung, die keine eigentlichen 
Rechtssätze enthält und stets durch Mehrheitsbe- 
schluß abgeändert werden kann. Jede Kammer 
wählt ordentliche und außerordentliche „Depu- 
tationen“ (Ausschüsse) für gewisse Geschäftszweige, 
in der Zweiten Kammer werden diese durch die in 
der „Präliminarsitzung“ bestimmten „Abteilungen“ 
gewählt. Während der Vertagung und nach Schluß 
des Landtags können mit königlicher Genehmigung 
„Zwischendeputationen" für besondere Gegenstände 
tätig sein. Eine gemeinschaftliche Deputation 
(Mitglieder beider Kammern) kann gebildet werden, 
wenn über eine Regierungsvorlage bei abweichen- 
den Beschlüssen beider Kammern eine Einigung 
erzielt werden soll (Vereinigungsverfahren). Ge- 
heime Kammersitzungen sind nur ausnahmsweise 
zulässig. Beratungs= und beschlußfähig ist jede 
Kammer bei Anwesenheit der Hälfteder verfassungs- 
mäßigen Zahl. Verfassungsändernde Gesetze er- 
fordern in jeder Kammer die Anwesenheit von drei 
Vierteln der verfassungsmäßigen Mitgliederzahl 
und eine Zweidrittelmehrheit der Anwesenden. 
Endgültig gefaßte Beschlüsse können von einer 
Kammer während der Dauer eines Landtags nur 
zurückgezogen werden zur Erzielung einer Ver- 
ständigung mit der andern Kammer oder wenn 
der König seinerseits nicht zustimmt. Finanzgesetze 
müssen zuerst an die Zweite Kammer gelangen. 
Regierungsentwürfe müssen auch nach Ablehnung 
der einen Kammer an die andere gebracht werden, 
eventuell tritt dann das Vereinigungsverfahren 
(s. oben) in Tätigkeit. Führt dieses zu keinem 
Ergebnis, so gilt der Gesetzesvorschlag der Re- 
gierung als angenommen, wenn in der ablehnen- 
den Kammer der Beschluß mit einer Mehrheit von 
weniger als zwei Dritteln der Anwesenden zustande 
gekommen ist. 
Jedes neue Kammermitglied leistet den Eid auf 
die Staatsverfassung. Während des Landtags ist 
der freiwillige Austritt aus der Kammer nur mit 
deren Genehmigung zulässig. Fernbleiben ohne 
genügende Entschuldigung und trotz persönlicher 
Aufforderung kann den zeitweiligen Ausschluß zur 
Folge haben. Die Abgeordneten der Zweiten 
Kammer und von der Ersten Kammer die beiden 
evangelischen Geistlichen, die gewählten und er- 
nannten Rittergutsbesitzer, die Bürgermeister und 
die vom König frei Ernannien erhalten für jeden 
ordentlichen Landtag eine Aufwandsentschädigung 
von 3000 M (Gesetz vom 19. Febr. 1909, bis 
dahin Tagegelder), die am Tagungsort wohnen- 
den Mitglieder jedoch nur die Hälfte. Für jeden 
Abwesenheitstag werden 15 bzw. 7.5 M in Abzug 
gebracht. Während eines außerordentlichen Land- 
tags werden die gleichen Sätze als Anwesenheits- 
gelder vergütet, ebenso den Direktoriums= und
	        
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