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Fragen der Gemeindeaufsicht usw.) und beratendes
Organ.
Die Gemeindeverfassung beruht auf der
Städteordnung vom 2. Febr. 1832 und der Land-
gemeindeordnung vom 7. Nov. 1838; beide sind
abgeändert durch die revidierte Städte= und die
revidierte Landgemeindeordnung vom 24. April
1873. Für mittlere und kleine Städte wurde
durch ein gleichzeitig erlassenes Gesetz eine beson-
dere Städteordnung geschaffen (im allgemeinen
Städte unter 6000 Einwohnern, doch kann jede
Stadt mit Genehmigung des Ministeriums sich
für eine der beiden Städteordnungen entscheiden).
Die Stimmberechtigung in Gemeindesachen schließt
sich in den Landgemeinden unmittelbar an die
durch den Wohnsitz erworbene Gemeindemitglied-
schaft, in den Städten an den Erwerb des Bürger-
rechts, wozu jeder zur Erwerbung des Bürger-
rechts Berechtigte verpflichtet ist, wenn er 9 M
Staatssteuer zu entrichten hat und seit 3 Jahren im
Gemeindebezirk seinen Wohnsitz hat. Zwang kann
nicht ausgeübt werden. Die einzelnen Gemeinden
regeln ihre Verfassung genauer durch Ortsstatute.
In den Städten der revidierten Städteordnung
sind Stadtrat (städtische Regierung) und Stadt-
verordnete (Vertretung der Bevölkerung) deutlich
getrennt. In den mittleren und kleinen Städten
bilden beide Organe den Stadtgemeinderat (der
allerdings auch in den Städten der revidierten
Städteordnung zulässig ist). In den Landgemein-
den bildet der Gemeindevorstand (Bürgermeister),
ein oder mehrere Gemeindeälteste und die Mit-
glieder des Gemeindeausschusses den Gemeinderat.
In ganz kleinen Gemeinden tritt an Stelle des
Gemeindeausschusses die Gemeindeversammlung.
Träger von Selbstverwaltungsrechten sind ferner
die „selbständigen Gutsbezirke“. Die staatliche
Aussichtsbehörde ist für die Städte der revidierten
Städteordnung der Kreishauptmann, für die
übrigen Gemeinden der Amtshauptmann. Voll-
ständig exemt von der Amtshauptmannschaft hin-
sichtlich der zu besorgenden Angelegenheiten (aus-
genommen Militär-, Enteignungs-, Eisenbahn-
usw. -sachen) sind die fünf unmittelbaren
Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen,
Zwickau (Gesetz vom 30. April 1906). Als höherer
Kommunalverband besteht für den Amtsbezirk jeder
Amtshauptmannschaft der Bezirksverband (für
Armenwesen, öffentliche Krankenpflege, Wegebau
usw.); seine Organe sind die Bezirksversammlung
(Amtshauptmann und 24 gewählte Mitglieder)
und der Bezirksausschuß (Zusammensetzung f.
Sp. 838).
Reste der altständischen Verfassung sind
noch der Provinzialverband der Oberlausitz (Sta-
tut vom 17. Nov. 1834) und die vier erbländi-
schen Kreise, der Meißener, Leipziger, Erzgebirgische
und Vogtländische Kreis (Kreisordnung vom
10. Aug. 1821). Die Grenzen dieser Bezirke
fallen mit denen der Kreishauptmannschaften nicht
zusammen. Die den Oberlausitzer Landtag bilden-
Sachsen.
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den Provinzialstände zerfallen in den Landkreis
(Prälaten und Herren, Ritterschaft und Vertreter
der Landgemeinden und Landstädte) und in die
Vierstädte (Bautzen, Zittau, Kamenz, Löbau).
Der Kreistag eines erbländischen Kreises setzt sich
zusammen aus einer ritterschaftlichen und einer
städtischen Kurie. Die Zuständigkeit dieser öffent-
lich-rechtlichen Verbände erstreckt sich auf die Ver-
mögensverwaltung und die Verwendung der Er-
trägnisse für gemeinnützige Zwecke, die Oberlausitz
besitzt ferner einzelne Provinzialanstalten (Lehrer-
seminar, landständische Bank) und hat ein Vor-
schlagsrecht für die Amtshauptmannstellen der
Provinz.
Das Koönigreich besitzt 109 Amtsgerichte, 7
Landgerichte und das Oberlandesgericht zu Dres-
den. Organe der Verwaltungsrechtspflege (Gesetz
vom 19. Juli 1900) in Verwaltungsstreitsachen
sind die Kreishauptmannschaft und das Oberver-
waltungsgericht.
Nach der Militär konvention mit Preußen
vom 7. Febr. 1867 und dem Gesetz vom 25. März
1899 bilden die sächsischen Truppen das XII. und
XIX. Armeekorps des Deutschen Reichs. Die Ver-
waltungsangelegenheiten unterstehen dem säch-
sischen Kriegsministerium. Einzelheiten s. die Art.
Heerwesen, Militärwesen.
Orden sind der Hausorden der Rautenkrone
(gestiftet 1807, nur an fürstliche Personen und
die höchsten Staatsbeamten verliehen), der Mili-
tär-St-Heinrichs-Orden (gestiftet 1736, vier
Klassen für Offiziere, eine fünfte mit goldener und
silberner Medaille für Unteroffiziere und Sol-
daten); der Verdienstorden (gestiftet 1815, Groß-,
Komtur-, Ritter-, Verdienstkreuze); der Albrechts-
Orden (gestiftet 1850, fünf Klassen); für Frauen
der Sidonien-Orden (gestiftet 1871) und der
Maria-Anna-Orden (gestiftet 1906, 2 Klassen).
Das Wappen ist ein deutscher Schild: fünf
schwarze Querbalken in goldenem Feld mit schräg
darüber gelegtem grünem Rautenkranz. Dieses
kleine Wappen bildet den Herzschild des größeren,
indem es (12) Wappen einzelner Landesteile des
Hauses Wettin umziehen; der Hausorden der
Rautenkrone hängt darunter her; den unteren Ab-
schluß bildet ein grünes Band mit der Inschrift:
Providentiae memor. Bis zum Jahr 1858 war
das ganze Wappen von einem Königsmantel um-
worfen; seitdem bilden zwei goldene Löwen die
Schildhalter. Landesfarben sind Weiß und Grün.
Zur Vertretung der landwirtschaftlichen Inter-
essen besteht ein Landeskulturrat (28 Mitglieder,
Neureglung durch Gesetz vom 30. April 1906).
Die fünf Handelskammern und die fünf Ge-
werbekammern sind obligatorische Einrichtungen
(Gesetz vom 4. Aug. 1900 und Verordnungen
vom 22. Juli und 15. Aug. 1901); den Ge-
werbekammern sind die Funktionen der Handwerks-
kammern überwiesen.
Das Gesamtvermögen der sächsischen Staaten
wurde Anfang 1909 auf 1680 Mill. M geschätzt,